Georg Exner

1950 erhielt die katholische Pfarrkirche St. Oswald in Stockach sechs neue Glocken aus der Heidelberger Gießerei Schilling. Sie waren Ersatz für das frühere Geläut, das zur Kriegszeit eingeschmolzen und zu Kriegsgerät umgearbeitet worden war. Fritz Metterhauser aus Stockach war Augenzeuge der Glockenweihe im Jahr 1950 Er war damals zwölf Jahre alt und ein begeisterter Ministrant in St. Oswald.

Die St.-Oswald-Kirche war am Tag der Glockenweihe, wie es in jenen Nachkriegsjahren bei jedem Gottesdienst üblich war, bis auf den letzten Platz besetzt. Nach dem Gottesdienst drängte man sich um den Kirchturm. Die Glocken standen am Fuss des Turms auf einem Brettergerüst, etwa dort, wo heute die Kreuzigungsgruppe ist. Metterhauser gehörte zur Ministrantenschar, die Mesner Gottlieb Schorer in Reih und Glied bei Dekan Josef Wolf aufgereiht hatte. Der Dekan, ein ehemaliger Militärpfarrer, in Stockach wohlgelitten, nahm die Weihe der sechs neuen Glocken vor.

Metterhauser sieht die Glocken noch vor sich, wie sie nebeneinander auf dem Holzgerüst neben dem Kirchturm standen. Am eindrucksvollsten fand der Zwölfjährige das große Loch am oberen Ende des Turms, dort wo die Glocken von Zimmerleuten und den Glockengießern zum Glockenstuhl hineingezogen wurden. Ein mächtiger Balken ragte aus der Öffnung heraus, bis zu ihm wurden die Glocken einzeln emporgezogen. Kräftige Männerarme erledigten dies mittels eines Flaschenzuges. Das Ganze endete sehr schlicht, ohne großes Fest, wie es heute üblich wäre. Das entsprach der damaligen Zeit, in der man zwar den Aufschwung spürte, aber die Nachwirkungen der Kriegszeit eben doch auch noch.

Für die Ministranten brachten die Glocken zusätzliche Aufgaben. Weil es einen elektrischen Antrieb noch nicht gab, hingen sie regelmäßig an den Glockenseilen, um einen Gottesdienst anzukündigen. Am Karfreitag, so erinnert sich Metterhauser, mussten zwei von ihnen im Glockenstuhl eine große Rätsche bedienen, die an den Kartagen die Glocken ersetzte, weil diese bekanntlich an diesen Tagen "nach Rom fliegen" und daher nicht zu hören sind. Natürlich rannten die Jungs, wie Metterhauser schmunzelnd berichtet, oft auch den Turm empor bis zu den Glocken und wieder hinab. Das konnte selbst der gestrenge Mesner Schorer nicht verhindern. "Wir Ministranten kannten den Turm in- und auswendig!"

Eine alte und vier neue Glocken

Nur eine 1734 gegossene Glocke des früheren Geläuts der St. Oswald-Kirche in Stockach hatte die Wirren des letzten Krieges überstanden. Die übrigen war während des Krieges abgehängt, eingeschmolzen und Kriegszwecken zugeführt worden. 1950 kam Ersatz in Form von vier neuen Glocken, die in der Gießerei Schilling in Heidelberg hergestellt worden waren. In den Tagen vor der Weihe durch den damaligen Stadtpfarrer und Dekan Josef Wolf waren die Glocken angeliefert und beim Kirchturm aufgestellt worden. Von einem der beiden Turmzimmer herab, so weiß Hermann Rath aus Stockach zu berichten, hatte eine Gruppe von Kolpingbrüdern ein wachsames Auge auf die Glocken bis zum Weihetag. Entsprechend dem Kirchenführer von St.

Oswald wiegt die größte Glocke 1950 Kilogramm und trägt die Inschrift, "Ihr Menschen, die ihr gestaltet die Zeit; wisset Christus bleibt König in Ewigkeit". Die zweite Glocke wiegt 710 kg und zeigt die Inschrift, "Maria segne uns auf dem Weg der Zeit und auf dem Gang in die Ewigkeit". Die dritte Glocke ist 501 kg schwer und trägt die Inschrift: "Heiliger Johannes, zum Täufer Christi ernannt, rufe die ewige Wahrheit von Land zu Land". Die kleinste Glocke endlich wiegt nur 320 kg und erinnert mit folgenden Worten an die Kriegsfolgen: "Wir weinen um die Brüder, die die Kriege uns nahmen, um die Brüder, die vermißt und nicht mehr kamen, St. Josef bitte für sie und uns."(ex)