Von der Corona-Krise betroffen sind Privatpersonen, Unternehmen und auch die öffentliche Hand. Inwiefern wirken sich die coronabedingten Auswirkungen bei der Gewerbesteuer, zum Beispiel die Möglichkeit der Stundung für Unternehmen, zu erwartende Mindereinnahmen aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Betriebe und dergleichen auf den Haushalt der Gemeinde Bermatingen aus?
Bei entsprechenden Anträgen werden wir die Gewerbesteuervorauszahlung für das Jahr 2020 zur Verbesserung der Liquidität in den Unternehmen unbürokratisch für zunächst drei Monate zinslos stunden. Sollten die Unternehmen eine nachhaltige Verschlechterung befürchten, empfehlen wir unseren Gewerbetreibenden eine Reduzierung des Gewerbesteuermessbetrages direkt beim Finanzamt zu prüfen. Die Gewerbesteuer beträgt rund 15 Prozent am Gesamtergebnishaushalt unserer Gemeinde. Einen größeren Anteil der Auswirkungen auf unseren Haushalt hat aber das Finanzausgleichsgesetz, also insbesondere die Einkommenssteueranteile, Umsatzsteueranteile und Schlüsselzuweisungen. Die Auswirkungen hierauf lassen sich derzeit noch nicht abschätzen.

Müssen denn bestimmte Vorhaben oder Investitionen absehbar geschoben oder gar gestrichen werden und wenn ja, welche könnten dies Stand jetzt sein?
Das ist noch nicht abzusehen. Aktuelle Maßnahmen wie der Breitbandausbau Hofäcker, die Kindergarten-Erweiterung Ahausen, das Sportstättenkonzept und das Baugebiet Hinterm Dorf III sind Projekte, die derzeit voll in Planung und Umsetzung sind. Diese werden unverändert weiterlaufen. Alles Weitere muss dann zu gegebener Zeit im Gemeinderat beraten werden.
Wird es in Bermatingen nun einen Nachtragshaushalt geben müssen und wenn ja, wann wird dieser erstellt?
Derzeit steht ein Nachtragshaushalt in Bermatingen nicht zur Debatte.

Mit welchen Mindereinnahmen bei den Gewerbesteuereinnahmen rechnen Sie denn Stand jetzt unter der Maßgabe, dass die Beschränkungen noch für ein, zwei weitere Monate gelten? Und vor allem: Wie fällt aktuell eine Prognose anhand der jetzigen vorliegenden Zahlen hochgerechnet aufs gesamte Jahr aus?
Die Prognose der Gewerbesteuer ist schon zu normalen Zeiten sehr schwer, weil auch Änderungen bei nur wenigen Unternehmen größere Auswirkungen auf das Gesamtaufkommen haben können. Unter den aktuellen Umständen ist zum jetzigen Zeitpunkt eine Prognose schlicht unmöglich. Aber natürlich befürchten wir insgesamt ein niedrigeres Aufkommen.
Wie beurteilen Sie, ebenfalls Stand jetzt, den Ausblick auf die Finanzplanung der Haushaltsjahre 2021 und folgende? Welche langfristigen Investitionen oder Vorhaben könnten von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen sein?

Der Ausblick trübt sich ein, keine Frage. Spannend wird in jedem Fall die Mai-Steuerschätzung werden. Vielleicht lassen sich danach erste Aussagen auch für uns ableiten. Die Finanzplanung der Jahre 2021 und folgende wird dann sicher zu überarbeiten sein.

Welche Gegenmaßnahmen treffen Sie respektive die Verwaltung in Bermatingen, um die Ausfälle kompensieren zu können und um den Ergebnishaushalt des laufenden Jahres doch noch ins Gleichgewicht bringen zu können?
In Bermatingen wird seit jeher schon immer sehr sparsam gewirtschaftet. Nicht von ungefähr stand und steht auch aktuell unsere Ergebnisrechnung sehr stabil da. Dies war und ist die Grundlage, um Projekte zur Weiterentwicklung unserer Gemeinde angehen zu können. Als Gegenmaßnahmen zu voraussichtlichen coronabedingten Ausfällen stehen verwaltungsintern derzeit alle Ausgaben besonders auf dem Prüfstand und unter Genehmigungsvorbehalt. Maßnahmen, die nicht zwingend in 2020 zu realisieren sind, außer natürlich den bereits begonnenen, werden vorerst einmal zurückgestellt. Alles Weitere wird dann im Gemeinderat beraten und beschlossen werden.
Fragen: Helmar GruppZu Person und Thema
- Ivo Willamowski (44) ist seit Mitte 2016 Kämmerer der Gemeinde Bermatingen. Zuvor war er seit 2009 Sachbearbeiter in der Finanzverwaltung der Stadt Markdorf. Dort hat er unter anderem an der Umstellung der kommunalen Finanzen auf das neue Haushaltsrecht der Doppik mitgewirkt und die Kindergärten und andere städtische Liegenschaften betreut. Willamowski ist Diplom-Verwaltungswirt, verheiratet und hat zwei Kinder. In Bermatingen hatte er die Nachfolge von Stefan Krause angetreten, der vor vier Jahren als Kämmerer in die Nachbarstadt Überlingen gewechselt war.
- Eckdaten des Bermatinger Haushalts: Der Haushalt 2020 der Gemeinde ist vor allem geprägt durch ein Rekordinvestitionsvolumen. Rund 8,5 Millionen Euro sollen im Laufe des Jahres investiert werden. Jedenfalls war das der Stand bei der Verabschiedung des Haushaltes zur Jahreswende. Zu den größten Investitionsposten gehören die Fertigstellung des Baugebietes Hinterm Dorf III (2,2 Mio. Euro), die Sportstättenkonzeption (2,5 Mio. Euro), die Kindergartenerweiterung in Ahausen (1,4 Mio. Euro) und der Breitbandausbau Hofäcker/Im Sinn mit 780 000 Euro. Eingeplant war bislang eine Kreditaufnahme in Höhe von 1,7 Mio. Euro. Im Haushaltsplan 2020 wird der Schuldenstand der Gemeinde zum Jahresende 2020 mit rund 3,8 Mio. Euro angegeben. Dies wäre der bislang höchste Schuldenstand der Gemeinde. Aufgrund der finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise könnte sich der tatsächliche Schuldenstand zum Jahresende auf eine noch höhere Summe belaufen. Um einer noch höheren Verschuldung auch mit Blick auf die kommenden Jahre entgegenzuwirken, hatte der Gemeinderat auf Vorschlag der Verwaltung beschlossen, mit Wirkung zum 1. Januar 2020 die Hebesätze zu erhöhen. Dies betrifft zum Beispiel die Grundsteuern und die Gewerbesteuer.