Drei Gemeinden im Bodenseekreis werden in diesem Jahr die Echt-Bodensee-Card (EBC) einführen. Zwei davon – Heiligenberg und Frickingen – wollten das eigentlich schon 2018 tun. In Immenstaad beschloss der Gemeinderat, die Gästekarte im April an den Start zu bringen. Mit rund 375 000 Übernachtungen pro Jahr wird Immenstaad das touristische Schwergewicht im Kreis der EBC-Gemeinden.
Mit Bodman-Ludwigshafen, Sipplingen, Eriskirch, Langenargen, Wasserburg und Nonnenhorn geben 2019 neun Gemeinden mit mehr als einer Million Übernachtungen jährlich die Gästekarte EBC aus. Die wichtigsten Tourismusorte sind jedoch weiter nicht dabei. Im Bodenseekreis entfallen allein auf Friedrichshafen und Überlingen knapp die Hälfte aller 3,2 Millionen Übernachtungen von Touristen in Betrieben mit mehr als zehn Betten. Zum Vergleich: Der Landkreis Konstanz hat rund 2,5 Millionen Übernachtungen jährlich, Lindau etwa 1,1 Millionen.
Städte wollen EBC nicht
Doch die „Großen“ wollen die EBC, das Paradeprojekt der 2013 gegründeten Deutschen Bodensee Tourismus GmbH (DBT), derzeit nicht. Der Friedrichshafener Gemeinderat stimmte im Oktober dagegen. Begründung: Die Einführung der Gästekarte sei wegen des hohen Anteils von rund 60 Prozent an Geschäftsreisenden derzeit weder dringend erforderlich noch finanziell attraktiv. Schließlich kostet die Karte einen Euro für jede Gäste-Übernachtung. Die anderen Gemeinden finanzieren den Beitrag hauptsächlich über die Kurtaxe. Die gibt es in Friedrichshafen nicht.

Auch in Überlingen überwiegt Ablehnung. Wie aus Ratskreisen zu hören ist, will die Kurstadt mitbestimmen dürfen, wenn es um die DBT geht. Doch EBC-Gemeinden sind im Kreis der fünf Gründungsgesellschafter, von denen der Bodenseekreis mit 70 Prozent der Anteile immer das Sagen hat, nicht willkommen. Ein regionales Tourismusmarketing- und ÖPNV-Konzept könne „nicht um einzelne Kirchtürme herum gestrickt werden“, so der Sprecher der Kreisverwaltung auf unsere Anfrage.
Eine dritte Front gegen die EBC bilden Gemeinden, die ihre Zurückhaltung mit der schlechten ÖPNV-Anbindung begründen, beispielsweise im Deggenhausertal. In der Ferienlandschaft Gehrenberg (GVV) wird keine Kurtaxe verlangt. Vor Jahresfrist hatte der Markdorfer Bürgermeister Georg Riedmann gesagt, dass die kostenlose Nutzung des Nahverkehrs für einen ausgewählten Personenkreis über eine allgemeine Steuer für die Mitglieder des GVV aus Gründen der Gleichbehandlung nicht in Frage komme.
Gästekarte für 1,3 Millionen Euro
Zur nach wie vor mangelnden Akzeptanz in den Gemeinden kommt das finanzielle Problem. Die EBC hat enorme Gelder verschlungen. Von 2013 bis 2016 wurden Beratungshonorare von 350 000 Euro bezahlt. Die Systemeinführung 2017 kostete 364 000 Euro. 178 000 Euro mussten gleich wieder abgeschrieben werden, weil Hard- und Software der Chipkarte, die Ende 2017 wieder eingestampft werden musste, nicht mehr zu verwenden ist. Die laufenden Projektkosten für 2017 beziffert das Landratsamt mit 409 000 Euro für Personal, Lizenzen, Beratung, Werbung und Marketing. Alles zusammen kostete die Einführung der EBC-Gästekarte also 1,3 Millionen Euro.

Auf die Frage, wie hoch der Verlust ist, den die DBT durch die Insolvenz des technischen Dienstleisters Geios AG abschreiben musste, wollte das Landratsamt keine Auskunft geben und verweist auf die neue Geschäftsführung. Das gilt auch auch für die Frage, welche Summe der erst 2015 gegründeten Firma Geios AG mit ihrem Geschäftsführer Konstantin Andreas Feustel für die Einführung der EBC-Chipkarte ausbezahlt wurde. Bekanntlich war Feustel seit 2013 Berater des Landkreises für genau diesen Zweck.
Die Kosten für die Gästekarte haben der DBT die Bilanz verhagelt. 2017 fehlten am Ende knapp 518 000 Euro für ein ausgeglichenes Ergebnis. Durch ein kleines Plus aus den Vorjahren startete die Gesellschaft 2018 mit einem Saldo von 477 300 Euro in den Büchern. Der Jahresabschluss liegt noch nicht vor. Im Wirtschaftsplan ging die DBT von erneut rund 350 000 Euro Verlust aus – in Summe wären das 827 000 Euro minus. Nach einer „vagen Einschätzung“ der Kreisverwaltung könnte die EBC 2019 annähernd kostendeckend betrieben werden. Drei weitere Gemeinden zahlen Beiträge, und die Papierkarte kostet weniger im Betrieb. Will heißen: Die Schulden steigen wohl nicht weiter an. Aber auch der Kredit von 1,2 Millionen Euro für die EBC aus dem Kreishaushalt belastet die DBT.
DBT hängt am Kreis-Tropf
Haupteinnahmequelle für die DBT ist nicht der Beitrag, den die Gemeinden für die Gästekarte abführen. 2017 waren das nach Angaben des Kreises rund 88 500 Euro. In diesem Jahr blieben bei rund eine Million Übernachtungen zirka 250 000 Euro aus dem Solidarbeitrag hängen. Damit sind noch nicht einmal die Personalkosten bei der DBT gedeckt, die 2017 mit 332 000 Euro zu Buche schlugen.
Ob die EBC überlebt, hängt davon ab, ob es der neuen Geschäftsführerin Ute Stegmann gelingt, weitere Kommunen vom Nutzwert der ÖPNV-Gästekarte zu überzeugen. Die frühere Tourismuschefin von Immenstaad übernimmt die DBT-Führung am 1. März. Ihr Vorgänger Enrico Heß verließ bereits Ende 2018 auf eigenen Wunsch, wie es hieß, nicht nur den Bodensee, sondern auch die Tourismusbranche. Er ist nach eigenen Angaben nun in der Geschäftsleitung eines Erfurter Pflegedienstes tätig.
Beteiligung zurückfahren?
Demnächst muss sich der Kreistag mit der DBT befassen. Für die SPD-Fraktion hat Norbert Zeller im Januar beantragt, den Anteil des Bodenseekreises an der Gesellschaft von derzeit 70 auf maximal 50 Prozent zu reduzieren. Da der Tourismus am Bodensee seit Jahren boome, sehe man „keine weitere Veranlassung einer erhohten Subvention der Tourismusbranche durch offentliche Gelder aus dem Kreishaushalt“. Der Vorschlag trifft bei Landrat Lothar Wölfle, der derzeit Vorsitzender der Gesellschafterversammlung ist, nicht auf Zustimmung. "Die DBT braucht jetzt Stabilität, also Gesellschafter, die zu ihren Zusagen und ursprünglichem Arbeitsauftrag stehen", sagt er. Dann hätte die DBT und ihr Team auch die Chance, ihren Auftrag zu erfüllen, ein übergreifendes Tourismusmanagement am nördlichen Seeufer zu etablieren.
Bodenseekreis und Landkreis Konstanz (noch) nicht auf einer Linie
Viele Touristiker sind sich einig, dass eine ÖPNV-Gästekarte über Lindau und Bodman-Ludwigshafen hinausgehen muss.
- -Wie weit sind die Bemühungen, eine gemeinsame Gästekarte mit dem Landkreis Konstanz zu etablieren? Solche Gespräche laufen, heißt es aus dem Landratsamt in Friedrichshafen. Hier kristallisiere sich zunehmend die Erkenntnis heraus, dass es aus touristischer Sicht durchaus sinnvoll sei, ein möglichst einheitliches und flächendeckendes Angebot am deutschen Bodenseeufer zu machen. Die Gesellschafter der DBT wollten das von Anfang an, heißt es. Und: "Es war der Kreistag von Konstanz, der dreimal nein sagte." Die Tür sei aber nach wie vor offen. Zuvor müssten aber eine Reihe von Detailfragen geklärt werden, insbesondere beim Zusammenwachsen der ÖPNV-Tarifgebiete. Im Landkreis Konstanz gibt es die Gästekarte des Verkehrsverbunds VHB.
- -Wie sieht das man das in Konstanz? In einem Schreiben an den Verein der Gastgeber Uhldingen-Mühlhofen im November 2018 erklärt der Konstanzer Landrat Frank Hämmerle, dass es schon immer Ziel der beiden Kreisverwaltungen war, eine Gästekarte am deutschen Bodenseeufer anzubieten. An dieser Haltung habe sich nichts geändert. "Wir hoffen deshalb, dass es in den weiteren Gesprächen gelingen wird, eine Lösung zu finden."
- -Wieviel hat der Bodenseekreis bisher in die DBT gepumpt, um "seine" Gästekarte an den Start zu bringen? Der Bodenseekreis ist größter Geldgeber für die DBT über seinen Gesellschafteranteil von 70 Prozent. Der stieg von 300 000 Euro im Jahr 2014 auf 520 500 Euro im Jahr 2018. Allein der Bodenseekreis hat die DBT aus Steuergeldern bisher mit 3,3 Millionen Euro inklusive des Kredits finanziert. 2019 kommt laut Plan ein Zuschuss von 470 000 Euro dazu. Rechnet man die Zuschüsse der vier weiteren Gesellschafter hinzu, flossen bisher 4,2 Millionen Euro in die Tourismusgesellschaft, für die die EBC-Gästekarte nach wie vor das zentrale Projekt ist. (kck)