Soll Deutschland zur Atomkraft zurückkehren? Brauchen wir härtere Regeln für Migration? Mehr Geld für die Bodenseegürtelbahn? Diesen Fragen stellten sich die Direktkandidaten für die Bundestagswahl – Volker Mayer-Lay (CDU), Leon Hahn (SPD), Akif Akyildiz (FDP) und Andreas Reich (Linke) – bei der SÜDKURIER-Wahlarena in der Markdorfer Stadthalle.
Rund 250 Interessierte verfolgten die Veranstaltung vor Ort im Publikum, mehr als 500 schauten im Livestream zu. Helmar Grupp, Leiter der Markdorfer Redaktion, und Andreas Ambrosius, Leiter der Lokalredaktion Friedrichshafen, moderierten die Diskussion. Während bei Themen wie Gesundheit relativ große Einigkeit herrschte, zeigten sich bei Migration und Wirtschaft ideologische Gräben.
Migration sorgt für Schlagabtausch
Helmar Grupp eröffnete die Debatte mit einer Frage, die polarisiert: „Was läuft eigentlich falsch in der Migrationspolitik?“ Volker Mayer-Lay (CDU) fand klare Worte: „So einiges.“ Er verwies auf das aktuelle Attentat in Aschaffenburg und forderte eine strengere Durchsetzung des Dublin-Verfahrens sowie mehr Kompetenzen für Polizei und Behörden. Zudem warf Mayer-Lay der Bundesregierung „akuten Asylmissbrauch“ vor und plädierte dafür, die Zahl der Geflüchteten „radikal herunterzufahren“. „Integration ist bei dieser Masse nicht mehr möglich“, so der 43-Jährige.
Dem widersprach Leon Hahn (SPD) entschieden. Mayer-Lays Argumentation sei symptomatisch für die Flüchtlingsdebatten der vergangenen Jahre – nach jeder Straftat folge eine reflexartige Forderung nach Verschärfungen. Hahn betonte, dass die Realität komplexer sei. Migration müsse zudem in zwei Bereiche getrennt werden: Flucht und Fachkräftezuwanderung. Letztere brauche das Land dringend.
Ähnlich argumentierte Akif Akyildiz (FDP): „Wir sind auf Menschen angewiesen, die etwas leisten.“ Leider träfen Verschärfungen oft genau diese Menschen, so der 25-Jährige. Trotzdem forderte er mehr Klarheit in der Trennung von Asyl und Migration und sprach sich für härtere Maßnahmen gegen Integrationsverweigerer aus.
Linken-Kandidat Andreas Reich brachte eine globale Perspektive ein: „Wir müssen die Ursachen in den Herkunftsländern bekämpfen.“ Man müsse sich fragen, so der 70-Jährige, woher die Waffen kommen, mit denen sich die Menschen in ihren Herkunftsländern bekriegen.
Mayer-Lay fordert Rückkehr zur Atomenergie
Auch bei der Frage, wie der Bund die Region wirtschaftlich stärken kann, gingen die Positionen auseinander. Volker Mayer-Lay eröffnete mit einem Seitenhieb auf die Bundesregierung: In der Energiepolitik „hat die Ampel dreieinhalb Jahre verschenkt“, so der 43-Jährige. Er sprach sich für eine Rückkehr zur Kernenergie aus, falls diese möglich sei, und übte Kritik am Verbrenner-Verbot.
Leon Hahn hielt dagegen: „Es ist falsch, die Kernenergie wieder einzusetzen“, sagt er und bezeichnet es als „zu billig“, Robert Habeck die Energiekrise in die Schuhe zu schieben. Diese sei auch durch eine zu große Abhängigkeit von russischem Gas entstanden. Statt alter Lösungen brauche es einen schnellen Ausbau der Netze und der Ladeinfrastruktur: „Darauf müssen wir uns committen – und nicht das Verbrennerverbot zurücknehmen.“
Auch Akif Akyildiz (FDP) nannte den Atomausstieg einen Fehler, lehnte aber staatliche Subventionen für die Kernenergie ab. Zudem betonte er, wie wichtig Bürokratieabbau für die Wirtschaft sei. Der 25-Jährige schlug Sparmaßnahmen nach argentinischem Vorbild vor, was Leon Hahn als „Kettensägen-Politik“ kritisierte.
Andreas Reich (Linke) plädierte für eine andere Wirtschaftspolitik: Um der Automobilindustrie wieder auf die Beine zu helfen, sollen Importe strenger reguliert und kleine Zulieferer aus Deutschland besser unterstützt werden. Unternehmenssteuern zu senken, wie es die Kollegen aus CDU und FDP gefordert hatten, lehnte er ab: „Wer soll die Steuern zahlen, die dem Staat dann fehlen?“ Das Geld werde an der Rente eingespart, warnte der 70-Jährige.
Infrastruktur: „Kaputtgespart“ oder schlecht verwaltet?
Dass die Bodenseeregion mit massiven Infrastrukturproblemen zu kämpfen hat, ist bekannt. Leon Hahn brachte es auf den Punkt: „Unsere Straßen und Schienen sind kaputtgespart worden.“ Besonders die B31 und die Bodenseegürtelbahn seien vergessen worden, so der 33-Jährige. Er forderte höhere Investitionen und überparteiliche Zusammenarbeit, um den Rückstand aufzuholen.
Akif Akyildiz (FDP) forderte eine Zerschlagung der Deutschen Bahn, um Wettbewerb auf der Schiene zu schaffen. Andreas Reich (Linke) hingegen wollte den Güterverkehr stärker auf die Schiene verlagern, um die Straßen zu entlasten. Anders als die anderen Parteien sprach er sich zudem gegen den Flughafen Friedrichshafen aus. Stattdessen sollen auf dem Gelände Wohn- und Industrieflächen entstehen, so der 70-Jährige.
Volker Mayer-Lay verwies zudem auf die Übererfüllung europäischer Gesetze, die den Ausbau von Straßen, etwa der B31, erschwerten und zugleich Unternehmen belasteten. Durch bürokratische Hürden und etliche Verbote sei es für sie wenig attraktiv, zu investieren.
Landarztquote oder Gesundheitszentren?
Beim Thema Gesundheitsversorgung zeigten die Kandidaten überraschende Einigkeit. Volker Mayer-Lay und Leon Hahn betonten, dass die Versorgung auf dem Land gestärkt werden müsse. Beide sprachen sich für eine Landarztquote aus, die Medizinstudierende verpflichtet, einige Jahre in ländlichen Regionen zu arbeiten. Andreas Reich hingegen hält Gesundheitszentren mit mehreren Fachärzten für effizienter als Einzelpraxen in jedem Ort.
Wer seine Lösungen und Ideen in Zukunft aktiv im Bundestag einbringen wird, entscheiden die Bürger und Bürgerinnen am 23. Februar bei der Bundestagswahl.