Nach dem SPÖ-Vorstoß, eine private Medizin-Uni am Bodensee einzurichten, prüft jetzt die Vorarlberger Landesregierung das Vorhaben. Wie die dortige Gesundheitsrätin Martina Rüscher im ORF sagt, habe die Regierung bereits mehrere Projekte evaluiert und sehe viele Vorteile einer Ausbildung vor Ort. Geprüft werde aktuell eine Kooperation mit der Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg (PMU), wo jährlich etwa 135 junge Menschen in Humanmedizin ausgebildet werden. Entschieden sei allerdings noch nichts, so Rüscher im ORF. Die finale Entscheidung trifft die Landesregierung Mitte Dezember.
Eine Entscheidung, die für die gesamte Bodenseeregion relevant sein dürfte. Denn: Nicht nur in Österreich fehlen junge Ärzte, sondern auch in den Nachbarländern Deutschland und Schweiz. Arztsitze bleiben unbesetzt, die Patientenversorgung wird zunehmend schlechter. Und das, obwohl auch in Baden-Württemberg immer mehr Ärzte ausgebildet werden.
Mehr Studienplätze in Baden-Württemberg
„Im Ländervergleich engagiert sich Baden-Württemberg bereits überdurchschnittlich für die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses“, betont ein Sprecher des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, das für alle fünf Medizin-Fakultäten (Freiburg, Heidelberg, Mannheim, Tübingen, Ulm) zuständig ist. Dabei verweist er darauf, dass zwischen 2014 und 2019 bis zu 15,5 Prozent aller Humanmedizin-Absolventinnen und -absolventen in Deutschland ihr Studium in Baden-Württemberg abgeschlossen hätten.
„Das Land hat angesichts des künftigen Bedarfs seit dem Jahr 2020 die Zahl der Studienplätze um 10 Prozent, also 150 Studienanfängerplätze, erhöht“, so der Sprecher auf SÜDKURIER-Anfrage. Durch die Landarztquote stelle das Land ergänzend sicher, dass ein Teil der Absolventen auf jeden Fall in einer ländlichen Region in Baden-Württemberg praktizieren werde. Das Ziel dieser Quote: Junge Menschen bekommen einen der begehrten Studienplätze, verpflichten sich dafür aber, zehn Jahre lang in einem unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebiet zu arbeiten.
In der Prüfungskommission dieser Quote sitzt auch Dr. Germar Büngener, Hausarzt in Friedrichshafen und Vorstand des Kreisärzteverbands Bodensee. Er ist täglich mit den Auswirkungen des Mangels, insbesondere von Allgemeinmedizinern, konfrontiert. „Deshalb finde ich auch jeden zusätzlichen Medizinstudienplatz unterstützenswert“, sagt er. Allerdings sieht Büngener – auch mit Blick auf die Landarztquote – einige Fallstricke. „Wenn man will, dass diese jungen Menschen, die dann vielleicht in Hard gut ausgebildet werden, auch in der Primärversorgung vor Ort tätig sein sollen, muss man sie dazu verpflichten“, so Büngener.

Die Pharmaindustrie und die Schweiz locken
Beispielsweise sollten Praktika im Bodenseeraum stattfinden oder eben Kriterien festgeschrieben werden, zum Beispiel für Stipendien – oder den Studienplatz selbst. Im Fall der Landarztquote gibt es die Möglichkeit, sich freizukaufen. „Ich habe schon das Gefühl, dass so etwas ausgenutzt werden könnte“, sagt Büngener. Zum einen sei da die Pharmaindustrie, die junge Ärzte in die Forschung locke. Zum anderen aber eben auch die gut zahlende Schweiz, die für Medizinabsolventen sehr attraktive Jobs biete.

Neue Standorte? Nicht in Baden-Württemberg
Würde eine neue Medizin-Uni auf deutscher Seite die Probleme lösen? Das Land Baden-Württemberg antwortet mit einem klaren Nein zu einem neuen Standort im Ländle. „Angesichts der vielfach bestätigten Leistungsfähigkeit der baden-württembergischen Universitätsmedizin hat das Land keine Planungen für den Aufbau weiterer Standorte“, erklärt der Sprecher des Wissenschaftsministeriums. Die Bodenseeregion werde im Übrigen auch von den bayrischen Hochschulmedizinstandorten Ludwig-Maximilians-Universität München, und Technische Universität München und Augsburg mit abgedeckt. Zudem engagiere sich Baden-Württemberg für die Akademisierung der Gesundheitsfachberufe, zum Beispiel durch zusätzliche Studienanfängerplätzen in den Bereichen Pflege, Therapie und Hebammenwissenschaft.
Wäre eine Kooperation mit Hard denkbar? Die EU-rechtliche Bestimmungen erlauben Kooperationen etwa von deutschen Krankenhäusern mit Universitäten im EU-Ausland. „Das Land selber kommt seinen Verpflichtungen durch die verlässliche Entwicklung seiner bestehenden eigenen Standorte nach“, so der Sprecher.