Zur Rettung von Arbeitsplätzen in der Corona-Krise plädierte unlängst Linken-Parteichefin Katja Kipping für einen flächendeckenden Einstieg in die Vier-Tage-Arbeitswoche. Ein Jahr lang sollten Unternehmen bei verkürzter Arbeitszeit einen staatlichen Zuschuss zum Lohnausgleich bekommen, danach sollte Kipping zufolge die Vier-Tage-Woche oder ein Arbeitszeitmodell mit höchstens 30 Stunden in einem Tarifvertrag beziehungsweise einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Auch die IG Metall spricht sich inzwischen für eine Vier-Tage-Woche aus und sieht in ihr zudem eine Antwort auf den Strukturwandel in bestimmten Branchen, wie zum Beispiel der Autoindustrie. Doch wie realistisch ist ein solches Modell und was halten Betriebe in der Region davon?

RRPS führte Vier-Tage-Woche in der Krise ein, als Standardlösung kommt das Modell aber nicht infrage

Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie hat Rolls-Royce Power Systems (RRPS) nach eigenen Angaben neben einer Reihe anderer Maßnahmen in manchen Baureihen die Vier-Tage-Woche eingeführt. Doch als Standardlösung hält der Großmotorenbauer das keineswegs für ein praktikables Modell. Dazu seien die Anforderungen an die einzelnen Bereiche des Unternehmens sowie deren Auslastung zu unterschiedlich, teilt ein Sprecher mit.

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Somit käme eine Vier-Tage-Woche nur im Rahmen flexibler Arbeitszeitmodelle oder als Kurzarbeit während der derzeitigen Corona-Pandemie als Mittel, um auf Auslastungsschwankungen zu reagieren, infrage.

Mehrkosten stehen laut RRPS in keinem Verhältnis

Das häufig angeführte Argument, wonach mehr Freizeit eine höhere Produktivität der Mitarbeiter zur Folge habe, sieht RRPS kritisch. Auch eine gesteigerte Produktivität könne nach Einschätzung des Sprechers die entstehenden Mehrkosten nicht ausgleichen, da unter dem Strich mehr Mitarbeiter eingestellt werden müssten, um die gleiche Arbeit zu erledigen. Das und eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich würden die Produktion im Hochlohnland Deutschland weiter verteuern und die globale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern.

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Unternehmen enthalten sich eines Kommentars

ZF in Friedrichshafen enthält sich eines Kommentars: Auf Nachfrage bittet ein Sprecher lediglich um Verständnis, „...dass wir bei der Vielzahl an politischen Ideen und Vorschlägen nicht zu jeder eine Unternehmensposition formulieren können“. Damit steht der Konzern nicht alleine da. Auch viele mittelständische Unternehmen, darunter Vaude in Tettnang, IT-Unternehmen in Friedrichshafen und Actico, die Software-Schmiede in Immenstaad, wollten sich zur Vier-Tage-Woche nicht äußern.

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Im Handwerk unrealistisch

Das Handwerk zeigt sich vom Konzept der Vier-Tage-Woche ebenfalls nicht begeistert. „Aktuell halte ich das für völlig unrealistisch“, sagt Kreishandwerksmeister Christof Binzler. „Was für große Industriebetriebe vielleicht noch denkbar scheint, würde aus meiner Sicht das mittelständische Handwerk massiv schädigen.“

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Das Handwerk arbeite direkt für den Kunden und dieser erwarte zu Recht, dass ein Auftrag zügig abgearbeitet werde. Damit würde nach Einschätzung von Binzler eine Vier-Tage-Woche mehr Mitarbeiter nötig machen, was für den Handwerksbetrieb nur über höhere Preise finanzierbar sei. „Es scheint mir absolut illusorisch, dass die Produktivität so gesteigert wird, dass das Arbeitspensum in kürzerer Zeit zu realisieren ist“, sagt der Kreishandwerksmeister.

Und Georg Wochner, Inhaber eines Installateurfachbetriebs in Friedrichshafen, hält die Vier-Tage-Woche selbst dann für nicht praktikabel, wenn für vier Tage Arbeit auch nur vier Tage Lohn bezahlt wird. Dafür sei im Handwerk schlicht und einfach das Einkommen nicht hoch genug, um auf einen Tag zu verzichten.

Knoblauch in Markdorf beobachtet, dass jungen Menschen Freizeit sehr wichtig ist

Auch nicht bei Knoblauch in Markdorf? Renate Bleher, Geschäftsführerin des Spezialisten für Raumausstattung mit eigener Schreinerei, beobachtet in ihrem Betrieb, dass eine Generation heranwächst, die eher bereit ist, auf einen Teil des Gehalts zugunsten von Freizeit zu verzichten, als das bisher der Fall war. So könne jeder, der nur 30 Stunden arbeiten will, das auch gerne tun. Doch bei vollem Lohnausgleich sei eine Vier-Tage- oder 30-Stunden-Woche nicht realisierbar, sagt auch sie.

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Sieben-Stunden-Tage sinnvoller

Dafür hat die Personalchefin eine andere Idee: „Sollte im Sinne des Gemeinwohls Arbeit gerechter verteilt werden, hielte ich es für sinnvoller, nur sieben Stunden täglich zu arbeiten.“ Denn die Kundenorientierung würde darunter leiden, wenn an manchen Tagen ein bestimmter Mitarbeiter nicht erreichbar sei und ein anderer für ihn einspringen müsse, argumentiert sie.

Lieber häusliche Pflege finanzieren

Viel sinnvoller statt staatlicher Unterstützung für die Vier-Tage-Woche wäre aus ihrer Sicht, die häusliche Pflege von Angehörigen zu finanzieren. So könnten Beschäftigte bei Bedarf in Teilzeit bei vollem Lohnausgleich arbeiten.

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