Die einen fordern Tempo runter für Motorboote, um Emissionen zu reduzieren. Die anderen meinen, 15 Stundenkilometer für Sportboote sind bezogen auf den Spritverbrauch totaler Blödsinn. Argumentiert wird von den verschiedenen Seiten mit unterschiedlichen Zahlen und Daten.

Doch was weiß man über den Kraftstoffverbrauch und den CO2-Ausstoß von Booten und Schiffen überhaupt? Und wie kann die Schifffahrt auf dem Bodensee eigentlich klimaneutral werden? Einer, der sich mit diesen Fragen befasst hat, ist Werner Tillmetz vom Lindauer Netzwerk H2Connect.

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Die Internationale–Bodensee–Konferenz (IBK) hatte 2022 ihre 50-Jahr-Feier dem Thema Wasserstoff gewidmet. Werner Tillmetz hielt dazu einen Vortrag und organisierte ein Podium. „Dabei entstand die Idee, dass wir etwas für eine klimaneutrale Bodenseeschifffahrt tun könnten“, erzählt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Das Thema stand bei der IBK ohnehin auf der Agenda und die bayerische Staatskanzlei habe H2Connect mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt. „Die zentrale Frage lautet, wie kommen wir da hin, wie lässt sich das Ziel erreichen.“ Im Frühjahr ging es los, im Dezember sollen die Ergebnisse vorliegen.

Werner Tillmetz arbeite aktuell an einer Machbarkeitsstudie zur klimaneutralen Bodenseeschifffahrt.
Werner Tillmetz arbeite aktuell an einer Machbarkeitsstudie zur klimaneutralen Bodenseeschifffahrt. | Bild: Werner Tillmetz

Positiv bewertet er, dass alle Bodensee-Anrainer bei dem Thema an einem Strang ziehen. Drei Bundesländer, ein Fürstentum und sechs Kantone haben in der sogenannten Gipfelerklärung 2022 vereinbart, auf eine klimaneutrale Verkehrszukunft um und auf dem See zu setzen. Die Transformation solle dabei möglichst schnell gelingen. Lediglich ein Datum hätten die Regierungsvertreter dafür noch nicht festgelegt.

38.000 Boote mit Verbrennermotor

Die größte Herausforderung für Tillmetz und seine Mitstreiter war es, eine Datengrundlage über den Ist-Zustand zusammenzutragen. „Es gibt zu dem Thema bisher kaum etwas“, sagt er. Einige Zahlen lassen sich aus der Schifffahrtsstatistik herauslesen, etwa, dass es rund 38.000 Boote mit Verbrennermotor auf dem Bodensee gibt. Oder den Bestand von 13.000 Motoryachten mit hoher Leistung. „Was diese allerdings an Kraftstoff verbrauchen, wie hoch der CO2-Ausstoß ausfällt, dazu gibt es kaum Angaben.“ Zudem gebe es keine mit den detaillierten Regelwerken für Nutzfahrzeuge und Autos vergleichbaren Vorgaben zu den CO2-Emissionen in der Binnenschifffahrt.

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„Wir mussten erst einmal herausfinden, wie hoch ist der Verbrauch aktuell. Das sei in der Berufsschifffahrt noch vergleichsweise einfach zu erheben, bei Sportbooten allerdings nicht, denn: die werden an den verschiedensten Orten betankt – an der Seetankstelle, mit Kanistern oder auf dem Hänger an einer normalen Tankstelle“, betont der Mitbegründer von H2Connect.

50.000 Tonnen CO2 pro Jahr

Mit Unterstützung der Schifffahrtsämter am See habe man schließlich über Plausibilitätsrechnungen Werte für die verschiedensten Schiffstypen ermittelt. Mit Zahlen gibt sich Werner Tillmetz vor Veröffentlichung der Studie noch zurückhaltend. So viel verrät er allerdings bereits: Die Emissionen der Schifffahrt auf dem Bodensee liegen bei 50.000 Tonnen CO2 pro Jahr.

Zum Vergleich: ein einzelnes Auto kommt auf 1,5, ein Stadtbus auf 60 Tonnen pro Jahr. 90 Prozent der Emissionen der Bodenseeschifffahrt würden dabei auf insgesamt drei Kategorien entfallen: 1. große Sportboote, 2. Fähren und Katamarane, 3. Fahrgastschiffe, die nur saisonal verkehren. Die restlichen zehn Prozent entfallen auf kleine Badeboote, die Verbrenner-Motoren von Segel- oder Fischerbooten – „die machen einen nur sehr kleinen Anteil aus“, sagt Tillmetz.

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Nach der Erhebung habe man sich mit möglichen Maßnahmen befasst. „Wir wollen nicht die Schifffahrt abschaffen“, macht er gleich vorneweg deutlich. Man wolle, dass Boote künftig klimaneutral auf dem Wasser unterwegs sind. E-Antriebe, Wasserstoff, E-Fuels – bei Antrieben und Kraftstoffen für die Schifffahrt der Zukunft werden verschiedene Lösungen diskutiert und erarbeitet. Ein Fazit verrät Tillmetz bereits vor Veröffentlichung der Studienergebnisse: Die eine schnelle Lösung gibt es nicht. „Wir können hier nicht das Prinzip E-Auto einfach aufs Wasser übertragen“, betont er. E-Antriebe seien zumindest aktuell nicht für alle Schiffstypen eine Option, man müsse daher die verschiedensten Technologien, die derzeit weltweit erprobt werden, einbeziehen.

Keine Umstellung in kürzester Zeit möglich

„Wir können also sicher nicht in zwei bis drei Jahren die komplette Schifffahrt umstellen, sondern müssen zunächst Strategien entwickeln, die für Fähren sicher anders als für Sportboote aussehen.“ Zudem gelte es, die verschiedensten Interessen unter einen Hut bringen. Die Palette an Beteiligten und Institutionen ist groß, sagt Werner Tillmetz und zählt nur einige exemplarisch auf, die Berufsschifffahrt, Häfen, Bootsverleiher und -handel, Werften, Wassersportler, Fischer, Seenforscher oder Anwohner. Sie alle haben sehr unterschiedliche Interessen. Dennoch würden alle konstruktiv am Plan einer klimaneutralen Schifffahrt mitarbeiten.

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Zum Vorstoß von Heureka Lago, als Sofortmaßnahme die Geschwindigkeit auf dem See zu reduzieren, meint er: „Wir sprechen mit allen Akteuren. Die Daten, die der Verein hier herangezogen hat, entsprechen nicht dem aktuellen Stand unserer Studie. Schärfere Geschwindigkeitsbegrenzungen sind grundsätzlich eine Möglichkeit. Ich glaube aber, es gibt bessere Optionen.“

Eine Schlüsselbotschaft der Studie sei: Es braucht eine langfristige Strategie, mit deren Umsetzung wir jetzt beginnen müssen, Planbarkeit und klare Zielvorgaben für alle Akteure und die Festlegung auf einen konkreten Zeitpunkt, ab dem man den Bodensee spätestens klimaneutral befahren will. „Mit unserer Studie wollen wir dazu die nötigen Fakten liefern, entscheiden muss dann die Politik.“