Eigentlich mag Markus Betz gar keine Motorboote. Sie hätten ihn jahrelang genervt. Wegen des Krachs. Und wegen der Bugwelle, die ihm als Segler in die Quere kommt. Der Zufall wollte es, dass er dann doch auf einer schicken Yacht eine Ausfahrt unternahm – und zu dem Ergebnis kam, dass Motorboote trotz der etwas anderen Philosophie ihre Berechtigung haben: „Darauf liegen, essen, schwimmen gehen“, eine schöne Sache. Wenn da der Krach nicht wäre. Betz ahmt ein röhrendes Geräusch eines Bootsmotores nach.
Ein Boot mit Elektromotor wäre leise. Allerdings weiß Betz auch, dass deren Eigner in den Häfen schief angeschaut werden, weil sie kostenlos Strom für ihre Batterien abzapfen, während für die Verbrennermotoren Sprit bezahlt werden muss. Warum also nicht ein Solarboot, das gar nie an die Steckdose muss und im Idealfall sogar Strom ins Netz einspeist?
Im Teamwork mit Maschinenbau-Ingenieur
Betz arbeitet als Sport- und Techniklehrer an der Gemeinschaftsschule Wiestor in Überlingen. Seine Suche nach einem Solarboot endete schon bald an den finanziellen Möglichkeiten, und so kam die Idee auf, selbst eines zu bauen. Sein Freund Eric Hueber, Maschinenbau-Ingenieur, Inhaber eines Konstruktionsbüros und bekannt als Erster Platzmeister der Überlinger Schwerttanzkompanie, hilft ihm dabei.

Jetzt sitzen die Freunde gemeinsam auf einem Solarboot, von denen es nach ihrer Beobachtung auf dem Bodensee bislang sehr wenige gebe. Im Osthafen von Überlingen sei es ein Unikat. Der erste Sommer geht zu Ende, und ihre Bilanz fällig sonnig aus. Nur einmal, nach der ersten Wasserung, als Betz selbst noch nicht so richtig an die Funktionstüchtigkeit glauben wollte, hängten sie es an eine Steckdose. Seitdem fährt es ihren Angaben zufolge ganz autark – angetrieben nur von der Sonne.
Sonnendeck statt Verbrennungsmotor
Das Boot sitzt auf dem Rumpf eines Motorbootes eines polnischen Herstellers. Dort, wo sonst der schwere Verbrenner hängt, bauten sie ein Sonnendeck: eine große Liegefläche, auf dem die Passagiere ihr Handtuch ausbreiten können. Diese Fläche stellt zugleich einen Kofferdeckel dar, der, wenn man ihn anhebt, den Blick auf einen 10-kW-Motor, vier Batterien und ein Camping-Klo freigibt.
„Das ist wie Segeln ohne Segel“, sagt Betz bei einer Testfahrt auf dem Bodensee. Vom Motor hört man tatsächlich wenig, auch wenn er „Vollgas“ gibt. Wobei dieser Begriff hier natürlich falsch gewählt ist. Umweltschädliches Gas entweicht dem Motor nämlich nicht. Sprechen wir also von Höchstgeschwindigkeit. Sie liegt bei Vollauslastung des Motors bei einer Rumpfgeschwindigkeit von 10,5 Stundenkilometern, für die die Batterien eine Stunde lang ausreichend Saft liefern würden.
Einmal bis Sipplingen und wieder zurück
Die Erklärung des Begriffs Rumpfgeschwindigkeit würde an dieser Stelle zu weit führen. Techniklehrer Markus Betz erklärt deshalb, wie man das Tempo des Bootes besser verstehen kann: Bei vollen Akkus und einer normalen Geschwindigkeit von sechs Stundenkilometern kommen sie an einem Nachmittag 17 Kilometer weit. Hueber macht es greifbar: Das ist von Überlingen in den Hafen Sipplingen und wieder zurück. Bis zum nächsten Mittag gegen 12 Uhr, berichtet Betz, seien die Batterien wieder voll, und er könne seine Reise fortsetzen.
Spazierfahrt bis zum Sonnenuntergang
Theoretisch fährt das Boot auch ohne Batterien. Bei ungetrübtem Sonnenschein, so ihre Berechnungen, können sie mit dem aktuell produzierten Strom gemütlich, aber ununterbrochen, über den See tuckern. Bis zum Sonnenuntergang. Während unserer Probefahrt an einem wolkenlosen Tag um 16 Uhr produzierten die Solarmodule, die zugleich als Dach dienen und der Besatzung Schatten spenden, 530 Watt. Das reicht für eine Reisegeschwindigkeit von vier Stundenkilometern. Eric Hueber sagt zu dieser Art Lebensgefühl auf dem Bodensee, das sei „wie ein gemütlicher Spaziergang“.
Die Eigenarbeit der beiden besteht im idealen Zusammenfügen teils am Markt vorhandener Komponenten. Das Dach und das neue Heck konstruierten sie selbst. Der Platz für die Batterien und für einen Kühlschrank musste gefunden, konstruiert und gebaut werden. Bislang fährt es mit der Kraft eines normalen Balkonkraftwerks (600 Watt), neu kommen jetzt noch Solarmodule hinzu, die an den Seitenwänden des Bootes befestigt werden, wodurch nach ihren Berechnungen doppelt so viel Strom produziert wird wie bisher.
Und was kostet das Solarboot?
Unterm Strich stecken in dem Boot samt Motor, den Batterien, dem Trailer, den Solarflächen, dem Rumpf, der Ausstattung, die einer Yacht gleicht, fast 90.000 Euro. Sein ursprüngliches Traumboot, das es am Markt schon gibt, er sich aber nicht leisten könnte, läge bei 250.000 Euro, verrät Betz. Sein Traum sei in Erfüllung gegangen, aber erheblich günstiger. Wenn er jetzt noch Boots-Sharing betreibt, sinke der Preis weiter erheblich. Denn eines hat er in diesem Sommer schon gemerkt, dass er sowieso nicht täglich rausfahren kann, sondern vielleicht zwei Mal pro Woche. Aber dass an fast sieben Tagen die Woche die Sonne scheint.
Mit Beginn des neuen Schuljahrs startet Betz an seiner Schule eine Solar-AG. Die Schülerinnen und Schüler bauen dann unter seiner Anleitung Solarmodule und kleine Fahrzeuge. Mit seinem Boot plant er für nächstes Jahr eine etwas längere Tour als nur nach Sipplingen. Es soll nach Bregenz gehen. „In drei Tagen bin ich da.“