Immer mehr Verbraucher wissen kaum etwas über die Herkunft und Verarbeitung von Lebensmitteln, zunehmend geht der Kontakt zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung verloren. Klingt nach Klischee, ist aber eine Situation, die von Landwirten bestätigt wird.
"Es besteht Entfremdung zur Landwirtschaft. Ziel ist es, dass Kinder mit Herz, Kopf und Hand die Landwirtschaft erleben", erklärte "Lernort Bauernhof"-Koordinatorin Janina Böhlemann anlässlich einer Exkursion auf dem Biolandhof Steidle in Obersiggingen.

Die Einrichtung/das Projekt "Lernort Bauernhof" will dieser Entfremdung entgegenwirken und beispielsweise Kindergartenkindern und Schülern Möglichkeiten bieten, sich in Landwirtschafts- und Gartenbaubetrieben aus erster Hand über Herkunft, Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln zu informieren und dies während Hofbesuchen hautnah zu erleben. Außerdem werden Fortbildungen für Lehrer und Erzieher angeboten.
Während der "Lernort Bauernhof"-Exkursion auf dem Betriebsgelände von Norbert und Melanie Steidle sind Landwirten pädagogische Tipps und Anregungen gegeben worden, wie sie Wissen über die Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung altersgerecht für Kindergarten- oder Klassenbesuche aufbereiten können. Im Mittelpunkt stand das Thema Fleischerzeugung.

Der Biolandhof Steidle ist qualifizierter "Lernort Bauernhof"-Betrieb. Aus Norbert Steidles Ausführungen wurde schnell deutlich, dass es mehr als genug Arbeit im Betrieb und in der zugehörigen Gastronomie gibt.
Warum dann auch noch das Engagement für "Lernort Bauernhof"? "Das ist Öffentlichkeitsarbeit, wir wollen dem Gedanken der gläsernen Produktion Rechnung tragen. Und außerdem soll bei Kindern und Jugendlichen das Verständnis für Landwirtschaft geweckt und gefördert werden."
Steidle nannte zur Verdeutlichung ein Paradebeispiel. "50 bis 70 Prozent der Kindergartenkinder und Erstklässler malen lila Kühe", berichtete er von seinen regelmäßigen Erlebnissen während Hofbesuchen.
Dass das Thema Fleischerzeugung einen heiklen Aspekt hat, darin waren sich die Landwirte sowie Bauernhofpädagogin Kerstin Bullack einig. Denn wenn Verbraucher Fleisch essen wollen, müssen Tiere sterben.
Die Bauernhofpädagogin erklärte: "Fleisch ist ein sehr emotionales Thema. Kinder und Jugendliche müssen bei ihrer Meinungsbildung unterstützt und mit guten Informationen versorgt werden."

Wichtig sei auch, das Bewusstsein zu schaffen, dass Fleisch und Wurst einmal lebendige Tiere waren. "Das wird in der Gesellschaft oft ausgeblendet", sagte Bullock. Auch müsse der Unterschied zwischen Nutztieren zur Lebensmittelerzeugung und Haustieren aufgezeigt werden.
Es gelte, die Kinder und Jugendlichen altersgerecht sowie mit Tatsachen und Fakten zu informieren, damit sich jeder eine eigene Meinung bilden und entscheiden könne, ob er oder sie gar nicht oder ab und zu Fleisch essen will.

Norbert Steidle ermunterte die Exkursionsteilnehmer, sich zu engagieren: "Wir haben in der Landwirtschaft ein El Dorado der Möglichkeiten, das ist jedenfalls meine Meinung."
Lernort Bauernhof
Für Lernort Bauernhof in Baden-Württemberg ist der "Verein zur Förderung der Schwäbischen Bauernschule Bad Waldsee" Projektträger. Die Aufgabe als Projektkoordination wird von Janina Böhlemann wahrgenommen. Laut Böhlemann gibt es derzeit rund 540 qualifizierte "Lernort Bauernhof"-Betriebe, die geschult wurden. Förderungen sind über das Land Baden-Württemberg möglich, es gibt Aufwandsentschädigungen.
Laut Böhlemann erhalten jährlich mehr als 30 000 Schüler durch die Lernort-Angebote Wissen über die Herkunft und Erzeugung von Lebensmitteln. Auch Lehrerfortbildungen zählen zum Programm. Im Bodenseekreis ist Irmgard Hofmann Ansprechpartnerin des Landwirtschaftsamtes, E-Mail: irmgard.hofmann@bodenseekreis.de; Geschäftsführerin des Lernort Bauernhof Bodensee ist Hildegard Schwarz, E-Mail: lernort.bauernhof@LRAKN.de
Informationen im Internet:
http://www.lernort-bauernhof-bodensee.de