Eine Gläserne Schreinerei sowie ein Ersatzwohngebäude plus Förderbereich hat die Camphill-Dorfgemeinschaft Hermannsberg am Freitag eröffnet. Die Gäste bestaunten die von den assistenzbedürftigen Mitarbeitern hergestellte Produktpalette in Frickingen sowie die neuen Wohn- und Förderstätten im Lichthof in Heiligenholz. Eine Atmosphäre aus Stolz und Freude umfing die Besucher.

Wer den Schreinereibetrieb betritt, spürt es sofort: Die 16 hier tätigen Menschen mit Assistenzbedarf sind stolz auf das, was sie tun. Je nach Fähigkeiten sind sie eingebunden in den hier stattfindenden Produktionsprozess vom Frühstücksbrett über die Kugelbahn bis hin zum Kleiderschrank. Helene Binder zum Beispiel ist seit elf Jahren Teil des Lebens- und Betreuungskonzepts der Camphill-Dorfgemeinschaft. Bisher hat sie auf dem Hermannsberg am Ortsrand von Heiligenberg gearbeitet.
Gerne zeigt sie den interessierten Gästen ihre Arbeitsfelder innerhalb der Möbel- und Serienproduktion. Morgens macht die 35-Jährige zunächst Schleifarbeit. Da muss sie sich konzentrieren. Deshalb freut sie sich, wenn sie den Rest des Tages die für sie angenehmeren Hobelarbeiten im Stehen und mit mehr Bewegung ausführen kann.
Jetzt im Zentrum Frickingens
Dass die neue Schreinerei jetzt im Zentrum Frickingens liegt, hat für sie weitere positive Nebeneffekte. Zum einen kommen sie und ihre Kollegen in Kontakt mit vielen Frickingern. Zum anderen genießt Helene Binder hier mehr Selbstständigkeit.

Freudig erzählt sie vom selbstständigen Einkaufen beim gegenüberliegenden Supermarkt in der Mittagspause. Ihr Vater Ernst Binder ist voll des Lobes über die neuen Gebäude in Frickingen wie in Heiligenberg-Hattenweiler. Es handle sich nicht um Beschäftigungstherapie, sondern um ein sinnvolles Tun. Seine Tochter und ihre Kollegen erlebten ein sinnhaftes Gefüge vom gewachsenen Baum bis zum Möbelstück.

Das Ganzheitliche vom Baumstamm bis zum fertigen Holz war es, was auch Werkstattleiter Christian Müller beim Festakt auf dem Lichthof betonte. Die Arbeit in den Werkstätten werde so für die Menschen mit Behinderung überschaubar. „Jeder dort Tätige findet so einen Sinn in seinem Dasein und kann sich weiterentwickeln“, sagte er. Mit seinen Vorstandskollegen Karin Kwiek und Peter Apfelstädt führte er in die Konzeption der Lebens -und Arbeitsgemeinschaft mit anthroposophischer Ausrichtung ein.

„Es gibt kein Nichtstun – jeder Mensch ist tätig“, unterstrich Müller zur Einführung in die sogenannte Zeit-Raum-Werkstatt. Sie soll Bewohnern mit hohem Hilfebedarf sinnvolle Betätigung ermöglichen.
Das dritte Gebäude ist ein Wohngebäude als Ersatzbau für wegfallende Heimplätze am Hermannsberg. Acht Menschen mit hohem Pflegebedarf ziehen hier ein, kochen und essen gemeinsam und werden in das inklusive Freizeitangebot eingebunden. Bevor die zukünftigen Heimbewohner selbst die rote Schleife vor dem Neubau durchtrennten, erklang ein Lied. „Wir ziehen um in das neue Haus und freuen uns “, sang die Hausgemeinschaft Klausenösch. Dann nahmen sie die neuen Lebensräume in Besitz.
Leben und Arbeiten
Menschen mit und ohne Behinderung leben und arbeiten in der Camphill-Dorfgemeinschaft Hermannsberg in Heiligenberg und Frickingen nach anthroposophischer Weltanschauung zusammen. Auf dem Lichthof betreiben sie eine Demeter-Landwirtschaft mit 26 Kühen. Sie verarbeiten Teekräuter und Getreide. Am Hermannsberg werden eine Weberei, eine Kerzen- und eine Papierwerkstatt betrieben. In der neu eröffneten Gläsernen Schreinerei finden 16 assistenzbedürftige Personen eine sinnvolle Aufgabe in der Möbel- und Serienfertigung.