„Schwerkriminalität“, „Fluchtgefahr“ und „Verdunklungsgefahr“: Das sind drei Gründe, die es nach Feststellung des Bundesgerichtshofs rechtfertigen, Johanna Findeisen nicht aus der Untersuchungshaft zu entlassen, obwohl sie dort seit mehr als sechs Monaten sitzt, und obwohl ein Beginn der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) noch nicht absehbar ist. Dem in dieser Woche veröffentlichten BGH-Urteil zur Haftprüfung lassen sich Details über die Ermittlungen gegen Findeisen entnehmen. Unter anderem, dass sie sich bei Androhung der Todesstrafe zur Verschwiegenheit verpflichtete.
Ihr droht „eine erhebliche Freiheitsstrafe“
Findeisen hätte längst die Möglichkeit zur Flucht gehabt. Denn nach der Razzia in ihrem Wohnhaus im Dezember 2022 vergingen sechs Monate bis zu ihrer Verhaftung. Mittlerweile, so der Bundesgerichtshof, müsse sie mit einer „erheblichen Freiheitsstrafe“ rechnen, die eine Fluchtgefahr wahrscheinlich mache. Sie verfüge vermutlich über ein großes Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten, bei denen sie im Fall einer Flucht untertauchen könne, so die Bedenken des Bundesgerichtshofs, der über die Fortdauer der U-Haft zu entscheiden hatte.
In radikaler Szene eingebunden
Die Ermittlungen hätten gezeigt, so der BGH, dass Findeisen in der Szene „eng eingebunden und vernetzt ist“. Namentlich zählt der BGH zu dieser Szene: „Reichsbürger, Querdenker, Verschwörungstheoretiker oder Anhänger nationalsozialistischen Gedankenguts, die die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik ablehnen und ihre Überwindung erstreben.“
Erstaunliche Radikalisierung
Findeisen ist eine Frau Mitte 50, die erst über ihre impfkritische Haltung in der Corona-Pandemie politisiert wurde, ansonsten aber wurde sie als menschenfreundliche, offene und weltgewandte Person wahrgenommen, die sich um die Integration von Flüchtlingen kümmerte. Wenn die Ermittler die dreifache Mutter und Coach, die ihren Beruf als „Dozentin für Teamentwicklung“ angab, nun in der beschriebenen Szene verortet sehen, kommt darin auch zum Ausdruck, wie offenbar Einzelpersonen aus eigentlich ganz unterschiedlichen Motiven und politischen Flügeln heraus sich in ihrer Radikalisierung verbinden.
Ministerin im Schattenkabinett
Laut den Ermittlungen trat Findeisen, die bei den Bundestagswahlen im September 2021 für die Partei „Die Basis“ kandidierte, spätestens im November 2021 der Terrorgruppe bei. Bei einem Treffen zu diesem Zeitpunkt sei Johanna Findeisen über den Aufbau von „Heimatschutzkompanien“, über die Beschaffung von Waffen und deren Finanzierung informiert worden. Vor dem „Rat“, dem obersten Führungsgremium der Umstürzler, habe sie einen Vortrag gehalten und sich für das Ressort „Soziales, Familien und Integration“ der Möchtegern-Regierung interessiert. Verteidigungsminister sollte Rüdiger von Pescatore werden. Ihr Anführer, Heinrich XIII Prinz Reuß sah sich offenbar in der Rolle des Kanzlers.
150.000 Euro für den Waffenkauf
Findeisen räumte in ihren Vernehmungen ein, dass sie ein Treffen organisierte, bei dem Rüdiger von Pescatore 150.000 Euro zur Beschaffung von Waffen und anderen Gütern übergeben wurden. Das Geld stammt laut den Ermittlern offenbar von einem Familienmitglied Findeisens. Die in Frickingen wohnende Familie wies den Vorwurf laut eines Internet-Blogs, in dem Findeisen als Opfer eines Justiz-Irrtums betrachtet wird, zurück. Dem BGH-Urteil zum Haftprüfungsantrag lässt sich nun aber entnehmen, dass das Geld offenbar doch von einem Verwandten Findeisens stamme, der nicht in Frickingen lebt, und gegen den gesondert ermittelt werde.
Militärhilfe aus Russland erhofft
Wenn die vom BGH zusammengetragenen Ermittlungsergebnisse zutreffen, hielt sie Kontakt zum russischen Generalkonsulat, was ihr Umfeld als Geste zur Völkerverständigung im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz von Überlingen umzudeuten versuchte. Prinz Reuß wiederum, das zeigen ARD-Recherchen, soll an den russischen Präsidenten Putin einen Brief geschrieben haben, in dem er den „sehr geehrten Präsidenten“ um „militärische Hilfe ersucht“.
Irreführung mit Wörtern aus dem Kinderzimmer
Den Unterlagen der Ermittler lässt sich entnehmen, dass Findeisen ein Teilgeständnis abgelegt habe. Demnach bestätigte sie ihre Unterschrift unter der Verschwiegenheitserklärung und die Organisation des Treffens mit ihrem Verwandten und Militär-Chef Pescatore. Bei der Hausdurchsuchung in Frickingen fanden die Ermittler handschriftliche Notizen Findeisens, in denen sie Codewörter verwendete. „Buntstift“ bedeutete demnach Waffe, mit „Malkasten“ waren Militärgeräte gemeint, „Strohhalm“ bedeutete Munition. Und „Abholzen“ stand für die Beseitigung von Personen. Sie habe eingeräumt, dass die Notizzettel von ihr aus einem Gespräch mit einem hochrangigen Vertreter der Organisation stammen.
Laut BGH wird ihr Teilgeständnis durch Einträge in ihr Fahrtenbuch, durch Oberservationsmaßnahmen und Zeugenaussagen bestätigt. Auf ihrem Laptop hätten sich Dokumente zu den Themen „Aufgaben der Heimatschutz-Kompanie“ gefunden, und ein persönlicher Fragebogen für „Bewerber Armee/HSK/Polizei“. Also für Leute, die mit Waffengewalt nach dem Umsturz die Stellung halten sollten.