Sich in einem guten Restaurant zu Fremden an den Tisch zu setzen – vielen Menschen hierzulande kommt der Gedanke gar nicht. Im Restaurant „Löwen“ in Frickingen-Altheim kann das Platznehmen an einem Gemeinschaftstisch aktuell ausprobiert werden. Geschäftsführer Roman Pfaff deckt noch bis zum 22. Februar dreimal wöchentlich eine lange Speisetafel im Nebenzimmer.
An der Löwentafel finden 15 Gäste einen Sitzplatz. Bei einem fixen vegetarischen Dreigangmenü können sie gemeinsam essen und miteinander kommunizieren, so Pfaffs Vorstellung. Das Angebot ist ihm zufolge zwanglos angelegt und offen für Singles, Paare oder Gruppen. “Wer nicht mag, muss nicht ins Gespräch kommen“, betont der ausgebildete Koch.
Die Erfahrung der ersten beiden Wochen zeige, dass die Tafelgäste tendenziell noch mehr für sich bleiben. „Vielleicht ist das Angebot noch zu neu und ungewohnt“, überlegt der 38-Jährige laut. Wer sich darauf einlasse, der könne Neues erleben und interessanten Menschen begegnen. Pfaff erzählt als Beispiel von einem befreundeten Markdorfer Koch, der zusammen mit einem Freund an der großen Tafel saß und mit einem nebensitzenden, älteren Ehepaar ins Gespräch kam. „Sie waren guter Stimmung vertieft und haben sich sogar geduzt“, zeigt sich der Löwenwirt positiv überrascht. Auch für Einzelpersonen könne das aktuelle Angebot interessant sein. „Mittagessen für mich allein in einem Restaurant fand ich nie schwierig, aber abends aufwendiger zu essen schon“, sagt der junge Mann.
Kennengelernt und für gut befunden hat Roman Pfaff diese Art Gemeinschaftstafel erstmalig in Amsterdam. Nach Ablauf der ersten Projektphase Ende Februar will der Restaurantbetreiber resümieren, ob er das Konzept erneut anbietet. Wahrscheinlich müsse er den Leuten noch mehrmals Gelegenheit zum Ausprobieren geben, vermutet er. Möglich sei das bei so einem kleinen Betrieb nur außerhalb der Saison. Dann sei es aber eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Das fleischlose Überraschungsmenü werde für knapp unter 50 Euro angeboten, inklusive Apéro, einem Glas Wein, Wasser und Espresso, zählt Pfaff die Vorteile für den Restaurantkunden auf. Kleine Vorspeiseteller zum Teilen füllt er beispielsweise mit Rote-Bete-Brot und Kräuter-Hüttenkäse, orientalischem Krautsalat plus Granatapfel und Walnuss-Ziegenfrischkäse-Cake.
Fix-Menü gestaltet sich wirtschaftlicher
Weil sich die Gäste vorher anmelden und er ihnen ein Fix-Menü serviert, gestalte sich die Kalkulation für ihn wirtschaftlicher. „Vegetarische Küche ist günstiger“, erklärt er. Und das, obwohl er großen Wert legt auf gute Produktqualität in Form von saisonal frischen und regionalen Zutaten. Unterm Strich rechne sich das Tafelangebot für den Gast wie den Gastgeber.
Seit Roman Pfaff vor sieben Jahren das Altheimer Gasthaus von seiner Mutter Isolde übernommen habe, sei er wie seine Kollegen mit vielen Problemen und Krisen konfrontiert worden. Als Beispiele nennt er die Coronapandemie, zwischenzeitlich gestiegene Energie- und Personalkosten und jüngst die wieder angestiegene Mehrwertsteuer. Die 12 Prozent mehr seien schwer zu kommunizieren und könnten nicht eins zu eins an die Kunden weitergegeben werden. „Die klassische Speisegastronomie-Branche befindet sich wirklich in einem Umbruch“, ist der Gastwirt sicher. Neue Ideen müssten her.
Pfaff verweist auf seine Kollegen im Überlinger ‚Bürgerbräu‘, die das frühere Speisenrestaurant in eine Eventgastronomie umwandelten. Die Marge im Gastrobereich sei nie immens hoch gewesen. Jetzt müssten die Gastwirte von Monat zu Monat schauen. Trotz allem ist Pfaff optimistisch. Während der Corona-Pandemie habe er bei geschlossenem Restaurant seine Speisen in Weckgläsern zur Abholung verkauft und gemerkt, dass es möglich ist, etwas zu verändern. Das habe ihn sicher gemacht. „Deshalb bin ich jetzt auch zuversichtlich“, sagt er und verweist auf eine oft wechselnde Karte, Gerichte zu verschiedenen Preisen und immer neue Angebote.