Frickingen eilt ein Ruf voraus. Es ist der Ruf der Vorzeigekommune bei der Energiewende. Rund 45 Prozent des Frickinger Gesamtstroms wird aus Sonnenenergie produziert. Außerdem hat die Gemeinde bereits seit 1998 ein Nahwärmenetz und seitdem mehrere Nachhaltigkeitspreise gewonnen. Hier ziehen Gemeindeverwaltung, Räte und Bürger offenbar an einem Strang. Dieser Ruf hat sich wohl auch bis ins Stuttgarter Staatsministerium herumgesprochen. Daher scheint Frickingen ein passender Ort für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) zu sein, um sich auf seiner Sommertour Bürgerprojekte zur Energiewende anzuschauen.
Goldenes Buch und Genossenschaftshaus
Da es Kretschmanns erster Besuch in Frickingen ist, beginnt der Rundgang mit einem Eintrag ins Goldene Buch. Anschließend führt Frickingens stellvertretender Bürgermeister, Michael Baader, den Ministerpräsidenten zum genossenschaftlichen Seniorenzentrum.

Charles Nestelhut, Vorstand der Genossenschaft, erklärt ihm die Holzbauweise des Hauses, das aus Hölzern des Gemeindewalds besteht. Zudem habe das Gebäude eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, die die Bewohner und die Gemeinde mit Strom versorge, sagt er.
Solar-Unternehmer mit Wünschen und Forderungen
Vom Seniorenzentrum aus geht es zum Rathaus. Vor einem Balkonkraftwerk spricht Gemeinderat und Solar-Unternehmer Gottfried Grundler. Es geht um den Frickinger „Holzweg“: Damit ist der Ansatz gemeint, in der Kommune verstärkt mit Holz zu bauen und im Nahwärmenetz Hackschnitzel zu verarbeiten. Danach präsentiert Grundler ein Förderprogramm, wo die Gemeinde Frickingen den Bau von Balkonkraftwerken bezuschusst.
In diesem Atemzug wünscht er sich für den Ausbau der Anlagen weniger bürokratischer Hürden und mehr Zuschüsse. Außerdem fordert er mehr Unterstützung für das Ehrenamt und dass die Stelle der Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik langfristig von der Bundesregierung subventioniert werde.
Kretschmann mit energischem Vortrag
Kretschmann lobt das Förderprogramm für Balkonkraftwerke. Zum Bürokratieabbau antwortete er ausführlich und leidenschaftlich. Das Thema sei ein „sehr dickes Brett“, Kritik dazu höre er bei fast allen Bürgergesprächen. Dabei gebe es ein Dilemma: Einerseits wünschten sich viele Bürger schnellere Genehmigungen der Anlagen, andererseits gebe es berechtigte Vorschriften und ein Sicherheitsbedürfnis der Bürger.

Wenn nun alles vereinfacht würde, könnten auch Fehler passieren, für die es den richtigen Umgang geben müsse. „Beim Bürokratieabbau muss es auch eine Fehlerkultur geben.“ Es sei aber auch verständlich, dass sich jede Ebene in der Verwaltung absichern wollte und Sorge habe, im Falle eines Fehlers „zerrissen“ zu werden. Was das genau mit dem Frickinger Förderprogramm zu tun hat, bleibt offen. Von den Anwesenden bekommt er dennoch Applaus für seinen Vortrag.
Bäckerei-Unternehmer diskutiert über Industriestrompreis
Als letzter Teil des Rundgangs besucht der Ministerpräsident die Landbäckerei Baader. Der Grund ist die große Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Gebäudes. „Damit produzieren wir rund 20 Prozent des Stroms für unseren Betrieb“, sagt der Geschäftsführer Josef Baader. Mit Kretschmann und dem Grünen-Landtagsabgeordneten Martin Hahn diskutiert Baader auf der Terrasse der Bäckerei über das Thema Industriestrompreis.

Baader nennt das ein „heikles Thema“ und spricht von „Wettbewerbsverzerrung“. Bäckereibetriebe könnten womöglich benachteiligt werden, befürchtet er. Baader forderte daher eine Lösung, die zu weniger Ungleichheit unter den Branchen führe.
Was bleibt von diesem Besuch?
Kretschmann sucht beim Abschluss-Statement lobende Worte für die Gemeinde. „Ich bin beeindruckt, was hier alles auf die Beine gestellt worden ist“, sagt er. „Die gemeinsame Vision eines Ziels wie der Energiewende schweißt zusammen, das sieht man auch hier.“ In kleineren Gemeinden sei es einfacher, Veränderungen anzustoßen. Er kommt auch wieder auf das Thema seines Vortrag zuvor zurück. Denn im kleinen Kontext dürfen auch Fehler gemacht werden.
Und was er mitnehme aus den Gesprächen mit den Bürgern? Bei Besuchen dieser Art wolle er die Belange der Bürger verstehen. Er nehme alle Belange ernst. „Aber alles kann ich dann auch nicht umsetzen.“ Nach diesem Schlusswort setzt er sich in ein Auto des Linzgau-Shuttles. Dieses fährt ihn zurück zu seinem Dienstwagen. Weiter geht es zum nächsten Termin nach Markdorf.