Vor einem Jahr gab‘s eine Salatgurke bei Hiller in Frickingen für einen Aktionspreis von 49 Cent. Mittlerweile kostet die günstigste Gurke das Doppelte. Die Gurke ist nur ein Beispiel für ein Frischeprodukt, das, bei einer Produktion im Winter einen relativ hohen Kostenanteil für Energie enthält. An so etwas lassen sich Preissteigerungen, wie sie derzeit von den Kunden wahrgenommen werden, am schnellsten ablesen, sagt der Chef des Supermarkts.
Abgesehen von der krummen Gurke? Welche Beobachtungen macht einer wie Christoph Hiller, der einen 1500 Quadratmeter großen Supermarkt auf dem Land leitet, in Zeiten der Pandemie und des Ukraine-Kriegs?
Einzelne Segmente zehn Prozent teurer
Das allgemeine Murren über die Inflation im Einzelhandel nimmt Hiller wahr. Wie hoch der Preissprung über das ganze Sortiment hinweg ist, könne er nicht sagen. Einzelne Segmente seien innerhalb eines Jahres um etwa zehn Prozent teurer geworden. Vor allem Produkte, die einen hohen Energieanteil bei der Herstellung haben.
Kurze Reaktionszeit im Gemüseregal
Bei Produkten mit hoher Rotation, also schnell verderblicher Ware, seien Preissprünge schnell erkennbar. Shiitake-Pilze beispielsweise: Wenn die Kunden den Preissprung auf 24,90 Euro nicht mitmachen und stattdessen zu Champignons für 4,90 Euro greifen, könne er umgehend den Hebel umlegen und Shiitake-Pilze schon am nächsten Tag nicht mehr ordern.

Zeitverzögert rechnet Hiller mit Preissteigerungen bei Produkten, die einen hohen Chemieanteil mitbringen, Hygiene- und Pflegeprodukte etwa. „Sie hängen letztlich auch vom Energiepreis ab.“ Auch hier hätten die Hersteller mit Kostensteigerungen von 10 bis 15 Prozent zu kämpfen.
Was sich im Kundenverhalten alles ablesen lässt
Was sind die Inflationsgründe?
Die Gründe für die Inflation seien, neben den Energiekosten und der Pandemie, sehr vielfältig, sagt der Kaufmann aus Frickingen. Zum einen nennt er die Sorge vor einer Inflation, die eine Flucht in Sachwerte begründet. Ein Preistreiber in der Landwirtschaft sei es aber auch, wenn Erntehelfer fehlen.
Und dann, so Hiller, „gibt es noch die Lieferanten, die auf der Welle mitschwimmen“. Sie nutzen die aktuelle Lage und Verunsicherung aus, und ziehen grundlos ihren Preis nach oben, so seine Kritik.
Die Preise gibt Edeka vor
Der Hiller-Markt gehört zur Edeka-Gruppe. Eine Preisbindung gibt es in Deutschland nicht. Edeka erteile aber Empfehlungen, die auf Marktbeobachtungen fußen. Über Nacht schickt ihm der Konzern Preisschildchen, fix und fertig, er muss sie nur ausdrucken und ans Regal pinnen.
Da es sich nur um Empfehlungen handelt, könnte Hiller theoretisch eine ganz eigene Preisgestaltung vornehmen. Das wäre aber für seine rund 30.000 verschiedenen Artikel mit einem hohen Aufwand verbunden. Er müsste dann täglich für tausende Produkte den Markt beobachten, kalkulieren, entsprechende Preise auszeichnen.
Die Marktbeobachtung ist ein diffiziles Geschäft. Dafür gibt es eigens Agenturen, die die Preise im Auftrag sowohl des Lebensmitteleinzelhandels als auch der Discounter vergleichen. Hiller: „Wenn es beim Discounter die Butter für 1,39 Euro gibt, dann gehen wir mit.“
Sein Markt zähle etwa 30.000 verschiedene Produkte, berichtet Hiller. Etwas mehr als die Hälfte seiner Auslage beziehe er via Edeka, den Rest über Bioverbände, den Überlinger Biogroßhandel Bodan, oder indem er sich direkt beim Hersteller eindeckt, im Bäckereibereich beispielsweise. Ein durchschnittlicher Markt seiner Größe, so Hillers Beobachtung, biete weniger Artikel, etwa 15.000 bis 18.000, ein Discounter nur 2000 bis 3500 verschiedene Produkte.

Händler lenkt den Blick „auf das große Ganze“
Mit Blick auf die Preisverhandlungen mit den Herstellern betont Hiller, dass er es „ertragen“ müsse, wie die Kunden auf Preissteigerungen reagieren. „Letztlich machen wir den Preis so, wie wir ihn für richtig halten.“ Bei den Tomaten beispielsweise müsse er sich die Frage stellen: „Sehen sie so aus, dass sie es wert sind?“ Denn wenn er den Preis zu hoch ansetzt, dann bleibe er darauf sitzen. „Das ist mein Risiko“, sagt der Chef über 45 Mitarbeiter.
Zugleich sieht er sich mit in der Verantwortung „für das große Ganze“. Sprich: Umweltschutz und Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft. „Wenn unser Wohlstand auf dem Wohl der Bauern aufsitzt, dann wird es irgendwann schief laufen.“
Die Deutschen hätten verlernt, den wahren Wert von Lebensmitteln zu erkennen, sagt der vierfache Familienvater, der den Laden in dritter Generation führt. In der Schweiz oder in Österreich werde mehr bezahlt, was er dem Umstand zuschreibt, dass der Aufwand für die alpine Landwirtschaft dort klarer ersichtlich ist. Oder in Frankreich: Dort hätten sich die Bauern durch renitentes Verhalten eine viel höhere Lobby erkämpft.
Es ist Hillers Betriebsgeheimnis, wie viele Kunden täglich bei ihm einkaufen, und welchen Umsatz ein durchschnittlich gefüllter Einkaufswagen erzielt. Der Preis, sagt er, sei jedenfalls nicht das ausschließliche Kriterium, das über Zu- oder Abgänge auf Kundenseite entscheidet.