Herr Mommertz, Sie sind jetzt 30 Jahre im Gemeinderat, wurden aber schon 1980 zum ersten Mal gewählt?

Ja, zwischen 1989 und 1994 habe ich ausgesetzt. Wir hatten damals gerade unser Haus gebaut, die Kinder waren fünf und sieben. Dann hat man mich gebeten, wieder zu kommen. 2009 wurde ich nicht mehr gewählt, kam auf den ersten Nachrückerplatz und 2012 dann für Dr. Gerhard Sturm, der altershalber zurück trat, erneut in den Rat. Friedrichshafen hat sich in dieser Zeit enorm verändert. Als ich das erste Mal gewählt wurde, war der Buchhornplatz noch Parkplatz!

Wissen Sie noch, warum Sie 1980 das erste Mal kandidierten?

Der Grund, warum ich in die Politik kam, war das Graf-Zeppelin-Haus und die Auseinandersetzung um die Frage, ob wir – für damalige Verhältnisse – ein so gewaltiges Haus an dem Standort brauchen. Ich war damals der gewählte Wortführer der sogenannten Gegner. Wir haben aber das Haus als solches nicht abgelehnt, sondern wollten eine kleinere Variante und als Standort eher den Hinteren Hafen, damit die erste Tiefgarage in der Stadt näher am Zentrum ist. Uns war das Projekt auch viel zu teuer.

Vor dem Bau des Graf-Zeppelin-Hauses stand das erste Bürgerbegehren in Baden-Württemberg. Karl-Heinz Mommertz war der Wortführer der ...
Vor dem Bau des Graf-Zeppelin-Hauses stand das erste Bürgerbegehren in Baden-Württemberg. Karl-Heinz Mommertz war der Wortführer der GHZ-Gegner. Bild: SK-Archiv

Wie teuer war das Haus damals?

Ich meine, es wurde mit 105 Millionen D-Mark abgerechnet. Damit lagen wir am Ende auch richtig, denn wir hatten Kosten von 100 Millionen prognostiziert. Die Stadt ging mit einem Kostenvoranschlag von geschätzten 50 Millionen raus, und in der Stiftungskasse waren 40 Millionen. Wir haben das aber nicht geglaubt, weil zwei Jahre zuvor das Freibad Fischbach eröffnet wurde, das sehr viel teurer wurde als geplant. Der Bau wurde mit gerechneten Kosten von etwa über 80 Millionen beschlossen.

Sie haben Geschichte geschrieben...

Die Auseinandersetzung ging etwa anderthalb Jahre. Unser Bürgerbegehren war das erste in Baden-Württemberg. Keiner von uns wusste, wie das richtig geht. 6000 Häfler unterstützten damals das Bürgerbegehren, und mit diesen Stimmen entschied der Rat, den Bürgerentscheid zu machen. Der ging relativ knapp aus, mit rund 11 500 zu 10 000 Stimmen, glaube ich. Andere haben herumgemosert, aber ich hab' dieses Ergebnis anerkannt und so akzeptiert.

Warum sind Sie dann in den Gemeinderat?

Die Wortführer unserer Bewegung "IG Bürgerzentrum" wurden gefragt; neben mir waren das Norbert Zeller und Eugen Dorsch, der 1980 der erste Grüne im Rat war. Ich weiß gar nicht, ob ich das nach so langer Zeit offiziell sagen soll, aber ich bin mehr oder weniger über OB Martin Herzog gebeten worden, mich aufstellen zu lassen, weil er wohl ein politisches Talent in mir gesehen hat.

Sie wurden alle Drei in den Rat gewählt?

Wir haben viele Stimmen bekommen. Das führte dann in der Konsequenz auch zu einem Wandel in der SPD-Fraktion. Mit Heinz Tautkus oder Rotraut Binder waren wir sechs Neulinge, die damals altgediente Genossen abgelöst haben, die für das Bürgerzentrum waren. Da gab es dann schon Spannungen. So musste ich damals gegenüber der Fraktionsführung erklären, dass ich in keiner kommunistischen Partei bin und nie war.

Weil Sie sich erdreistet hatten, einer Bürgerbewegung vorzustehen?

Ich glaube, weil ich in Berlin studiert hatte. Jedenfalls musste ich erklären, dass ich mich an die Fraktionsdisziplin halten werde.

Gehen wir ins Heute: Oberbürgermeister Andreas Brand nannte Sie in seiner Lobrede für Ihr 30-jähriges Engagement im Stadtparlament einen "Lobbyist für die Schulen". Warum gerade dieses Thema?

Da tut er meine Rolle vielleicht ein wenig überbewerten. Ich sehe mich eher als Lobbyist fürs Energiesparen. Das Thema Schule ist mir und meiner Frau, die ebenfalls Lehrer ist, natürlich sehr nahe. Vor allem sie ist sehr nah dran am Geschehen und wir glauben zu wissen, was den Schulen not tut.

Wo steht Friedrichshafen diesbezüglich?

Ich sehe zwei Gemeinschaftsschulen in Friedrichshafen ein bisschen kritisch. Es ist schwierig, dieses Schulmodell umzusetzen, wenn nicht mindestens ein Drittel der Schüler eine Gymnasialempfehlung hat. Bei dem guten Angebot an Gymnasien, das es in Friedrichshafen gibt, sind diese Zahlen von den Gemeinschaftschulen kaum zu erreichen. Davon bin ich überzeugt, aber nicht auf Parteilinie. Ich glaube, dass man den Werkrealschulen noch eine Chance geben muss, wenn sie sich auf die berufsnahe Ausbildung konzentrieren können. Insgesamt steht Friedrichshafen mit seinen Schulen gerade bei der Ausstattung im Großen und Ganzen mustergültig da.

Na ja, bei den Schulhöfen gibt es da auch eine andere Wahrnehmung...

Ja, da geht es auch darum, dass die Toiletten in Ordnung sind. Wir sind in Friedrichshafen immer gut bei der Ausstattung dabei, wenn wir etwas Neues schaffen, vergessen dabei aber oft, die Folgekosten einzurechnen oder die Wartung und Instandhaltung. Viele Gebäude werden einfach nicht rechtzeitig saniert oder renoviert, ich denke da an die Rotachhalle in Ailingen oder die Sporthalle in Fischbach. Die Berücksichtigung von Instandhaltungskosten im Haushalt haben wir als SPD auch immer wieder angemahnt.

Ihr Hauptthema ist allerdings das Energiesparen...

Das lag mit beruflich sehr nahe, da kenne ich mich eben aus. 1984 bin ich das erste Mal in den Aufsichtsrat der TWF, heute dem Stadtwerk am See, entsandt worden. Seit 1994 gehöre ich ununterbrochen dazu. Schon damals habe ich mich beispielsweise dafür eingesetzt, dass die Technischen Werke ein Energiespar- und -beratungszentrum einrichten. Damals ist das im Rat noch auf Unverständnis gestoßen. Die TWF soll Energie verkaufen, nicht einsparen, musste ich mir damals anhören. Auch das Energiesparförderprogramm hat drei, vier Anläufe gebraucht, bis wir im Rat dafür eine Mehrheit hatten. Da hat die CDU auf den von uns vorgeschlagenen Betrag von 200 000 D-Mark sogar noch 100 000 drauf gepackt. Seither hat sich eine Menge getan.

Treibt Sie dieses Thema heute noch an?

Das hört nicht auf, und wie wichtig das ist, haben die anderen inzwischen auch erkannt. Es gibt noch viel zu tun.

Was unterscheidet die Ratsarbeit heute von der vor zehn, 20 oder 30 Jahren?

Es ist kollegialer geworden. Die Zeiten, wo ein Heinz Schaack den heutigen Chef der Deutschen Umwelthilfe Jürgen Resch als Umwelt-Ghadafi bezeichnet hat, sind vorbei. Auch die persönlichen Animositäten zwischen dem früheren CDU-Fraktionschef Brugger und OB Büchelmeier, die die Ratsarbeit immer wieder erschwerten, sind heute so nicht mehr vorstellbar. Die Parteien sehen sich nicht mehr als Gegner, sondern als Konkurrenten, manchmal auch als Partner, wenn es darum geht, ein größeres Projekt durchzubringen. Vor allem in den letzten fünf, acht Jahren geht man doch auf die anderen Parteien zu, wenn man einen Antrag durchbringen möchte.

Da geht es weniger um die Rechthaberei, wie es früher so war, sondern darum, gemeinsame Positionen und so die Mehrheit für einen Antrag zu finden. Das ergibt eine ganz andere Atmosphäre im Rat.

2019 stehen die nächsten Kommunalwahlen an. Lassen Sie sich erneut aufstellen?

(lächelt) Stand heute nein. Ich will nicht mit 80 noch im Gemeinderat sitzen. Aber es macht nach wie vor Spaß, es ist nach wie vor interessant, manchmal langatmig, aber immer lehrreich.

Fragen: Katy Cuko

 

Zur Person

Karl-Heinz Mommertz ist gebürtiger Häfler und heute 76 Jahre alt. Der pensionierte Lehrer hat Maschinenbau studiert und das zweite Staatsexamen als Gymnasiallehrer abgelegt. Er war Lehrer am Technischen Gymnasium in Friedrichshafen.

Karl-Heinz Mommertz ist 30 Jahre lang Mitglied des Gemeinderats in Friedrichshafen, in den er 1980 erstmals gewählt wurde. 1989 stieg er aus und wurde 1994 erneut gewählt. Nach zwei weiteren Legislaturperioden verpasste er 2009 den Einzug in den Rat knapp, rückte 2012 aber für Gerhard Sturm nach. Im vergangenen Jahr wurde er für seine 40-jährige Mitgliedschaft in der SPD geehrt.

Kinder forschen in der Wissenswerkstatt Friedrichshafen. Dass sie 2014 an den Start gehen konnte, ist mit ein Verdienst von Karl-Heinz ...
Kinder forschen in der Wissenswerkstatt Friedrichshafen. Dass sie 2014 an den Start gehen konnte, ist mit ein Verdienst von Karl-Heinz Mommertz. Bild: WiWe

"Sie sind streitbar und hartnäckig in der Sache", lobte OB Brand Karl-Heinz Mommertz, der sich immer für die Belange der Stadt eingesetzt habe. Die Einrichtung der Wissenswerkstatt in Friedrichshafen beispielsweise geht maßgeblich auf sein Engagement zurück. Karl-Heinz Mommertz wurde in der vergangenen Woche im Rahmen der Ratssitzung durch OB Brand mit der Ehrennadel in Gold des Deutschen Städtetages ausgezeichnet. (kck)