Am vierten Prozesstag gegen den mutmaßlichen Supermarkt-Erpresser von Friedrichshafen ging es nur am Rande um harte Fakten. Mit viel Spannung wurde die ehemalige Freundin des Mannes erwartet, der im letzten Jahr fünf Gläschen Babybrei mit dem Gift Ethylenglykol versetzt hatte, um 11,75 Millionen Euro zu erpressen. Die Taten hätte er aus purer Verzweiflung begangen, hatte der Angeklagte zu Beginn des Prozesses erklärt. Denn nach dem Scheitern seiner Beziehung sei sein Leben ein einziger Scherbenhaufen gewesen.

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 Von 2008 bis 2012 war die Zeugin aus Nürnberg mit dem heute 54-jährigen Angeklagten liiert – ihrer Aussage nach habe sie viel unter ihm gelitten. Tränenreich schilderte sie, wie er sie wegen Kleinigkeiten kontrolliert, beschimpft und niedergemacht habe. "Er war berechnend und hat mit mir schlimme Psychospiele getrieben", beschrieb die Zeugin ihren Ex-Freund. Auf der anderen Seite habe er aber auch aufmerksam und gefühlvoll sein können – wohl der Grund dafür, warum sie vier Jahre lang tat, was er von ihr wollte. "Für mich ist er ein Narzisst, er ist nur in sich selbst verliebt und hat mir meine Persönlichkeit geraubt", sagte sie unter Tränen aus. Sie bestätigte dem Gericht, den Angeklagten sofort auf den Fahndungsbildern wieder erkannt zu haben, als diese von der Polizei kurz nach Bekanntwerden des Erpressungsversuches herausgegeben wurden.

Mit diesem Fahndungsfoto suchte die Polizei nach dem Erpresser.
Mit diesem Fahndungsfoto suchte die Polizei nach dem Erpresser. | Bild: Polizeipräsidium Konstanz

Der Angeklagte Jochen S. dagegen bezichtigte sie des Verrates. Die beiden betrieben eine Zeit lang gemeinsam eine Reinigungsfirma, zunächst war er Geschäftsführer, nach einigen Jahren übernahm sie die Geschäfte. Der Angeklagte erschien vor Gericht nun ganz und gar nicht mehr verzweifelt, sondern nahm seine Ex-Freundin in eine Art Kreuzverhör, um zu beweisen, dass sie ihn unrechtmäßig aus der Firma getrieben habe. Das Gericht ließ seine vielen Fragen zu, obgleich diese in keinster Weise zur Aufklärung des Erpressungs-Falles beitrugen, sondern eher ein tiefes Beziehungsdrama unterstrichen, dessen Wunden bei beiden noch lange nicht verheilt sind. Das Gericht muss nun beurteilen, ob der Rosenkrieg tatsächlich eines der Auslöser für die Taten des Mannes sind, der des versuchten Mordes in fünf Fällen angeklagt ist.

Die Strategie des Verteidigers, die angebliche Alkoholsucht seines Mandanten zu untermauern, wurde bei der umfangreichen Zeugenbefragung eher in sein Gegenteil verkehrt. Keiner der bisher Befragten konnte bestätigen, dass der Angeklagte, wie er selbst in seiner Stellungnahme ausgesagt hatte, täglich eine Flasche Gin und eine Flasche Rosé getrunken habe. Der Prozess wird am kommenden Montag am Landgericht Ravensburg fortgesetzt.

 

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