„Ich konnte drei Nächte lang beinahe kein Auge zutun“, verrät etwa Olivia Bucher, Inhaberin des Salons „Kertu-Bucher“ in Friedrichshafen. Dann habe sie die Entscheidung getroffen, ab dem kommenden Montag, 23. März, freiwillig die Pforten zu schließen, zunächst für zwei Wochen, bei Bedarf länger. Seitdem fühle sie sich besser.

In der Zwischenzeit bis zur Schließung würden nur noch Kunden bedient, die ihre Termine vor Längerem ausgemacht hätten und aufgrund der Situation nicht sowieso absagten. „Man muss auch einfach sagen: Die Belegschaft hat Angst“, erklärt sie. Auch ihr selbst sei nicht wohl bei dem Gedanken, keinen halben Meter vom Gesicht der Kunden zu arbeiten, wenn doch für andere Bereiche des alltäglichen Lebens inzwischen ein Abstand von eineinhalb Metern gelte.
Freiwillige Schließung wird nicht finanziell unterstützt
Jana Fuchs empfindet ähnlich. Ihr Mann und sie führen den eigenen Salon derzeit alleine, haben keine Angestellten und öffnen den Salon sowieso nur nach Vereinbarung. Hinzugekommen sind in Zeiten des grassierenden Covid-19, des Coronavirus, besondere Sicherheitsvorkehrungen. „Ich schicke jedem vorab eine E-Mail mit einem Fragebogen“, erläutert Fuchs. Da werde abgeklärt, ob ein Kunde sich in einem Risikogebiet aufgehalten habe und darüber aufgeklärt, dass er seinen Termin nicht wahrnehmen könne, wenn er Krankheitssymptome zeige, auch wenn es nur die für eine Erkältung üblichen seien.
Smalltalk beschränkt sich auf ein Minimum
Im Salon selbst wird jeder Sitzplatz nach jedem Kunden desinfiziert, ihre Hände natürlich ebenfalls. Smalltalk beschränke sie auf ein Minimum. „Ich verstehe nicht, wieso Friseure geöffnet bleiben dürfen“, betont die Friseurin. Das sei dann letztlich auch eine wirtschaftliche Problematik, da es keine finanzielle Unterstützung gebe, wenn man freiwillig schließe.

Salonleiterin Birgit Pusse des Friseursalons „Ryf“ in der Häfler Fußgängerzone beschreibt die Zwickmühle, in der sie sich derzeit emotional befindet: „Ich habe Angst vor der Verbreitung des Virus, will auf gar keinen Fall jemanden anstecken. Dann habe ich aber auch Angst vor einer Schließung, Kurzarbeit halten wir vielleicht zwei oder vier Wochen durch. So eine große Gewinnmarge haben Friseure nicht.“ Dabei gehöre sie selbst zur Risikogruppe, sei generell „leicht anfällig“. Die Türklinke desinfiziert sie nach jeder Benutzung, die Stühle ebenfalls. „Ich bin nur froh, dass Desinfektionsmittel nicht mehr so beißend riechend“, sagt sie dann und lächelt. Überhaupt verbreitet sie gute Laune, obwohl sie sich Sorgen macht.
Viele Kunden sagen ihren Friseur-Termin ohnehin ab
Cenil Kürem, Inhaberin des Häfler „Friseursalon17CK“, schildert auf Nachfrage, dass es sehr viele Absagen gebe. „Mehr als die Hälfte möchten ihren Termin gar nicht wahrnehmen“, erklärt sie. Gerade die älteren Menschen sagten ab. Wer noch kommt und sich die Haare schneiden lässt, muss auch hier zunächst ein Formular ausfüllen. Symptome und Aufenthalte in Risikogebieten werden abgefragt. Außerdem muss jeder Kunde einen Aushang mit Sicherheitshinweisen durchlesen, bevor er den Laden betreten darf. Das Wichtigste dabei: „Wer das Formular nicht ausfüllt, wird nicht bedient.“
Nur jeden zweiten Platz im Salon besetzen
Helmut Bosch von Helmuts Haarstudio in Immenstaad versucht mit guter Laune und erweiterten Öffnungszeiten der Situation Herr zu werden: „Wir schaffen von morgens um Acht bis abends um Acht. So können wir die Termine entzerren und nur jeden zweiten Platz im Salon besetzen.“ Sie hätten Termine dementsprechend umverlegt.
Auch bediene nur mehr jeder Mitarbeiter gleichzeitig einen Kunden und nicht etwa abwechselnd zwei unterschiedliche. Eine Station für Händedesinfektion gebe es direkt im Eingangsbereich, eine Desinfektionsstation für die Werkzeuge im hinteren Bereich des Friseursalons: „Jedes Werkzeug wird nach jedem Kunden desinfiziert.“ Trotz all der Sicherheitsvorkehrungen sei ihm auch die gute Stimmung wichtig: „Wir versuchen locker zu bleiben und gute Laune zu verbreiten.“ Und letztlich plädiere er an die Vernunft jedes Einzelnen. Wer sich krank fühle, solle zuhause bleiben.
Petition fordert Schließung von Salons in Zeiten von Corona
Denise Winner aus Meckenbeuren hat erst vor einem Jahr ihr eigenes Friseur- und Kosmetikgeschäft in Meckenbeuren eröffnet. Ende vergangener Woche schloss sie freiwillig auf unbestimmte Zeit ihre Türen. „Ich hätte mich nicht gut damit gefühlt, meine Mitarbeiterin oder meine Kunden dem Risiko auszusetzen“, erklärt sie. Auch rechne sich der Betrieb sowieso nicht bei der stark gesunkenen Kundenanzahl. „Klar konnte ich in der kurzen Zeit nicht viele Rücklagen bilden“, räumt sie ein. Doch sie ist sich sicher: „Ich bin eine Powerfrau. Ich kriege das schon wieder hin, wenn die Krise vorbei ist.“
Sie hätte gehofft, dass Deutschland es Österreich gleichtut und Läden einfach schließt. Die politisch vorsichtige Maßnahme habe sie enttäuscht: „Ein Friseur ist definitiv nicht überlebenswichtig. So toll ich unseren Beruf finde.“
Nicht nur sie gehört daher zu den Zeichnerinnen der Petition „Schließung von Friseursalons in Zeiten von Corona“ auf der Plattform „Avaaz.org“ mit aktuell 98 659 Zeichnern (Stand: 20. März, 12:06).