In der Innenstadt ziehen gerade rund 5000 Hästräger beim Narrensprung durch die Straßen. 18 000 Zuschauer sind am Häfler Samstag in die Stadt gekommen, um das bunte Treiben der Narren zu verfolgen. Patrick Hofmeister bekommt davon nichts mit. Er hat seit 14 Uhr Dienst in der integrierten Leitstelle Bodensee-Oberschwaben, die ihren Sitz neben einem Standort in Ravensburg im Friedrichshafener Landratsamt hat.

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„Hier ist der Notruf – Feuerwehr und Rettungsdienst. Wo ist der Notfallort?“ Mit dieser Frage nimmt Patrick Hofmeister in der Leitstelle jeden Anruf entgegen. Ein Betrunkener ist gerade am Umzugsweg umgekippt. Ein Zeuge schildert Patrick Hofmeister am Telefon, was passiert ist. Der Leitstellenmitarbeiter arbeitet routiniert die Fragen der standardisierten Notrufabfrage ab.

Die Arbeit in der Leitstelle Video: Fabiane Wieland

Wo ist der Notfall passiert, was genau ist passiert? Noch während Patrick Hofmeister die Informationen ins System eingibt und er weitere Fragen stellt, um die Situation vor Ort möglichst genau zu erfassen, ist bereits Hilfe für den Betroffenen unterwegs. Patrick Hofmeisters Kollegen vom zweiten Leitstellenstandort in Ravensburg bekommen den Fall parallel auf den Bildschirm und schicken den Rettungswagen oder den Sanitäter auf den Weg, der am nächsten am Notfallort ist.

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„Bringen Sie ihn in die stabile Seitenlage“, sagt Patrick Hofmeister eben zu dem Anrufer, der den Notfall gemeldet hat, da erreichen Sanitäter bereits den Notfallort und Patrick Hofmeister kann das Gespräch beenden. Für die Dokumentation kontrolliert er noch einmal alle Eingaben im System, dann kann er den Fall abschließen. Wenige Minuten später geht bereits der nächste Anruf ein. „Für uns ist es wichtig, dass wir vom Anrufer genau erfahren, was vor Ort passiert ist, um bewerten zu können, welche Hilfe der Betroffene benötigt“, erklärt er.

Typische Vorfälle während der Fasnacht

„Alkohol, Schlägereien, Schnittwunden – in dieser Reihenfolge“, nennt Christoph Föhr die typischen Vorfälle während der Fasnacht. Der Leitstellenleiter in Ravensburg war viele Jahre auch für den Standort in Friedrichshafen verantwortlich. Damit unterscheiden sich die Einsätze nicht von denen bei anderen großen Festen. „An Silvester kommen dann noch die Unfälle mit Böllern dazu.“ Wie viele Einsätze die Disponenten an einem Tag bearbeiten müssen, lässt sich im Vorfeld nur schwer einschätzen. „Das Wetter spielt dabei beispielsweise auch immer eine Rolle“, sagt Fachbereichsleiter Jörg Pfeifer.

Auf mehreren Monitoren kann sich Patrick Hofmeister einen Überblick über die aktuellen Einsätze verschaffen.
Auf mehreren Monitoren kann sich Patrick Hofmeister einen Überblick über die aktuellen Einsätze verschaffen. | Bild: Fabiane Wieland

Großveranstaltungen wie der Narrensprung in Friedrichshafen sind bei der Rettungsleitstelle im System hinterlegt. „Ich kann hier zum Beispiel den Umzugsweg abrufen“, sagt Patrick Hofmeister. Damit können die Helfer im Rettungswagen möglichst schnell zum Notfallort gelotst werden. Auch die zuständigen Ortsvereine, die sich vor Ort um den Sanitätsdienst kümmern, seien hier mit allen wichtigen Nummern erfasst. „Ohne den Rettungsdienst geht es bei solchen Veranstaltungen nicht“, macht Jörg Pfeifer deutlich. „Die Helfer kennen sich sehr gut aus und können kleinere Verletzungen direkt versorgen.“

29 laufende Einsätze auf dem Bildschirm

Die Bildschirme vor Patrick Hofmeister zeigen gerade 29 laufende Einsätze an. „Die Zahl ist heute Nachmittag relativ konstant“, sagt er. An den Standorten der integrierten Leitstelle Bodensee-Oberschwaben in Friedrichshafen und Ravensburg kommen Notrufe aus dem Bodenseekreis sowie den Landkreisen Ravensburg und Sigmaringen an.

Patrick Hofmann bei der Arbeit Video: Fabiane Wieland

„Nicht alles sind Einsätze, die bei uns über die 112 eingehen“, erklärt Hofmeister. Auch Fragen zum ärztlichen Bereitschaftsdienst werden hier beispielsweise gerade bearbeitet. „Die Leitstelle ist für alle nichtpolizeilichen Gefahrenlagen zuständig“, sagt Jörg Pfeifer. In Friedrichshafen werden die eingehenden Anrufe abgearbeitet, in Ravensburg sucht sich der Disponent bei Notfällen das nächste Fahrzeug aus und sorgt dafür, dass es zur Einsatzstelle findet. Die Arbeitsplätze sehen an beiden Standorten nahezu gleich aus, das System ist identisch aufgebaut. Ausfälle und Störungen können so gegenseitig abgefangen werden. Ist die eine Leitstelle außer Betrieb, werden die Notrufe von der anderen bearbeitet.

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Für die Arbeit der Disponenten braucht man laut Jörg Pfeifer und Christoph Föhr „Allrounder“. Alle bringen bereits Berufserfahrung im Rettungsdienst mit und werden für die Arbeit in der Leitstelle weiter qualifiziert. „Fast zwei Jahre braucht ein neuer Mitarbeiter bei uns, bis er alle Arbeitsplätze belegen kann“, sagt Pfeifer. Im ersten Vierteljahr sitzt zudem immer ein Ausbilder dabei, wenn ein neuer Kollege die Notrufe entgegennimmt oder die Einsätze disponiert.

Menschen in Ausnahmesituationen

Neben der notfallmedizinischen Erfahrung sei eine persönliche Eignung wichtig. „Stressresistent“, nennt es Föhr. Bei Notfällen rufen Menschen in Ausnahmesituationen an, da muss der Mensch am anderen Ende der Leitung ruhig und sachlich bleiben. Das erfordere eine hohe Sozialkompetenz. Bei der Arbeit in der Leitstelle weiß man nie, was als Nächstes kommt. Pfeifer: „Die Kollegen müssen sich ein möglichst genaues Bild davon machen, was gerade vor Ort passiert.“ Diese Bilder im Kopf könnten bei schwierigen Einsätzen aber auch belastend sein. „Das lässt einen auch nach Jahren oder auch Jahrzehnten nicht kalt“, so der Fachbereichsleiter.

Fragen an den Anrufer Video: Fabiane Wieland

Natürlich gebe es Fälle, die einen länger beschäftigen, bestätigt auch Patrick Hofmeister. Gerade wenn es um Kinder gehe – oder auch bei schweren Unfällen. Er schätzt an seiner Arbeit, dass er Menschen helfen kann. „Dabei wissen wir vorher nie, was in einer Schicht auf uns zukommt“, sagt er. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand können Disponenten telefonisch einen Anrufer bei den Wiederbelebungsmaßnahmen anleiten. Damit soll die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdiensts überbrückt werden. „Wir bleiben am Telefon und leiten den Ersthelfer an, bis Notarzt und Rettungswagen vor Ort sind“, sagt der Leitstellendisponent. Dafür sei ein Protokoll im Computer hinterlegt, das den Mitarbeitern Fragen und Anleitungen vorgibt. Auch eine Geburt habe er so schon angeleitet.

Integrierte Leitstelle: Die Einsätze im Überblick

Inzwischen ist es 17.30 Uhr. Der Umzug in Friedrichshafen ist vorbei. Weil die Anrufe in der Leitstelle im Laufe des Nachmittags zugenommen haben, werden Patrick Hofmeister und sein Kollege inzwischen von einer weiteren Kollegin unterstützt. Neben echten Einsätzen haben Patrick Hofmeister und seine Kollegen auch wieder einige „Hosentaschenanrufe“ abgearbeitet. Die Notruftaste aktiviere sich bei Smartphones gerne einmal selbst. Das raschelnde Geräusch deutet zwar bereits auf einen unbeabsichtigten Anruf hin, trotzdem müssen die Mitarbeiter dem Notruf nachgehen. „Wir müssen sicherheitshalber dann drei Mal zurückrufen“, erklärt Hofmeister.

Das Lämpchen brennt, also geht bei Patrick Hofmeister wieder ein Einsatz ein.
Das Lämpchen brennt, also geht bei Patrick Hofmeister wieder ein Einsatz ein. | Bild: Fabiane Wieland

Wie Christoph Föhr es angekündigt hatte, müssen die Rettungskräfte bei den Einsätzen rund um die Fasnachtsveranstaltung auch dieses Mal vor allem wegen den Folgen von zu viel Alkohol sowie Schlägereien ausrücken. Vergeht einem da nicht die Lust an der Fasnacht? Christoph Föhr zumindest nicht. Pünktlich um 19 Uhr blickt das Mitglied der Überlinger Hänselezunft auf die Uhr und meint fast etwas wehmütig: „Jetzt beginnt der Hänselejuck.“

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