Wer so laut feiert, dass schließlich die Nachbarn vor der Tür stehen, der hat – zumindest, wenn die Nachbarn nicht mitfeiern wollen – zwei Möglichkeiten: Er dreht die Musik leiser oder er riskiert eine Auseinandersetzung. Zwei zumindest für sie zu laute Partys haben Anwohner der Werastraße bereits erduldet. Inzwischen belegt zudem eine Schallprognose: Die Open-Air-Konzerte, wie es sie bislang in einem Sommer vor dem Graf-Zeppelin-Haus gab, dürften eine Grundlage für eine Auseinandersetzung hergeben.

Eine solche wollten und wollen die Verantwortlichen aber nicht riskieren. Die Konzerte im vergangenen Jahr wurden nach drinnen verlegt, weitere sollen erst geplant werden, wenn klar ist, ob sich der Lärm auf ein zulässiges Maß reduzieren lässt.
Bis zu fünf Dezibel über Richtwert
Was in diesem Fall ein zulässiges Maß ist, regelt die Freizeitlärmrichtlinie. „Der Immissionswert gemäß Sonderfallbeurteilung der Freizeitlärmrichtlinie von seltenen Veranstaltungen beträgt 70 Dezibel am Tag außerhalb der Ruhezeiten sowie am Abend“, erklärt Andrea Kreuzer, Sprecherin der Stadtverwaltung auf Anfrage dieser Zeitung. Laut vorliegender Schallprognose werde dieser Richtwert um bis zu fünf Dezibel überschritten.
Nun sind fünf Dezibel allein noch nicht einmal mit dem Rascheln eines Blattes vergleichbar. 70 Dezibel entsprechen etwa einem Staubsauber, mit dem in etwa einem Meter Abend hantiert wird.
Fünf Dezibel sind nicht unbedingt gleich fünf Dezibel
Jene bis zu 75 Dezibel, die laut Lärmgutachten während der Open-Air-Konzerte in der Nachbarschaft ankommen könnten, entsprechen allerdings nicht der Summe eines Staubsaugerbrummens und rauschender Blätter. „Dezibel sind keine lineare Angelegenheit“, erklärt Christiane Müller, Geschäftsführerin der Müller Hörgeräte GmbH. Fünf im Vergleich zu null Dezibel werden also als deutlich geringere Lautstärke-Veränderung wahrgenommen, als 75 im Vergleich zu 70 Dezibel. Als Faustregel gilt: Eine Erhöhung um zehn Dezibel werden als Verdoppelung der vorigen Lautstärke wahrgenommen, bestätigt Christiane Müller. Kurzum: Es würde nicht reichen – wie auch immer – die Blätter während der Open-Air-Konzerte vom Rascheln abzuhalten.
Reduktion mittels Ton- und Bühnentechnik möglich
Ein Aus für die Konzerte ist das nicht. „Wir erarbeiten in Zusammenarbeit mit dem Veranstalter Vaddi Concerts Maßnahmen zur Lärmreduktion“, teilt Andrea Kreuzer mit. Diese Maßnahmen können der Stadtsprecherin zufolge mittels Ton- und Bühnentechnik erreicht werden. Zu Inhalten aus Gesprächen mit Anwohnern des GZH werde man sich nicht öffentlich äußern.
„Sehr wenige“ Beschwerden während Seehasenfest, Kulturufer und Interkulturellem Stadtfest
Dass lärmgeplagte Nachbarn größerer Veranstaltungen zu vorgerückter Stunde vor der Tür stehen, scheint im Stadtkern übrigens eher selten der Fall zu sein. „Beim Seehasenfest, Kulturufer und Interkulturellen Stadtfest werden die Lärmgrenzwerte eingehalten und, insbesondere beim Seehasenfest, überprüft“, so Kreuzer. „Deshalb gab es in den vergangenen Jahren nur sehr wenige Beschwerden.“ Der Thema „Veranstaltungen in der Innenstadt/Uferpromenade“ soll noch in diesem Quartal im Gemeinderat behandelt werden. Dabei geht es Kreuzer zufolge um Regeln und die Anzahl der Veranstaltungen sowie um den Schutz des Uferparks – nicht aber um das Open-Air.
Wer nur noch so laut feiert, dass es für Nachbarn, die nicht mitfeiern wollen, keinen Grund mehr gibt, vor der Tür zu stehen, der riskiert auch keine Auseinandersetzung mehr mit ihnen – zumindest keine rechtliche. In Summe bleibt die Vermutung, dass es grob vereinfacht reichen könnte, die Musik leiser zu drehen, um den Open-Air-Konzerten am Häfler Seeufer eine rechtssichere Zukunft zu geben. Die Frage, wie wahrscheinlich das ist, beantwortet die Stadt knapp. Das Verfahren läuft eben noch.