Er erinnert sich daran, in jener Nacht gelacht und getanzt zu haben. Daran, Autos im Parkhaus am See und das wenige Meter von der Tiefgarage entfernte Geschäft angezündet zu haben. Und er erinnert sich an Momente eines Polizeieinsatzes, zu dem es kurz vor den Bränden in der Karlstraße in einer nahegelegenen Wohnung kam. Rund um diese und weitere Fetzen klaffen jedoch Lücken in den Erinnerungen des Mannes, der in der Nacht zum 30. Dezember insgesamt drei Brände in der Häfler Innenstadt gelegt haben soll.

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Urteil möglicherweise schon am Donnerstag

Aktenauszüge, Aussagen von Polizisten und weiteren Zeugen, Aufnahmen aus dem Parkhaus am See und Notrufmitschnitte haben beim Prozessauftakt am Landgericht Ravensburg gestern ein vollständigeres Bild der Geschehnisse in jener Nacht ergeben. Explizite Zweifel an den Brandstiftungen äußerte niemand. Die Frage, die die 7. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Franz Bernhard womöglich schon am heutigen Donnerstag beantworten wird: In welchem Umfang ist der 29-Jährige, bei dem eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert wurde, überhaupt schuldfähig?

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Woran dieser sich ebenfalls erinnert: Die Abend vor den Bränden begann mit dem Besuch zweier Kneipen in der Stadt. „Zuhause habe ich es nicht mehr ausgehalten.“ Das Zuhause des zu diesem Zeitpunkt arbeitslosen Handwerkers: die Wohnung der Eltern. Das Verhältnis zu Mutter und Vater: offenbar alles andere als einfach. Bier und Schnaps waren im Spiel. Gelächter und Tanz. Womöglich traf er in einer der Kneipen auch die Frau, die im Laufe der Nacht noch eine Rolle spielen sollte.

Angeklagter ruft die Feuerwehr – allerdings zum Bodensee-Center

An Telefonate mit einem Mitarbeiter der Notrufzentrale kann er sich „nicht wirklich erinnern“. Gegen Mitternacht aber meldet er Flammen und Rauch in der Halle 10 des Bodensee-Centers, nennt dabei auch seinen Namen. Ob es sein könne, dass er das Lagerhaus angezündet hatte und es für die Halle 10 hielt, will Richter Bernhard wissen. Es kann sein. Auf einem Foto, das auf dem Handy des Angeklagten entdeckt wurde, sind Flammen zu sehen. Der Zeitpunkt der Aufnahme passt zum Brand in Bahnhofsnähe, Details nach Einschätzung der Polizei zum Lagerhaus.

Gegen Mitternacht brannte es in der Nacht zum 30. Dezember in diesem Lagergebäude im Bereich des Stadtbahnhofes. (Archivbild)
Gegen Mitternacht brannte es in der Nacht zum 30. Dezember in diesem Lagergebäude im Bereich des Stadtbahnhofes. (Archivbild) | Bild: Claudia Wörner

„Ich nehme an, ich war massiv gefrustet“

Bis zur ersten Begegnung des Angeklagten mit der Polizei vergehen nach Mitternacht noch rund vier Stunden. Dann werden Beamte und Rettungssanitäter in eine Wohnung in der Innenstadt gerufen. Eine psychisch kranke Frau ruft um Hilfe, Zeugenaussagen zufolge war sie hysterisch. In der Wohnung und von der Polizei kaum von dort wegzubewegen: der Angeklagte. Was zuvor geschehen ist und weshalb die Frau um Hilfe rief, lässt sich während der Verhandlung nur in Bruchstücken rekonstruieren.

Das Zusammentreffen mit der Polizei habe ihn durchdrehen lassen, so der mutmaßliche Brandstifter. Er äußert viel generelle Kritik. An der Politik, am Bildungswesen, an der Gesellschaft. „Ich glaube, da spielen mehrere Sachen hinein“, antwortet er auf die Frage nach dem Grund für die Brände, an die er sich erinnert. „Ich nehme an, ich war massiv gefrustet.“

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Brände mit einem Feuerzeug gelegt

An drei Autos in der Tiefgarage soll er schließlich Scheiben eingeschlagen und im Innenraum mit einem Feuerzeug die Flammen verursacht haben, die auf weitere drei Fahrzeuge übergriffen. Er kann sich daran erinnern, durch die zerbrochene Schaufensterscheibe des Raumausstattungsgeschäfts gestiegen zu sein. Er kann sich an die viereckige Tischdecke erinnern, von der die Flammen ausgingen, die das Geschäft weitgehend zerstörten. Darauf, dass sich darüber Wohnungen befinden, habe er nicht geachtet, sagt der Angeklagte.

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„15 Minuten später wäre das anders ausgegangen“

Acht Menschen schafften es einem der Polizisten zufolge gerade noch rechtzeitig durch den Rauch ins Freie. Wie knapp eine große Katastrophe ausblieb, will Franz Bernhard von dem Beamten wissen. Als dieser die Hand hebt, ist der Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger ziemlich knapp. Der Prozess wird heute fortgesetzt.