Kerstin Mommsen und Fabiane Wieland

Wer in einem Corona-Risikogebiet war, sollte laut Empfehlung des Robert-Koch-Institutes (RKI) zu Hause bleiben und unnötige Kontakte vermeiden. Seitdem auch Südtirol Ende vergangener Woche zu einem Risikogebiet erklärt wurde, zog das Kultusministerium in Baden-Württemberg die Konsequenzen und schickte Schüler und Lehrer nach Hause, die ihre Fasnetsferien dort verbracht hatten. Aber auch Reiserückkehrer aus Italien sind betroffen, sie sollten ebenfalls zur freiwilligen Selbstkontrolle mindestens zwei Wochen lang ihre eigenen vier Wände nicht verlassen. Nach Angaben des Landratsamtes befinden sich derzeit 85 Menschen im Bodenseekreis in angeordneter häuslicher Quarantäne. „Wie viele Menschen ohne explizite Anordnung der Kreispolizeibehörden derzeit daheim bleiben, ist dem Gesundheitsamt nicht bekannt“, schreibt Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamtes.

Der SÜDKURIER hat die Geschichten zweier Quarantäne-Fälle:

Anja Nebel, Mathe-Lehrerin am Tettnanger Montfort-Gymnasium, und ihre Tochter Josephine Rasch, mussten vergangenen Freitag von jetzt auf gleich ihre Sachen packen. Genau wie andere Lehrer und zwei weitere Mitschüler aus Josephines Klasse. Krank fühlen sie sich nicht, auch wenn sie nicht wissen, ob sie sich in Südtirol das Coronavirus eingefangen haben. Seither sitzen sie zuhause fest. „Erst habe ich mich sehr darüber gefreut und fand das cool“, berichtet die zehnjährige Josephine. Schließlich durfte sie ganz offiziell nun Schule „schwänzen“ – ein verlockendes Angebot für eine Fünfklässlerin.

Im Gespräch mit der zehnjährigen Josephine Video: Bömelburg, Christina

Der Zwangsurlaub hat schlechte, aber auch schöne Seiten

Doch schon nach wenigen Minuten war für Josephine die Freude dahin. „Als mir klar wurde, dass ich nicht zu einem Geburtstag durfte, auf den ich mich sehr gefreut hatte und dass ich auch nicht bei einem wichtigen Handballspiel dabei sein würde, kamen mir die Tränen“, berichtet sie. „Das war schon ein bisschen Depri“, sagt die Zehnjährige. Nun aber hat sie sich ein neues, quarantänetaugliches Hobby gesucht: Sie näht nun an der Nähmaschine und holt zu Hause den Unterricht nach, den sie verpasst.

Josephine Rasch hat sich in der Zeit, in der sie zuhause bleiben muss, ein neues Hobby zugelegt: Sie hat die Nähmaschine entdeckt.
Josephine Rasch hat sich in der Zeit, in der sie zuhause bleiben muss, ein neues Hobby zugelegt: Sie hat die Nähmaschine entdeckt. | Bild: privat

Ihre Mutter Anja Nebel freute sich erst über die „Urlaubswoche“, die sie unversehens geschenkt bekam. Doch auch bei ihr währte die Freude nur kurz. „Es war schon etwas irritierend, wie ich mich plötzlich wie eine Aussätzige fühlte“, erzählt die 50-Jährige per Video-WhatsApp-Anruf.

Anja Nebel in freiwilliger Quarantäne zu Hause.
Anja Nebel in freiwilliger Quarantäne zu Hause. | Bild: privat

„Es ist ganz erstaunlich mitzubekommen, wie schnell man plötzlich vom normalen Mitmenschen zum Unwillkommenen umdefiniert werden und damit in eine eigentlich unbegründete Demutshaltung rutschen kann“, so die Mathelehrerin. Ihr tut es auch leid, dass sie nun ihre Abiklasse, die kurz vor den wichtigen Prüfungen steht, nun nicht mehr unterrichten kann.

Es ist ganz erstaunlich mitzubekommen, wie schnell man plötzlich vom normalen Mitmenschen zum Unwillkommenen umdefiniert werden kann.
Anja Nebel, Lehrerin

Noch bis kommenden Samstag müssen Mutter und Tochter zuhause bleiben, dann dürfen sie wieder in die Schule, sollten sich bei ihnen weiterhin keine Symptome des Virus zeigen. Der Zwangsurlaub hat aber auch Vorteile. „Ich genieße die Zeit auch, lese viel und setze mich auf meinen Balkon in die Sonne“, erzählt Anja Nebel.

Im Gespräch mit Anja Nebel Video: Bömelburg, Christina

Mutter muss sich von ihrer eigenen Familie fernhalten

Als belastend beschreibt eine Familie aus Wangen die häusliche Quarantäne. Seine Frau ist – so nennen es die Behörden – eine sogenannte Kategorie-I-Kontaktperson, erzählt der Familienvater am Telefon. Das heißt, sie hatte direkten Kontakt zu jemandem, der später positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Daraufhin sei für seine Frau für 14 Tage die häusliche Quarantäne angeordnet worden. Während seine Kinder weiterhin zur Schule und in den Kindergarten gehen können, muss seine Frau zu Hause bleiben – räumlich getrennt vom Rest der Familie. „Hätten wir keine Kinder, wäre das wahrscheinlich kein so großes Problem“, glaubt er. Für eine Familie sei die Situation allerdings sehr schwierig. Es sei den Kindern – gerade den kleinen – nur schwer zu vermitteln, dass sie nicht zu ihrer Mama dürfen. „Mit Kindern ist das ein Wahnsinn. Ich hätte nie gedacht, dass das psychisch so belastend sein wird“, betont der Familienvater.

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Informationen waren schwer zu bekommen

Gerade am Anfang hätte er sich mehr Informationen dazu gewünscht, „was bedeutet das für den Rest der Familie, dürfen die Kinder in die Schule und den Kindergarten. Das wussten wir anfangs alles nicht“, sagt der Familienvater. Hotlines seien am Wochenende beispielsweise nicht besetzt. Nach einem Gespräch mit dem Gesundheitsamt habe sich dann vieles aufgeklärt. Doch auch bei den Schulen bestand Unsicherheit darüber, ob die Kinder tatsächlich kommen dürfen. „Ich fände es gut, wenn es eine schriftliche Information dazu geben würde, die diese Fragen beantwortet und die man dann auch dem Arbeitgeber und den Schulen vorlegen kann.“ Auch seine Frau wurde inzwischen auf das Coronavirus getestet, das Ergebnis liegt noch nicht vor. „Wir hoffen jetzt sehr, dass das Ergebnis des Tests negativ ausfällt“, damit die Quarantäne Ende nächster Woche enden und das Familienleben wieder den gewohnten Gang nehmen kann.