Es ist eine brisante Angelegenheit, mit der sich Oberbürgermeister Andreas Brand derzeit beschäftigen muss. Es geht um die Abberufung eines ehemaligen Geschäftsführers der Zeppelin GmbH, es geht um die Befugnisse des Stadtoberhaupts als Vertreter des Gesellschafters der Zeppelin GmbH und um ungewöhnliche Beratungstätigkeiten der städtischen Pressesprecherin Monika Blank.
Beim Regierungspräsidium Tübingen ging am 14. Dezember 2018 ein Schreiben ein, das es in sich hat. Dem SÜDKURIER liegt der gesamte Schriftsatz vor: Es handelt sich um eine Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen Oberbürgermeister Andreas Brand. Der ehemalige Geschäftsführer der Zeppelin GmbH, Jürgen Knepper, wirft dem Häfler Stadtoberhaupt vor, ohne Zustimmung des Gemeinderates einen Gesellschafterbeschluss unterzeichnet zu haben, der seine Abberufung als Geschäftsführer zur Folge hatte. "Das bewusst eigenmächtige Vorgehen des Oberbürgermeisters ... ist rechtswidrig und gemäß der Gemeindeordnung zu beanstanden", heißt es in dem Schreiben. Daniel Hahn, Pressesprecher des Regierungspräsidiums, bestätigte den Eingang der Rechtsaufsichtsbeschwerde.

Vorwürfe gegen OB Andreas Brand
Was sich zunächst nach einem bloßen Streit zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Zeppelin GmbH, Andreas Brand, und seinem ehemaligen leitenden Mitarbeiter, Jürgen Knepper, anhört, ist von erheblicher Bedeutung. Denn der Vorwurf steht im Raum, dass OB Andreas Brand weit über seine eigentlichen Machtbefugnisse hinaus agiert. Laut Paragraph 35 der Geschäftsordnung des Friedrichshafener Gemeinderates entscheidet das Gremium auch über die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer der Stiftungsunternehmen. Doch offenbar geschah genau das in Sachen Knepper nicht. Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, so hätte OB Brand eigenmächtig gehandelt.

Hintergrund der Abberufung Jürgen Kneppers ist ein Streit, der es ebenfalls in sich hat. Denn Knepper war bei der Zeppelin GmbH als Geschäftsführer zuständig für Recht und Compliance, und damit für die Regeleinhaltung im Unternehmen. Am 5. Februar 2015 schloss die Zeppelin GmbH einen Beratervertrag mit Monika Blank ab. Laut Kneppers Ausführungen kam dieser Vertrag nur auf Einwirken von Andreas Brand auf die Geschäftsführung zustande, denn die Zeppelin GmbH verfügt über eine eigene Kommunikationsabteilung. "Ungewöhnlich daran war, dass sich der Oberbürgermeister in seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates in dem Beratungsvertrag das Recht vorbehalten hat, Aufträge für die Zeppelin GmbH selbst an Frau Blank zu erteilen", schreibt Jürgen Knepper in der Rechtsaufsichtsbeschwerde. Nur wenige Tage später, am 10. Februar 2015, wurde bekannt, dass Monika Blank ab Juli 2015 die Kommunikationsabteilung der Stadt Friedrichshafen leiten wird.
Monika Blank fungierte als Beraterin
Tatsächlich wurde Monika Blank als Beraterin eingesetzt. Dem SÜDKURIER liegt eine Rechnung über erbrachte Leistungen vor, die mit einem Stundensatz von 120 Euro abgerechnet wurden – jeweils "gemäß Beauftragung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden" – also durch Oberbürgermeister Andreas Brand. Diese Beratertätigkeit führte Monika Blank auch weiter, als sie bereits offiziell Pressesprecherin der Stadt Friedrichshafen war.
"Hintergrund für die Beauftragung von Monika Blank war die im Vergleich zur Kommunikationsabteilung der Zeppelin GmbH höhere örtliche und sachliche Nähe zu den Beratungsgegenständen am Standort Friedrichshafen. Es wurden rund 1 600 Euro Beratungsleistung in Rechnung gestellt, die Abrechnung erfolgte auf Stundenhonorarbasis nach erbrachter Leistung", so die Auskunft der Stadtverwaltung auf Anfrage des SÜDKURIER.
Knepper äußert rechtliche Bedenken
Jürgen Knepper jedoch machte Oberbürgermeister Andreas Brand zuerst am 24. Juli, danach noch einmal am 11. September 2015 darauf aufmerksam, dass er "Reputationsrisiken bei Bekanntwerden dieses Vertrages" sowie "ein erhebliches Compliance-Risiko" sehe, da mit Blanks Funktion als Pressesprecherin der Stadt "nunmehr eine enge Verflechtung durch die Person der Beraterin zwischen den Ämtern des Oberbürgermeisters und des Aufsichtsratsvorsitzenden" bestehe. Knepper empfahl eindringlich, den Vertrag mit Monika Blank zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen, da er den Vertrag für "nicht gesetzesmäßig" erachtete.
Kneppers Ausführungen zufolge, die in der Rechtsaufsichtsbeschwerde nachzulesen sind, reagierte OB Brand auf seine Bedenken jedoch nicht. "Bedauerlicherweise hat der Aufsichtsratsvorsitzende dies nicht als Chance, sondern als Majestätsbeleidigung wahrgenommen und das Thema nur mehr konfrontativ behandelt." Brand habe mit ihm vielmehr nur noch über die Aufhebung seines Vertrages verhandeln wollen.
Die Stadt Friedrichshafen gibt dazu auf Nachfrage die Auskunft: "Die Compliance-Frage wurde im Auftrag der Zeppelin GmbH im Oktober 2015 umfassend rechtlich geprüft mit dem Ergebnis, dass der Abschluss des Vertrags durch die Gesellschaft rechtlich nicht zu beanstanden ist und damit allen Compliance-Anforderungen entspricht. Im Übrigen wurde die Ausübung einer selbstständigen Nebentätigkeit von Frau Blank bei der Stadtverwaltung angemeldet, es gab keine Einwände."
Kneppers Vertrag wird widerrufen
Schließlich kam es zum Bruch. Die Gesellschafterversammlung der Zeppelin GmbH fasste am 9. Mai 2016 den Beschluss, Jürgen Knepper das Vertrauen zu entziehen. Unterzeichnet wurde dieser von Andreas Brand, Gabriele Freund und Thomas Brandt als Geschäftsführer der Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Aufgrund dieses Gesellschafterbeschlusses entschied der Aufsichtsrat der Zeppelin GmbH am 12. Mai 2016, die Bestellung Jürgen Kneppers mit sofortiger Wirkung zu widerrufen – seinen Vertrag also aufzuheben. Offiziell kommunizierte die Zeppelin GmbH, dass Jürgen Knepper "sein Amt als Geschäftsführer der Zeppelin GmbH beendet" habe. "Wir danken Herrn Knepper für seine verdienstvolle Tätigkeit zum Wohle des Unternehmens und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute", heißt es in einer Pressemitteilung des Unternehmens vom 17. Mai 2015.
Gemeinderat war nicht beteiligt
Der Knackpunkt aber ist, dass Oberbürgermeister Andreas Brand Gesellschafterbeschlüsse nur dann unterzeichnen darf, wenn er dazu die Befugnis des Gemeinderates hat. Im Gesellschaftsvertrag der Zeppelin GmbH heißt es klar: "In den Gesellschafterversammlungen vertritt der Oberbürgermeister die Zeppelin-Stiftung der Stadt Friedrichshafen nach den Weisungen des Gemeinderates oder der von diesem aus seiner Mitte gebildeten Abteilung." Die Frage ist also, ob der Gemeinderat über die Hintergründe der Causa Knepper informiert war.

Auf Nachfrage des SÜDKURIER, ob und wann es einen solchen Gemeinderatsbeschluss gegeben habe, teilt eine Sprecherin der Stadtverwaltung mit: "Die Abberufung von Herrn Knepper und der Entzug des Vertrauens durch die Gesellschafterversammlung sind bereits gerichtlich geprüft worden. Das Landgericht Ravensburg hat ... festgestellt, dass sowohl der Vertrauensentzug als auch die Abberufung rechtswirksam waren und nicht zu beanstanden sind. Diese Fragen sind damit aus unserer Sicht durch eine gerichtliche Entscheidung beantwortet. Weitergehend werden wir zu dem nicht öffentlichen Verfahren der Rechtsaufsichtsbeschwerde nicht Stellung nehmen."
OB Brand droht mit Entlassung
Tatsächlich landete der Fall auch vor dem Landgericht Ravensburg, denn Jürgen Knepper klagte gegen seine Abberufung. In dem Urteil vom 30. August 2018, das dem SÜDKURIER ebenfalls vorliegt, heißt es klar: "Der Gemeinderat war mit dem Vertrauensentzug bzw. der außerordentlichen Abberufung des Klägers als Geschäftsführer ... nicht befasst worden." Zudem heißt es auf Seite 3 des Urteils, dass der Aufsichtsratsvorsitzende dem Kläger gegenüber "eine unmittelbare Entlassung" angedroht habe. Das Landgericht wies Kneppers Klage grundsätzlich ab, weil er einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hatte. Zum umstrittenen Gesellschafterbeschluss aber urteilt Richter Abt: "Die behaupteten Beschlussmängel wären allenfalls im Wege einer Anfechtung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung geltend zu machen." Diese sei aber nicht erfolgt. Jürgen Knepper legte Revision ein. Nun wird sich das Oberlandesgericht in Stuttgart bald mit der Klage befassen, wie Pressesprecher Matthias Merz bestätigte.
Knepper erhält Gehalt bis 2020
Warum der Aufsichtsrat Jürgen Knepper, der seit 1998 bei der Zeppelin GmbH beschäftigt war und dessen Vertrag erst im März 2015 um fünf weitere Jahre bis Ende 2020 verlängert worden war, das Vertrauen entzog, beantwortet die Stadtverwaltung nicht. "Diese Fragen betreffen interne Vorgänge, die der Vertraulichkeit und Verschwiegenheit unterliegen", heißt es aus dem Rathaus. Ebenfalls pikant ist die Tatsache, dass durch die Abberufung Kneppers auch eine finanzielle Belastung für die Zeppelin GmbH entstand. Denn im Aufhebungsvertrag wurde festgelegt, dass Knepper einen Großteil seines Gehalts, das er bis Ende 2020 erhalten hätte, ausgezahlt bekam. In der Rechtsaufsichtsbeschwerde ist von einer Summe in Höhe von 2,5 Millionen Euro die Rede. Der SÜDKURIER bat auch Jürgen Knepper selbst um ein Statement. Der jedoch verwies auf seine Schweigepflicht, an die er vertraglich gebunden sei.

Der Pressesprecher des Regierungspräsidiums Tübingen, Daniel Hahn, vermochte nicht zu beantworten, welche Konsequenzen es geben könnte, sollten die Vorwürfe Kneppers richtig sein. "Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt voraus, dass ein ahndungswürdiges Dienstvergehen – also ein hinreichend gewichtiges Fehlverhalten – vorliegt. Zunächst ist zu prüfen, ob ein solches Fehlverhalten gegeben ist.“
Die Aufsichtsbehörde will in den kommenden Wochen über den Fall entscheiden. Zudem wird das Oberlandesgericht Stuttgart sich ebenfalls noch mit den Vorwürfen zu befassen haben. Auf das Ergebnis beider Verfahren werden wohl sowohl Jürgen Knepper als auch Friedrichshafens Stadtoberhaupt Andreas Brand äußerst gespannt sein.
Viele Mandate
Der Oberbürgermeister der Stadt Friedrichshafen ist Aufsichtsratsvorsitzender bei der Zeppelin GmbH, beim Klinikum Friedrichshafen, bei der Messe Friedrichshafen, bei den Technischen Werken Friedrichshafen und beim Stadtwerk am See. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrates bei der ZF Friedrichshafen, bei der Luftschiffbau Zeppelin und bei Zeppelin Systems.
Zudem hat er den Vorsitz des Stiftungsrates der Zeppelin-Stiftung sowie bei der ZF-Kunststiftung inne und ist Mitglied des Stiftungsrats der Zeppelin-Universität. Bei der Katamaran-Reederei hat er den Vorsitz im Beirat, beim Zweckverband „Gasversorgung Oberschwaben“ (GVO) ist Brand Mitglied im Verwaltungsrat. Bei der Christlichen Hospizstiftung hat er den Vorsitz im Kuratorium.