Wie viele Kinder und Jugendliche wurden im Klinikum Friedrichshafen bisher aufgrund einer Covid-19-Erkrankung behandelt?

Zwischen April 2020 und Mitte Juni 2021 wurden 200 Kinder mit Verdacht auf Covid-19 in die Klinik für Kinder und Jugendliche eingewiesen oder notfällig aufgenommen, darunter waren elf Sars-CoV-2 positive Kinder. Die meisten der positiv getesteten Kinder blieben stabil und benötigten keine aufwendige Erweiterung der üblichen symptomorientierten Therapie. In der Gesamtschau musste kein Kind mit Nachweis von Sars-CoV-2 auf der Intensivstation der Kinderklinik behandelt werden.

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Gab es Fälle von Pims, also dem Pädiatrisches Inflammatorische Multiorgan-Syndrom, als Spätfolge einer Corona-Infektion?

Wir haben während der Pandemie bei vier Kindern die Diagnose Kawasaki-Syndrom (KS) gestellt. Davon ein klassisches KS und drei inkomplette KS. Zur Erklärung: Es gibt eine Schnittmenge zwischen den klinischen Kriterien eines Kawasaki-Syndroms und einem Pims (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome). Beides sind Krankheitsbilder mit Einbezug mehrerer Organsysteme, die mit einer ausgeprägten Entzündungsreaktion einhergehen. Während das Kawaski-Syndrom schon länger bekannt ist und es gewachsene diagnostische und therapeutische Algorithmen gibt, ist man bei Pims noch in der Phase, ein genaues Verständnis für die die Krankheit verursachenden Prozesse zu entwickeln. Dadurch ergibt sich, dass man bei Verdacht auf eines der beiden Krankheitsbilder, das jeweils andere mitevaluieren muss.

Wir haben also vier Kinder mit klinischen Aspekten eines Kawasaki-Syndroms gehabt. Alle vier ohne sicheren Nachweis von Sars-CoV-2. Bei einem dieser Kinder steht nach wie vor die Differentialdiagnose „mildes PIMS“ trotz negativer Abstriche und Serologien auf Sars-CoV-2 zur Diskussion. Bei den anderen drei Kindern war keine Corona-Infektion ursächlich für das Kawaski-Syndrom. Drei dieser vier Kinder waren sehr krank, unter der eingeleiteten Therapie aber ganz schnell stabil, sodass eine intensivmedizinische Betreuung nicht notwendig war.

Beobachten die Kinderärzte am Medizin Campus Fälle von Long Covid bei Kindern und Jugendlichen?

Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) hat auf ihrer Homepage eine Survey geschaltet, um Langzeitfolgen nach einer Covid-19 Erkrankung systematisch abzubilden. Im Kindes- und Jugendalter sind nach bisherigen Einschätzungen deutlich weniger Patienten als in der Gruppe der betroffenen Erwachsenen betroffen. Mit der Fragestellung Long Covid hat sich tatsächlich bisher noch niemand in der Klinik für Kinder und Jugendliche des Klinikums Friedrichshafen stationär vorgestellt.

Stiko-Chef Thomas Mertens sagt, dass es Long Covid bei Kindern praktisch nicht gibt.

Es wird sicher nicht leicht werden, bei recht unspezifischen Symptomen die genaue ursächliche Zuordnung zu finden. Man bedenke in diesem Kontext auch Folgendes: Im Lockdown wurde der Gruppe der Kinder und Jugendlichen die für sie gewohnte und abwechslungsreiche Schul- und Freizeitstruktur genommen. Auch solch ein Eingriff in das Leben der Heranwachsenden kann sich auf unterschiedlichste Art und Weise psychisch und somatisch äußern.

Gab es denn in Friedrichshafen Kinder, die aufgenommen werden mussten, weil die Eltern krank waren?

Es wurden drei Geschwisterkinder aus der Quarantäne stationär aufgenommen, da beide Elternteile vorübergehend auf der Corona-Station im Hause bei einer Covid-19 Erkrankung stationär behandelt wurden. Die drei Kinder hatten ein positives PCR-Testergebnis, waren aber asymptomatisch.

Gab es Schwangere und Neugeborene mit einer Sars-CoV-2-Infektion?

Zwischen April 2020 und Mitte Juni 2021 wurden insgesamt 15 SARS-CoV-2 positive Schwangere im Hause entbunden und lagen zusammen mit ihren Neugeborenen in der Kinderklinik; alle Kinder blieben symptomfrei und hatten im Verlauf negative Abstriche.

Und wie entwickelten sich die stationären Fälle insgesamt während der Pandemie?

Während der „ersten Corona-Welle“ ging die Zahl der stationären Fälle in der Kinderklinik zurück, ebenso die Zahl der dort stationär behandelten Infekte. Im Herbst 2020 nahm die Zahl der Infekte zu, die Belegung der Klinik blieb aber unter der sonst üblichen saisonalen Belegung.

Impfen Sie eigentlich Kinder und Jugendliche auch am Klinikum gegen Corona?

Wir impfen im Klinikum Friedrichshafen keine Kinder gegen Sars-CoV-2, dies ist aktuell eine den niedergelassenen Kollegen zugeordnete Aufgabe. Bei der Indikationsstellung werden wir hingegen öfter involviert und diskutieren diese mit Eltern und Kollegen. Die Impfempfehlungen sprechen wir dann gegebenenfalls gemäß der durch die Stiko und den unterschiedlichen Fachgesellschaften festgelegten Empfehlungsstruktur aus.

Und wie beurteilen Sie die aktuelle Stiko-Empfehlung, nur gefährdete Kinder und Jugendliche zu impfen?

Die Stiko geht erfreulich vorsichtig mit der Freigabe der Impfungen für Kinder und Jugendliche unter 17 Jahre um. Letztlich sollte die Patientengruppe, die am wenigsten betroffen von einer schweren Covid-19 Erkrankung ist, also vermutlich den geringsten individuellen Nutzen haben könnte, das Recht auf eine adäquate wissenschaftliche Aufarbeitung haben. Die Berücksichtigung von Risikogruppen bei der Indizierung der Impfung erscheint aktuell ebenso schlüssig, wie die Zurückhaltung bei den gesunden Kindern zwischen zwölf und 17 Jahren.