Elsa Hammer war Berichten zufolge warmherzig, freundlich und höflich, trug Hosen und spielte Tennis. Mit ihrem Mann Karl lebte sie in einem Haus mit Garten an der Zeppelinstraße. Doch nach dem Tod Karl Hammers verlor die Jüdin den Schutz der sogenannten „privilegierten Mischehe“. Sie wurde deportiert und starb vermutlich am 24. September 1943 in Auschwitz.
Noch heute erinnert ein Stolperstein, eine im Boden vor ihrem einstigen Haus eingelassene Gedenktafel, an das Schicksal von Elsa Hammer. Seit dem Jahr 2013 lesen Passanten auf dem messingfarbenen Element: „Hier wohnte Elsa Hammer, geb. Fellheimer, JG 1844. Deportiert 1943, Auschwitz. Ermordet 24.9.1943.“ Edgar Thelen, der Vorsitzende des Geschichtsvereins Fischbach, hatte Elsa Hammers Geschichte für die Verlegung des Stolpersteins recherchiert. Nun hat ein weiterer Geschichtsforscher Ähnliches vor.

Es gab weitere Opfer
Thomas Kliebenschedel ist an die Zeppelinstraße 275 gekommen, um Elsa Hammers Stolperstein zu besuchen. „In Friedrichshafen gab nach aktuellem Kenntnisstand nicht viele weitere Juden“, so Kliebenschedel. „Doch das bedeutet nicht, dass es keine weiteren Opfer des Nationalsozialismus gab.“ Bei seinen Recherchen ist er auf den Maschinenarbeiter Alfons Schmidberger gestoßen. „Er wurde 1916 in Friedrichshafen geboren. 1939 deportierte ihn die Polizei ins KZ Dachau.“ Der Grund: Schmidberger war homosexuell.
Diffamiert nach Paragraf 175
„Ich habe seinen Namen auf einer Schreibstubenkarte des KZ Dachau entdeckt“, berichtet Kliebenschedel. Das Dokument enthält jeweils persönliche Daten von Gefangenen. Bei Alfons Schmidberger wurde Paragraph 175 vermerkt. Laut der Deutschen Antidiskiminierungsstelle wurde das Gesetz im Deutschen Kaiserreich 1871 eingeführt und stellte „widernatürliche Unzucht“ zwischen Männern unter Strafe. Kliebenschedel hat noch weitere Dokumente gefunden, etwa das Effektenverzeichnis. Darin aufgelistet ist die Kleidung, die Alfons Schmidberger bei seiner Verhaftung am Leib hatte: Ein Rock, eine Hose, ein Hemd, ein Paar Socken, ein Paar Schuhe.
Weitere Informationen über den Häfler Schmidberger sind auf der Internetseite „Der Liebe wegen“ dokumentiert. Das Projekt wird unter anderem von der Landeszentrale für politische Bildung gefördert. Der Aktivist und Forscher Rainer Hoffschildt schreibt über Schmidbergers Geschichte: „Am 24. März 1939 transportierte die Polizei den 23-Jährigen in das KZ Dachau, wo man ihn zur Nummer 32.800 machte und ihn in die Gruppe der homosexuellen ‚Schutzhäftlinge‘ einstufte. Von da aus überführte man ihn am 27. September 1939 in das KZ Mauthausen.“
Tod mit 30 Jahren
Weiter schreibt Hoffschildt: „Ob er nun irgendwann aus der KZ-Haft entlassen wurde oder direkt aus der Haft in ein Bewährungsbataillon kam, ist nicht bekannt.“ Klar sei: Kurz vor Kriegsende wurde er noch Soldat und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Er verstarb im Juni 1946 im Gefangenenlager I in Friedrichsthal bei Tapiau in Ostpreußen. Er war gerade mal 30 Jahre alt. Sein Grab liegt im Ort Soldatowo in Russland.
Auch das Stadtarchiv Friedrichshafen bestätigt, dass es Alfons Schmidberger gegeben hat. Es gibt eine Geburtsurkunde von ihm. Nun will Thomas Kliebenschedel mehr über das Opfer der NS-Herrschaft herausfinden und sich dafür einsetzen, dass er seinen Stolperstein bekommt. „Wer etwas über sein Schicksal weiß, vielleicht Verwandte, kann sich sehr gerne an mich wenden.“ Kliebenschedels E-Mail-Adresse: T.Kliebenschedel@freenet.de. Schmidbergers letzte Wohnadresse in Friedrichshafen war laut Schreibstubenkarte die Allmandstraße 42a. Irgendwo dort würde der Stein installiert.

Weitere Namen tauchen auf
Auch weitere Namen hat Thomas Kliebenschiedel im Eingangsbuch des KZ Dachau entdeckt. Allein zwischen Juli 1937 und Juni 1938 finden sich fünf Personen, die in Friedrichshafen gewohnt haben. Von vier hat er auch die sogenannten Schreibstubenkarten, die persönliche Daten enthalten, entdeckt: Hans Kurth, Kaufmann, letzte Wohnadresse war die Paulinenstraße 55. Johann Leidig, Maschinenschlosser, keine Adresse. Konrad Lechleiter, Fotograf, letzte Wohnadresse Hühnestraße 6. Josef Öhler, Taglöhner, letzte Wohnadresse war die Eugenstraße 3a. „Und gibt mit Sicherheit noch viele mehr“, sagt Thomas Kliebenschedel.