Die Sonne scheint am Mittwochmorgen wieder im idyllischen Häfler Hinterland von Ettenkirch. Obstplantagen und Felder wechseln sich ab, zwischendurch ein paar Häuser und Höfe. Bis zum Hof von Karl Wielath (Appenweiler 1) weist nichts auf die Katastrophe hin, die sich hier am Dienstag beinahe ereignet hat.

Ab Wielaths Hof ist die Straße gesperrt, schwere Fahrzeuge des Technischen Hilfswerks (THW) stehen in der Einfahrt. Der Obstbauer und seine Frau konnten auf dem Hof bleiben. „Aber da unten wurden alle evakuiert“, ruft Wielath und zeigt auf die Häuser in Appenweiler, unterhalb des Weihers.
Sieben Anwohner, die unterhalb des Damms leben, wurden von der Polizei evakuiert. Unter ihnen ist laut Stadt auch eine bettlägrige Frau, die nun in einem Pflegeheim untergekommen ist. Gegen 17 Uhr durften die Anwohner am Mittwoch wieder zurück in ihre Häuser.

Im Wettlauf gegen die Wassermassen
Wenige Stunden zuvor sah die Welt in Appenweiler noch ganz anders aus: Am Dienstagmittag drohte der fünf Meter hohe, 150 Meter lange Damm des künstlich angelegten Appenweiler Weihers zu brechen und Teile des kleinen Ortes zu überfluten. Durch ein Loch im Damm, das laut Stadtverwaltung am Dienstagnachmittag bereits einen Durchmesser von einem halben Meter hatte, schossen Wassermaßen den Abhang herunter.

„Vor Ort haben wir schnell festgestellt, dass eine Reparatur des Damms unmöglich ist“, erklärt Tilman Kastner, Technischer Berater Hochwasserschutz und Deichverteidigung beim THW Friedrichshafen. Das Ziel: Der Pegel des Weihers musste massiv gesenkt werden, um den Druck auf den Damm zu mindern. Und das, während es immer weiter regnete und regnete.
Mit Hilfe einer Hochleistungspumpe, einem Sondergerät des Landes Baden-Württemberg, das von der Feuerwehr Konstanz noch nachts über den See gebracht wurde, weiteren Pumpen und dutzenden Schläuchen wurde literweise Wasser aus dem Weiher in den nahegelegenen Mühlbach gepumpt. Bis zu 45.000 Liter pro Minute seien in Spitzenzeiten aus dem Weiher geflossen, meldet die Stadtverwaltung am Mittwoch in einer Pressemitteilung. Laut Kastner waren nachts bis zu 46 THW-Helfer unterschiedlicher Ortsgruppen im Einsatz, hinzu kamen Kräfte der Feuerwehr und Polizei.
Am Mittwochmorgen dann Entwarnung
„Um 8 Uhr lag der Pegel unterhalb der Leckage, es floss kein Wasser mehr durch die Öffnung und sie ist auch nicht größer geworden“, berichtet Einsatzleiter Kastner. Bis mindestens Donnerstag will das THW noch mit den Pumpen vor Ort bleiben, um den Pegel weiter zu senken. „Solange es nicht mehr regnet, sieht es gut aus“, sagt Kastner. Im Weiher sei ein Ablauf eingebaut, mit dem sich der Wasserstand eigentlich selbst regulieren soll.

Mit der Entwarnung kommen die Fragen
Doch mit der Entwarnung kommen auch die Fragen: Wie konnte das passieren? Gab es regelmäßige behördliche Kontrollen des Damms? „Schon als ich ein kleiner Schuljunge war, standen hier die Kühe oft knöcheltief im Wasser“, erinnert sich Landwirt Karl Wielath, „aber bis vor ein paar Jahren lebte in der Mühle ein Müller, der sich bei Starkregen und der Schneeschmelze um den Weiher kümmerte.“ Der Mann habe immer wieder manuell Wasser abgelassen und auch Betonmauern um den Weiher gebaut.
„Niemand kümmert sich um den Weiher“
„Seit er tot ist, kümmert sich keiner“, sagt Wielath und erzählt von den Bibern, die sich vor ein paar Jahren hier oben ausgebreitet hätten. Seine Obstbäume hätten die Tiere bereits angenagt, mittlerweile habe er die Stämme mit Draht geschützt. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Stadt und des Landkreises heißt es tatsächlich: „Die Ursache für den Schaden im Damm muss noch geklärt werden, die Experten vermuten einen Biberbau.“

Für Karl Wielath ist das Maß jetzt voll: „Bei all dem Natur- und Umweltschutz fragen wir uns schon, warum man hier alles dem Zufall überlässt und wir unseren Boden und die Bäume zum Nulltarif opfern.“ Seine Wut richtet sich gegen die Stadt, den Landkreis, die Behörden, wie er sagt. „Man kann doch nicht zuschauen und uns mit den Schäden, die diese Biber verursachen allein lassen!“, meint er.
Das sagen die Behörden
Wer ist eigentlich für diesen Weiher zuständig? Die Stadtverwaltung verweist zunächst auf den Landkreis, denn die Gewässeraufsicht liege beim Amt für Wasser-und Bodenschutz. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Stadt und des Landkreises heißt es: „Der Weiher ist in Privatbesitz, der Schaden wurde durch den Eigentümer gemeldet.“
Fakt ist: Das Thema Hochwassermanagement liegt bei der Stadt Friedrichshafen, der Landkreis ist für das Wasserbauwerk an sich zuständig. „Bislang gab es keine Auffälligkeiten bei dem Damm, es gab es auch regelmäßige Kontrollen vom Landratsamt“, betont Landkreissprecher Robert Schwarz. Ein behördliches Versäumnis könne er nicht erkennen. Letztlich obliege die Sicherungspflicht beim Eigentümer, der auch haftbar sei. Der wiederum habe in diesem konkreten Fall einen Verwalter eingesetzt, der sich nach den wasserrechtlichen Vorgaben um den Weiher und seinen Damm kümmere. Auch der Fischereiverein sei dort involviert, so Schwarz.
Wird der Biber jetzt vergrämt?
„Dieser akute Vorfall gibt uns Anlass, den Appenweiler Weiher und seinen Damm nochmal genau anzuschauen“, betont Schwarz. Der Biberbeauftragte des Landkreises sei bereits involviert. Gemeinsam mit den Fachleuten der Stadtverwaltung gebe es jetzt Gespräche über weitere Sicherungsmaßnahmen. Auch eine mögliche Vergrämung des Biber schließt Schwarz nicht aus: „Eigentlich ist der Biber geschützt, aber wenn es eine akute Gefährdung gibt, können mit dem Regierungspräsidium Ausnahmeregelungen getroffen werden.“