Vier Polizisten sitzen vor dem Sitzungssaal 3 im Untergeschoss des Verwaltungsgerichtshofs (VGH). Gefahr ist nicht im Verzug: In dem kleinen Raum gibt es mehr Rechtsanwälte als Zuschauer. Für die meisten am Verfahren Beteiligten war es ein Wiedersehen vor höherer Instanz. Vor zwei Jahren hatten Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin und sein Sohn Frederic beim Verwaltungsgericht Sigmaringen im zentralen Rechtsstreit gegen das Land Baden-Württemberg die erste Niederlage einstecken müssen.

Urenkel und Ururenkel des Stiftungsgründers Ferdinand Graf von Zeppelin geht es darum, die 1947 per Rechtsanordnung des Landes aufgelöste Zeppelin-Stiftung wieder aufleben zu lassen. Seither gehört das inzwischen milliardenschwere Vermögen der Stadt Friedrichshafen. Doch die Richter in Sigmaringen urteilten, er habe keine Klagebefugnis.

Auch juristisch „kein herkömmlicher Fall“

Genau darum geht es an diesem Donnerstagmorgen ab 9 Uhr im Sitzungssaal 3 unter dem Vorsitz des VGH-Präsidenten Volker Ellenberger. Zweieinhalb Stunden diskutieren Richter und Anwälte. Für Laien ist das schwere Kost, aber auch juristisch „kein herkömmlicher Fall“, wie Rechtsanwalt Stephan Schauhoff zugab. „Das ist ein Musterverfahren, mit dem wir Neuland betreten.“ Wer kann, wer darf den Schutzauftrag des Staates für eine Stiftung vor Gericht geltend machen?

Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin (Zweiter von links) und seine Anwälte Stephan Schauhoff, Wolfgang Roth und Christian Kirchhain ...
Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin (Zweiter von links) und seine Anwälte Stephan Schauhoff, Wolfgang Roth und Christian Kirchhain (von links) wollen es vor dem Verwaltungsgerichtshof im Stiftungsstreit wissen. | Bild: Cuko, Katy

Der ausgewiesene Stiftungsexperte Stephan Schauhoff vertritt als einer von drei Anwälten die Kläger. Für den Grafen besteht die Zeppelin-Stiftung nach wie vor, weil sie damals zu Unrecht aufgelöst worden sei. Seither gibt es aber auch keinen Vorstand oder Aufsichtsrat mehr, der dagegen hätte vorgehen könnte. Deshalb müsse man den Nachfahren des legendären Luftschiffpioniers dieses Recht einräumen, so der Kläger. Noch dazu, weil der Stifter einst verfügt hat, dass zwei Familienmitglieder immer im Aufsichtsrat sitzen sollen. Fakt ist aber: Hier gibt es eine „Rechtslücke“, so Schauhoff. Klagen darf nur, wer sich in den eigenen Rechten verletzt sieht. Eine Stiftung gehört sich selbst. Damit gebe es derzeit keine Möglichkeit, staatliche Eingriffe wie im vorliegenden Fall durch Gerichte überprüfen zu lassen.

Was ist eine Stiftung?

Stiftungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein bestimmtes Vermögen einem vom Stifter bestimmten Zweck auf Dauer widmen. Da sie keine Eigentümer oder Mitglieder haben, stehen Stiftungen unter dem besonderen Schutz des Staates. Der Staat hat die Aufgabe, für den Erhalt der Stiftung zu sorgen und zu beaufsichtigen, dass die Organe der Stiftung gemäß der Stiftungssatzung handeln.

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Das Verwaltungsgericht tat sich in der Sache erkennbar schwer, diesen Argumenten zu folgen. Dass der Senat die Klagebefugnis der Stiftern-Nachfahren infrage stellt, war für Rechtsanwalt Christoph Schönberger angesichts der Rechtslage „im Grund erwartbar“. Alles andere wäre „eine große Überraschung gewesen“. Er vertritt die Stadt Friedrichshafen, die in dem Verfahren beigeladen ist. „Selbst wenn die Stiftung noch existieren würde, wäre dieser Kläger nicht klagebefugt“, sagte er im Nachgang der Verhandlung. Dem pflichtete Nikolaos Tokas bei, der als Oberregierungsrat beim Regierungspräsidium Tübingen das Land vertritt. Beim Stiftungsrecht gehe es um öffentliches Interesse. Da gebe es „kein Recht des Einzelnen“.

„Wir müssen zuschauen, wie das Milliarden-Vermögen entgegen dem Stifterwillen für die städtische Daseinsvorsorge in Friedrichshafen verwendet wird.“
Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin
Am Donnerstag verhandelte der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim unter dem Vorsitz seines Präsidenten Volker Ellenberger ...
Am Donnerstag verhandelte der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim unter dem Vorsitz seines Präsidenten Volker Ellenberger (Mitte) die Klagebefugnis im Stiftungsstreit. Links Richter Matthias Hettich und Berichterstatter Axer (rechts). | Bild: Cuko, Katy

Dabei traten auch Fragen in den Hintergrund, die dem Kläger nicht weniger wichtig sind. Er wolle nicht nur „Rechtssicherheit für Stifter und Stiftungen“ in Deutschland, erklärte Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin: „Wir müssen zuschauen, wie das Milliarden-Vermögen entgegen dem Stifterwillen für die städtische Daseinsvorsorge in Friedrichshafen verwendet wird.“ Und das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde dulde diese Zweckentfremdung stillschweigend. Er wolle mit den Stiftungsgeldern ein Förder-Cluster aufbauen, um wie sein Urgroßvater wieder in die Luftfahrt-Forschung zu investieren. So lautet einer seiner (Hilfs-)Anträge bei Gericht, heute einen Liquidator der „alten“ Zeppelin-Stiftung einzusetzen, um mit der Stadt einen Vertrag zu verhandeln, wofür die Erträge der Stiftung zu verwenden sind.

Ans Aufgeben denkt der Graf nach wie vor nicht

Der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshof Mannheim will am Donnerstag den Tenor seiner Entscheidung bekannt geben. Das Urteil wird erst in einigen Wochen erwartet. Falls der VGH die Klage abweise, werde er die Revision prüfen, kündigte Albrecht von Brandenstein-Zeppelin bereits an. Dann gäbe es unter Umständen ein Wiedersehen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Ans Aufgeben jedenfalls denkt der Graf nach wie vor nicht.

Sehen dem VGH-Urteil im Sinne der Stadt Friedrichshafen erwartungsfroh entgegen: Christoph Schönberger, Professor für öffentliches Recht ...
Sehen dem VGH-Urteil im Sinne der Stadt Friedrichshafen erwartungsfroh entgegen: Christoph Schönberger, Professor für öffentliches Recht an der Universität zu Köln, Monika Blank, Sprecherin der Stadt Friedrichshafen, Nikolaos Tokas vom RP Tübingen und Rechtsanwalt Andreas Dietzel (von links). | Bild: Cuko, Katy