Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass ein erster Teilabschnitt der B31-neu bei Friedrichshafen offiziell für den Verkehr freigegeben wurde. Mit dem zweiten Teilabschnitt einschließlich neuem Tunnel bei Waggershausen soll das ab 24. August ebenfalls der Fall sein.

„Meine ältere Schwester fuhr in den 1950er-Jahren mit dem Dreirad auf der Bundesstraße.“
Berthold Sterk, Fischbacher Runde

Wie sind die Verkehrsentwicklungen entlang der Fischbacher Ortsdurchfahrt seit der ersten Teilfreigabe der B31-neu? Berthold Sterk, zweiter Sprecher der Fischbacher Runde, wohnt in einer Parallelstraße zur Ortsdurchfahrt/B31. Er holt etwas aus: „Meine ältere Schwester fuhr in den 1950er-Jahren mit dem Dreirad auf der Bundesstraße.“

Rund 400 Maut-Flüchtlinge pro Tag

Seither habe der Verkehr unablässig zugenommen. „Als die Schweiz die Begrenzung von 38 Tonnen einführte, gab es hier schlagartig mehr Schwerlastverkehr. Eine „zweite Zunahmewelle“ der Verkehrbelastung habe es nach der Einführung der Maut gegeben, berichtet Sterk. „Es gibt Statistiken, laut denen es rund 400 Maut-Flüchtlinge pro Tag sind.“

Lastwagen donnerten des Nachts mit 80 Sachen durch den Ort

Fischbacher beschwerten sich wegen des nächtlichen Lärms durch Schwerlastverkehr. Teils seien die Brummifahrer mit 80 Stundenkilometern durch die Ortschaft gedonnert. „Da haben die Gläser im Schrank gewackelt“, erzählt Sterk. Ja, die Tempo-30-Regelung von 22 bis 6 Uhr sei schon hilfreich.

„Bei der ersten Corona-Welle ging der Verkehr sehr stark zurück. Da bekam man einen Vorgeschmack darauf, wie es mal auf der Fischbacher Ortsdurchfahrt sein soll.“
Berthold Sterk, Fischbacher Runde

Und wie bewertet Sterk den Pandemie-Effekt? „Bei der ersten Corona-Welle ging der Verkehr sehr stark zurück. Da bekam man einen Vorgeschmack darauf, wie es mal auf der Fischbacher Ortsdurchfahrt sein soll.“

Nach Teilfreigabe der B31-neu weniger Autoverkehr Richtung Friedrichshafen

Die Freigabe eines ersten Abschnitts der B31-neu hat sich nach Sterks Auffassung etwas positiv ausgewirkt. „Der Autoverkehr in Richtung Friedrichshafen ist schon weniger geworden. Aber der Schwerlastverkehr ist nach wie vor hoch.“ Und nun während der Schulsommerferien habe der Autoverkehr wieder zugenommen, weil Gäste und Touristen den Bodensee sehen wollen, lautet Sterks Einschätzung.

Wegen Pandemie keine Spitzenbelastungen durch Messe-Verkehr

Sterk führt die Verkehrsbelastungen teils auch auf die Navigationsgeräte zurück. Es würden sozusagen zwei Bundesstraßen geführt: die B31/Ortsdurchfahrt in Fischbach und die B31-neu. Zumeist werde die kürzere Strecke gewählt, also die Route durch die Ortschaft. Die Lockdowns wegen der Pandemie haben sich laut Sterk auch auf den Messe-Verkehr ausgewirkt. Diese Spitzenbelastungen seien weggefallen. Bekanntlich war vor Corona der Verkehr beispielsweise während der Messe Tuning World Bodensee extrem hoch.

Ortsdurchfahrt wird Status als Bundesstraße verlieren

Der zweite Sprecher der Fischbacher Runde hat eine gute Nachricht. Der Status der Ortsdurchfahrt als Bundesstraße werde aufgehoben. „Das ist genehmigt und durch.“ Diese Statusänderung sei Voraussetzung für den Rückbau der Ortsdurchfahrt.

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Bekanntlich soll es entlang der B31 in Fischbach Umgestaltungen geben, um in der Ortschaft die Aufenthaltsqualität zu steigern. „Es gibt aber die Vorgabe, dass die Ortsdurchfahrt künftig bei Sperrungen wegen Unfällen oder wegen Bauarbeiten als Umleitung, als Ausweichstrecke genutzt werden kann. Ähnlich wie bei Kressbronn“, erklärt Stark. Für den überörtlichen Durchgangsverkehr werde die Fischbacher Ortsdurchfahrt im Alltag durch diesen Rückbau uninteressant. „Laut Prognosen soll die B31-neu rund 50 Prozent des Gesamtverkehrs aufnehmen“, so Sterk. Worauf man in Fischbach große Hoffnungen setze. Wichtig ist laut Sterk, dass der überörtliche Durchgangsverkehr raus aus Fischbach kommt.

Ein ganzes Leben an der Bundesstraße

Roland Stärr lebt nach eigenem Bekunden von Geburt an seit 1952 an der Ortsdurchfahrt. „Als Kinder haben wir die Autos gezählt, aber damals war ja kaum was los“, erzählt der Seniorchef der Fischbacher Gartenwirtschaft „Zum Schorsch“. Seiner Wahrnehmung nach hat sich in rund einem Jahr Teilfreigabe der B31-neu nicht allzu viel in Sachen Verkehrsentlastung bewegt. „Immer noch mindestens 80 Prozent der Autofahrer bleiben auf der Ortsdurchfahrt, weil sie nach Friedrichshafen rein wollen“, lautet Stärrs Einschätzung. Die B31-neu zu nutzen bringe ja auch keine Zeitersparnis. „Und wenn jemand von Friedrichshafen nach Immenstaad will, fährt er dort auch nicht.“

Ebenfalls um 11.06 Uhr auf der B31 in Fischbach. Wer von Friedrichshafen Richtung Immenstaad möchte, wird derzeit eher nicht den Umweg ...
Ebenfalls um 11.06 Uhr auf der B31 in Fischbach. Wer von Friedrichshafen Richtung Immenstaad möchte, wird derzeit eher nicht den Umweg über den ersten freigegebenen Abschnitt der B31-neu wählen. | Bild: Ganter, Toni

Immer mal wieder gebe es lange Rückstaus. Das hängt nach Roland Stärrs Ansicht mit der Ampelregelung bei der B31-neu zusammen. „Autos und Lastwagen stehen teilweise bis in die Fischbacher Ortsmitte“, sagt er. Seine Frau Christine ergänzt: „Man dachte schon, da sei ein Unfall passiert, dabei war Stau.“ Beim Schwerlastverkehr könne er keinerlei Verbesserung feststellen, sagt Roland Stärr. Die Brummifahrer könnten die B31-neu eh nicht nutzen, bevor das zweite Teilstück für den Verkehr freigegeben werde. „Ich habe schon die Hoffnung, dass der überregionale Schwerlastverkehr dann aus der Ortdurchfahrt verschwindet. Der Lieferverkehr wird uns bleiben.“

Es gibt Schwerlastverkehr, der nicht sein dürfte

Anita Schraff, Sprecherin der Bürgerinitiative B31-neu Sparbruck-Waggershausen-Jettenhausen, wohnt bei der B-31-neu-Anschlussstelle, die zwischen Schnetzenhausen und Sparbruck gelegen ist. Die Bürgerinitiative sprach sich vehement gegen eine Teilfreigabe der B31-neu aus, weil Verkehrs- und Lärmbelastungen befürchtet wurden. Was sich offenbar bewahrheitete, wie Schraff im Oktober vergangenen Jahres berichtete.

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Szene am 19. Oktober 2020 um 16.28 Uhr: Verkehr durch Sparbruck in Richtung Schetzenhausen. Im Hintergrund der Kreisverkehr bei der ...
Szene am 19. Oktober 2020 um 16.28 Uhr: Verkehr durch Sparbruck in Richtung Schetzenhausen. Im Hintergrund der Kreisverkehr bei der Anschlussstelle eines bereits freigegebenen Abschnitts der B31-neu. | Bild: Schraff, Anita

Und wie ist es inzwischen? „Ich habe heute Morgen von 8.30 bis 9.30 Uhr eine Strichliste gemacht. 30 Fahrzeuge beim Schwerlastverkehr“, berichtet Schraff am Donnerstag, 5. August.

Das Verkehrsaufkommen bei Sparbruck am 9. Juli 2020 um 17.19 Uhr.
Das Verkehrsaufkommen bei Sparbruck am 9. Juli 2020 um 17.19 Uhr. | Bild: Schraff, Anita

Die Bürgerinitiative ist keineswegs einverstanden mit der herrschenden Situation. „Im letzten Winterhalbjahr war es nur Corona geschuldet, dass aufgrund von Kurzarbeit und Homeoffice weniger Verkehr unterwegs war. Die Befürchtungen sind eingetroffen. Es hat nun ein Jahr gedauert bis zur vollständigen Freigabe der B31-neu, nicht nur ein halbes Jahr, wie es hieß.“

Wenn der Verkehr in Sparbruck so gar nicht nachlassen will, wird notfalls auch mal der Drücker der Fußgängerampel betätigt, um vom ...
Wenn der Verkehr in Sparbruck so gar nicht nachlassen will, wird notfalls auch mal der Drücker der Fußgängerampel betätigt, um vom Privatgrundstück auf die Straße fahren zu können. | Bild: Ganter, Toni

Laut Bürgerinitiative sind wieder täglich viele Lastwagen unterwegs, was angesichts des Verbots von Fahrzeugen schwerer als 7,5 Tonnen – abgesehen vom notwendigen Lieferverkehr – nicht sein dürfe. Sowohl im Regional- als auch im Transitverkehr in östliche und westliche Fahrtrichtung über die Landesstraße 328b von oder zur B31-neu. „Auch der Urlaubsverkehr ist enorm, darunter viele Caravans, dann noch der Berufsverkehr ab vier Uhr morgens, viele sind mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs“, berichtet Schraff.

„Seit der Teilöffnung waren Sparbruck und die L 328b oft Umleitungsstrecke, also noch mehr Verkehr!“
Anita Schraff, Bürgerinitiative B31-neu Sparbruck

„Seit der Teilöffnung waren Sparbruck und die L328b oft Umleitungsstrecke, also noch mehr Verkehr!“, erzählt Schraff von den Belastungen der Sparbrucker. „Oft ist die Aus- oder Einfahrt von oder zum Grundstück extrem erschwert. Es gibt lange Wartezeiten. Teilweise muss die Bedarfsampel als Notlösung genutzt werden, um rauszukommen.“ Obwohl von der Stadt zugesagt, so die Bürgerinitiative, gebe es „gefühlt keine Kontrollen“ wegen des Schwerlastverkehrs. „Das Verbotsschild für Lastwagen scheint nur zur Beruhigung von uns Anwohnern zu sein und vom angekündigten Monitoring haben wir nichts mehr gehört.“ Man frage sich in der Bürgerinitiative, ob die Bürgerbeteiligung nur eine Feigenblattaktion war.

Also einfach mal eine Probe aufs Exempel. Sparbruck, am Donnerstag, 5. August um 17 Uhr. Den Verkehr von zehn Minuten gibt‘s in Zeitraffer in einundvierzig Sekunden zu sehen. Da erahnt man, was momentan innerhalb von 24 Stunden unterwegs sein kann.

10 Minuten Verkehr in 41 Sekunden Video: Ganter, Toni

Ob die komplette Verkehrsfreigabe der B31-neu die angekündigte Entlastung bringt? Das wird laut Bürgerinitiative von den Anwohnern in Sparbruck, Waggershausen und Jettenhausen bezweifelt. Sie befürchten nach wie vor, dass viele Autos und womöglich auch Lastwagen die Abfahrt nehmen, wegen Staus vor dem Tunnel bei Waggershausen.

Am 8. August 2021 um 16.59 Uhr: Ein Sattelzug zwischen Schnetzenhausen und Sparbruck im Kreisverkehr bei der Anschlussstelle zur ...
Am 8. August 2021 um 16.59 Uhr: Ein Sattelzug zwischen Schnetzenhausen und Sparbruck im Kreisverkehr bei der Anschlussstelle zur teilweise freigegebenen B31-neu. | Bild: Ganter, Toni

Markus Werner, Mitglied der Bürgerinitiative und Anwohner des Fuchswegs in Waggershausen, berichtet in seinem Umfeld von sehr ähnlichen Eindrücken wie Anita Schraff in Sparbruck. „Direkt nach der ersten Teilfreigabe der B31-neu war der Verkehr zunächst nur wenig gesteigert. Leider hat es nicht sehr lange gedauert, bis sich die neue Route ‚herumgesprochen‘ hat.“ Sorge bereiten ihm und Nachbarn, dass auf der Waggershauser Straße im Bereich Sonnenbergstraße und Fuchsweg, die Kurve dort geschnitten und der Fahrradschutzstreifen von Auto- und Lastwagenfahrern komplett genutzt werde. „Radler fahren aus Angst auf dem Gehweg“, sagt Markus Werner.

Laut Bürgerinitiative B31-neu Sparbruck-Waggershausen-Jettenhausen und dortigen Anwohnern keine Seltenheit. In diesem Kurvenbereich der ...
Laut Bürgerinitiative B31-neu Sparbruck-Waggershausen-Jettenhausen und dortigen Anwohnern keine Seltenheit. In diesem Kurvenbereich der Waggershauser Straße wird gerade ein Radler überholt, der auf dem Radschutzstreifen unterwegs ist. Immer wieder gebe es dort gefährliche Situationen. | Bild: Ganter, Toni

Laut Bürgerinitiative wird es in den nächsten Jahren starken Baustellenverkehr wegen neuer Baugebiete in Jettenhausen und Fallenbrunnen geben. Folglich lautet eine Forderung: „Wir erwarten ein ausgewogenes Verkehrsleitsystem für diesen künftigen Baustellenverkehr – also Entzerrung und Ausgleichsmaßnahmen.“ Das Friedrichshafener Stadtgebiet werde zunehmend verkehrsberuhigt, der Verkehr nach außen verlagert, so die Bürgerinitiative.

Kurzum: „Wir erwarten Schutz vor Lärm, Schmutz und Schadstoffen“, erklärt Anita Schraff im Namen der Bürgerinitiative.