Es ist eine denkwürdige Sitzung des Häfler Gemeinderats, wobei es nicht einmal wirklich kontrovers wird. Die ersten 20 Minuten übernimmt Bürgermeister Fabian Müller die Moderation, da Oberbürgermeister Simon Blümcke noch Termine hat. Müller leitet von Beschluss zu Beschluss, ein Großteil der Tagesordnungspunkte benötigt bei weitem nicht die veranschlagten 10 Minuten.

Dass der Gemeinderat ohne Diskussion zustimmt, spricht dafür, dass die Vorlagen in den Ausschüssen gut vorberaten wurden – und so ist es offenbar auch bei dem Tagesordnungspunkt, wegen dem auch die Besuchertribüne im Sitzungssaal gut besetzt ist, selbst vor der Tür sind Stühle und ein Fernseher aufgebaut, um dem Andrang gerecht zu werden. Es geht um die Zukunft vom Medizin Campus Bodensee (MCB) und der Kliniken in Friedrichshafen und Tettnang, vorberaten wurde in nichtöffentlicher Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses.

„Ihr seid nicht Teil des Problems“

Mit dem Thema wird auf die Anwesenheit des Oberbürgermeisters gewartet. „Wir haben gerade im Stiftungshaushalt eine Situation, wie wir sie nie hatten“, sagt Simon Blümcke zur Einleitung in das Thema. In Gesprächen mit seinen Vorgängern werde ihm das bestätigt. Daher könne die Stadt sich die Trägerschaft des MCB nicht mehr leisten, der Kreis müsse einspringen. Mehrfach sagt Blümcke: „Wer mehr gibt, als er hat, ist ein Betrüger.“ Dieser Satz gelte auch, wenn es um besonders wichtige Infrastruktur gehe. Er richtet allerdings einen Dank an die Mitarbeiter des Klinikums, von denen manche im Zuschauerbereich sitzen. „Ihr seid nicht Teil des Problems, ihr seid Teil der Lösung“, so Blümcke.

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Außerdem will der OB deutlich machen, dass sich die Stadt nicht aus der Verantwortung stiehlt. „Wir nehmen nochmals erhebliche Millionenbeträge in die Hand, um das zu zeigen“, so Blümcke. Der Gemeinderat soll nämlich auch über einen Betrag von mehr als 20 Millionen Euro an Betriebskostenzuschüssen und Investitionen abstimmen, um den Betrieb vorerst zu sichern. „Wir müssen ganz schnell den Mitarbeitenden des MCB Klarheit geben“, so der OB weiter. Daher sei es nun wichtig, mit dem Landkreis weitere Gespräche zu führen. Und sollte es der Zeppelin-Stiftung zukünftig möglich sein, wolle die Stadt auch weiterhin Maßnahmen fördern, die das Klinikum betreffen.

Gemeinsame Erklärung von fünf Fraktionen

Für die Fraktionen der CDU, der Freien Wähler, der Grünen, der SPD/Linke und FDP verliest Pascal Salomon (CDU) eine gemeinsame Erklärung zu den Vorlagen. Er verweist zunächst auch auf die Mitarbeiter des MCB, die „Außergewöhnliches“ leisteten. Das Problem mit defizitären Kliniken betreffe zudem viele Regionen in Baden-Württemberg. „Es geht um nicht weniger als das Überleben des MCB und die Sicherstellung der Versorgung der Menschen im Bodenseekreis“, so Salomon.

Blick über den Gemeinderat kurz nach der Abstimmung: Die Mitglieder haben dafür gestimmt, die Trägerschaft der Stadt Friedrichshafen für ...
Blick über den Gemeinderat kurz nach der Abstimmung: Die Mitglieder haben dafür gestimmt, die Trägerschaft der Stadt Friedrichshafen für den Medizin Campus abzugeben. | Bild: Simon Conrads

Die Schultern der Zeppelin-Stiftung und Stadt seien alleine zu schmal, um das zu stemmen. Man brauche nun den Bodenseekreis im Fahrersitz, um auch in Abstimmungen mit den Nachbarlandkreisen die Versorgung in der Region zu sichern. „Wir schaffen die Voraussetzung, dass die Kliniken einen Träger bekommen, dessen Schultern breit genug sind“, so Salomon. Zumal die Stadt Friedrichshafen über die Kreisumlage weiterhin Teil der Finanzierung bleibe. Die Fraktionen werden daher dem Vorschlag zustimmen.

Blick in die Vergangenheit

Für das Netzwerk für Friedrichshafen liest Simon Wolpold eine eigene Fraktionserklärung. „Für den MCB beginnt heute eine Reise in eine stabilere, bessere Zukunft“, sagt er, denn die Fraktion werde zustimmen. Es müsse aber auch über die Vergangenheit geredet werden, in der Fehlentscheidungen getroffen wurden. Er erwähnt etwa „den kostspieligen Ausflug nach Weingarten“, also den Einstieg in die Klinik 14 Nothelfer. Dabei sei der Kern des MCB vernachlässigt worden. Nun bestehe die Hoffnung, dass es für die Mitarbeitenden bald Ruhe gebe.

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Für die AfD-Fraktion spricht Ralf Döschl. Auch seine Fraktion werde den Beschlussvorlagen zustimmen. Doch auch Döschl spricht von Fehlentscheidungen in der Vergangenheit. „Die breiten Schultern des Landkreises sollen es nun richten.“ Das bedeute allerdings nur eine Verlagerung auf alle, es müssten also noch weitere Schritte gegangen werden. „Ein Weiter so auf Kreisebene muss unbedingt verhindert werden“, so Döschl.

OB Blümcke sagt zu der Kritik an vergangenen Entscheidungen: „Wir sollten uns nicht zu sehr selbst kasteien, bis wir am Boden liegen.“ Es gelte nun, den Blick in die Zukunft zu richten. Die Beendigung der Trägerschaft wird am Ende einstimmig beschlossen, ebenso die Bereitstellung der Zuschüsse für die Kliniken.