Es ist ein Stück Terra incognita – man weiß, dass es da ist, aber kaum jemand kennt es und hat Zugang: Das unbekannte Land ist das Betriebsgelände der Deutschen Bahn (DB) beim Stadtbahnhof in bester Innenstadtlage. Das Areal liegt zwischen dem Parkhaus am Stadtbahnhof, Eugen- und Olgastraße, südlich grenzt es unmittelbar an die Bahngleise. Es wird unter anderem von der Bodensee-Oberschwaben-Bahn genutzt und als Busdepot der Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH (RAB), einer Tochtergesellschaft der DB Regio AG.

Seit Jahren ein Thema

Wohnraum und Bauland sind in Friedrichshafen knapp – in der Innenstadt sind größere Flächen gar nicht mehr vorhanden. Kein Wunder also, dass sich die Aufmerksamkeit immer wieder auf das RAB-Gelände richtet, wenn es um die Entwicklung von Innenstadt-Potenzialen geht. Zuletzt war es ein größeres Thema beim Integrierten Stadtentwicklungskonzept (ISEK) 2016 bis 2018. Im OB-Wahlkampf 2017 brachte Brand-Herausforderer Philipp Fuhrmann das RAB-Gelände als künftigen „Kreativstandort“ in Spiel und charakterisierte es als „ein wunderbares Gelände, das es behutsam zu entwickeln gilt unter Bewahrung der vorzüglichen Industriebauten“.

Das RAB-Gelände beim Stadtbahnhof: Statt einem Busparkplatz würde die Stadt hier lieber Wohn- und Geschäftshäuser sehen.
Das RAB-Gelände beim Stadtbahnhof: Statt einem Busparkplatz würde die Stadt hier lieber Wohn- und Geschäftshäuser sehen. | Bild: Ambrosius, Andreas

Bislang hat das nicht geklappt. Zuletzt sorgte der Abriss des historischen Eisenbahner-Waschhauses für Schlagzeilen und Ärger, nicht zuletzt bei „Netzwerk“-Stadtrat Philipp Fuhrmann. Die Deutsche Bahn hat den Klinkerbau entfernen lassen für weitere Busstellplätze – derzeit ist hier noch Baustelle.

Netzwerk stellt Antrag

Nun gibt es einen neuerlichen Anlauf, Zugriff aufs Gelände zu bekommen. Die Fraktion Netzwerk für Friedrichshafen hat im Gemeinderat einen Antrag gestellt, wonach die Stadtverwaltung zusammen mit der Bahn Ersatzflächen für ein neues Busdepot ausfindig machen soll. „Die Fläche des derzeitigen innerstädtischen Busdepots benötigt die Stadt Friedrichshafen für eine urbane Innenentwicklung zwingend“, begründet Fuhrmann den Antrag. „Sollte die DB in den kommenden Jahren alle dortigen Gebäude ohne Denkmalstatus abbrechen, entsteht mitten in der Kernstadt eine große Busabstellfläche. Dies kann weder im Sinn unserer Stadt noch der DB sein.“

So sah das ehemalige Waschhaus auf dem Bus-Gelände der Deutschen Bahn in der Eugenstraße in Friedrichshafen vor dem Abriss aus.
So sah das ehemalige Waschhaus auf dem Bus-Gelände der Deutschen Bahn in der Eugenstraße in Friedrichshafen vor dem Abriss aus. | Bild: Ambrosius, Andreas

Blümcke sieht großes Potenzial

Das sieht auch das Rathaus so. „Jeder sieht den Wert des Geländes direkt hinterm Bahnhof mit der Keimzelle der Industriegeschichte dieser Stadt“, sagte Oberbürgermeister Simon Blümcke bei der jüngsten Gemeinderatssitzung. „Da muss sich ein Mehrwert für die Stadt jenseits eines Busdepots ergeben.“ Er warnte aber auch vor allzu viel Euphorie: „Noch ist es gewidmetes Bahngelände.“

Hohe rechtliche Hürden

Die Stadtverwaltung hat demnach zwar ein großes Interesse, das Areal städtebaulich zu entwickeln. Doch so einfach ist die Sache nicht – die Stadt ist nicht im Besitz des Geländes. Da ist zunächst die rechtliche Hürde, wonach das Areal nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz für Bahnbetriebszwecke geschützt ist. Außerdem benötigt die Bahn nach eigenem Bekunden die gesamte Fläche für den laufenden Betrieb.

Schon 2022 hatte die Verwaltung Standortalternativen für einen Busbetriebshof geprüft – ohne Erfolg. Die nun vom Netzwerk eingebrachten Vorschläge für Ausweichflächen sind aus Sicht der Verwaltung nicht tauglich. Der Bereich Fallenbrunnen Nordost scheide wegen der dort angestrebten Entwicklung eines Modellquartiers mit Gewerbe und Wohnen aus. Auch sonst sei kein Platz im Fallenbrunnen. Bereiche rund um den Flughafen im Süden und nördlich seien zu klein oder nicht verfügbar.

Dort, wo einst das historische Waschhaus stand, ist nach dem Abriss noch eine Baustelle. Die Fläche soll als Busparkplatz genutzt werden.
Dort, wo einst das historische Waschhaus stand, ist nach dem Abriss noch eine Baustelle. Die Fläche soll als Busparkplatz genutzt werden. | Bild: Ambrosius, Andreas

Kurzfristig zeichnet sich also keine Lösung ab. Laut Beschluss des Gemeinderats soll die Stadtverwaltung zunächst die Flächenbedarfe von Stadtverkehr und RAB erkunden und definieren. Dann soll eine „ergebnisoffene Suche“ nach einem möglichst gemeinsamen Standort für beide Busdepots erfolgen. Im Herbst soll ein Vorschlag auf dem Tisch liegen.

Große Lösung mitdenken

Bei den Überlegungen soll auch mit einfließen, dass die Bodensee-Oberschwaben-Bahn (BOB) dringend Bedarf an einer Eisenbahn-Reparatur-Werkstätte südlich von Ulm hat. Zusammen mit den beiden Busbahnhöfen wird der Flächenbedarf auf rund 100.000 Quadratmeter geschätzt.

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