Sie surren wieder, die Lüftungsfilter in den Klassenzimmern. „Im Moment schalten unsere Hausmeister einen nach dem anderen wieder ein“, berichtet Axel Ferdinand, Schulleiter des Graf-Zeppelin-Gymnasiums (GZG) in Friedrichshafen. 940 solcher Geräte wurden an Häfler Kitas und Schulen installiert, nachdem der Gemeinderat im vergangenen Herbst grünes Licht gegeben hatte.

Die Idee: Corona-Infektionen sollten verhindert werden, Schulen offenbleiben. Bund und Länder öffneten Fördertöpfe – und die Städte investierten Millionen Euro in die energieintensiven Geräte. Ein Investment, dass sich jetzt in Zeiten knapper Energie als echte Kostenfalle erweist.

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Die Fakten: Friedrichshafen investierte 1,7 Millionen Euro in die Filter. Laut Verwaltung gab es dafür rund 1,3 Millionen Euro an Zuschüssen von Bund und Land. Die Zeppelin-Stiftung bezahlte etwa 400.000 Euro. Interessant wird es beim Blick auf den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kosten: „Bei einer Leistung von 90 Watt und einer Laufzeit von Montag bis Freitag von etwa neun Stunden am Tag kosten die Luftfilter in den Schulen im Monat rund 6100 Euro bei einem angenommenen Strompreis von 0,40 Euro pro Kilowattstunde“, erläutert Stadtsprecherin Andrea Kreuzer auf SÜDKURIER-Nachfrage. Diese Kosten – inklusive Wartung – trägt die Stadt Friedrichshafen komplett allein.

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Heizung runter, kühlere Schwimmbecken – aber die Lüfter bleiben an?

Ein klassisches Dilemma bahnt sich jetzt an: Zum einen sucht die Stadtverwaltung händeringend nach Energiesparmaßnahmen – auch in Schulen. Bereits jetzt kündigte sie an, die Heizungen in weiterführenden Schulen herunterzudrehen oder Schwimmbecken nicht mehr so zu beheizen. Andererseits sollen die Lüftungsfilter weiterlaufen wie im vergangenen Schuljahr. Dabei rief das Umweltbundesamt (UBA), das stets vom Kauf der umstrittenen Luftfilter abgeraten hatte, gerade erst zu einem sehr sparsamen Gebrauch auf. Der Deutsche Städtetag empfahl sogar, die Lüftung in Schulen „auf den Normalzustand vor der Pandemie“ zurück zu setzten. Also: Fenster auf und Lüfter aus.

Geräte haben drei Jahre Mindestbetriebszeit

Doch das wird in Friedrichshafen nicht passieren. „Die Geräte wurden mit großem Aufwand beschafft und installiert und stellen ein Baustein in der Corona-Präventionsstrategie dar. Sie werden deshalb weiter betrieben, so wie dies auch von der Förderrichtlinie vorgegeben ist“, erklärt Kreuzer mit Verweis auf die Mindestbetriebszeit von drei Jahren. Kurz: Die Stadt kann die Geräte gar nicht ausstellen, sonst könnten Fördergelder zurückgefordert werden.

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Wenn allerdings einerseits Heizungen zu Energiesparzwecken auf 19 Grad Raumtemperatur heruntergedreht werden, andererseits aber Lüftungsgeräte laufen, schlägt das in der Energiebilanz am Ende doch zu Buche. Zumal das UBA klarstellt, dass die Luftreiniger bei geringer Raumtemperatur keinen Ersatz fürs manuelle Lüften bieten, weil sie keine Schadstoffe aus dem Innenraum abführen. Sprich: die Fenster müssen trotzdem geöffnet werden, die Geräte sind ohnehin nur als Ergänzung zu sehen. Eine Fehlinvestition also?

Die Verwaltung bewertet die Investition in die Luftreinigungsgeräte als „richtige und wichtige“ Investition. Die Corona-Pandemie sei noch nicht überwunden. „Wir sind uns sicher, dass insbesondere auch in der bevorstehenden kälteren Jahreszeit präventive Maßnahmen erforderlich sein werden“, so Kreuzer.

Bild 1: Heizungen runter, Luftfilter an? Stromfresser an Schulen stürzen Stadt in ein Dilemma
Bild: Wienrich, Sabine
„Wir hoffen auf ein normales Schuljahr.“
Axel Ferdinand, Schulleiter

„Wir haben die Heizungen am GZG bereits im Februar heruntergedreht“, berichtet Schulleiter Ferdinand, „und alle 20 Minuten für fünf Minuten gelüftet.“ Die Kinder hätten ein unterschiedliches Kälte- und Wärmeempfinden, deshalb wurden die Eltern informiert, dass der Zwiebellook angesagt sei. „Manche haben auch Wolldecken im Klassenzimmer deponiert“, sagt Ferdinand. Aktuell geht der Schulleiter nicht davon aus, dass Corona noch eine große Rolle im Schulbetrieb spielen wird. „Im Moment sind uns keine Maßnahmen bekannt“, sagt er, „und wir hoffen auch für Schüler, Lehrer und Eltern, dass es ein weitestgehend normales Schuljahr wird.“ Ob die Lüftungsgeräte wirklich etwas dazu beitragen? „Ich finde regelmäßiges Fensterlüften reicht vollkommen“, antwortet der Schulleiter.

Das sieht auch das Kultusministerium in Stuttgart so, obwohl es die Geräte großzügig gefördert hat. „Der Einsatz elektrischer Geräte sollte sinnvoll sein – grundsätzlich und in Zeiten wie diesen umso mehr. Also: Wenn der Einsatz der Geräte durch Lüften vermieden werden kann, ist dies der bessere Weg“, so ein Sprecher auf SÜDKURIER-Anfrage.

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