Eigentlich klingt die Sache ganz einfach: Der Schulträger, also meist die Kommune, stattet die Klassenzimmer mit einem mobilen Gerät aus, das die Luft ansaugt, über einen Filter reinigt – und virenfrei wieder in den Raum zurückleitet – und so Corona-Infektionen verhindert. Der Präsenzunterricht im Herbst wäre gesichert. So oder so ähnlich werben verschiedene Hersteller für Luftreiniger mit Hepa-Filtern für ihre Produkte, die es in der billigen Ausführung bereits ab 1000 Euro zu kaufen gibt. Doch, was vermeintlich einfach klingt, hat mehr als einen Haken.

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Problem Nummer 1: Verhindern diese Geräte Ansteckungen?

Darüber streiten sich Fachleute seit Monaten. Im Herbst 2020 gab das Umweltbundesamt eine für Kommunen prägende Empfehlung heraus: Luftreinigungsgeräte sollten nur im Ausnahmefall beschafft werden, wenn eine Fensterlüftung in einem Raum nicht möglich ist. „Da mobile Luftreinigungsgeräte nicht das in Klassenräumen anfallende Kohlendioxid (CO2) und den Wasserdampf aus der Raumluft entfernen, können sie nicht als vollständigen Ersatz für Lüftungsmaßnahmen eingesetzt werden“, heißt es in der Stellungnahme der Kommission. Kurzes, regelmäßiges Stoßlüften biete „einen wirksamen Schutz“ und sei damit ausreichend.

Auf diese Stellungnahme verweist auch Robert Schwarz, Sprecher des Bodenseekreises und damit für das Gesundheitsamt zuständig: „Bisher fehlt dem Gesundheitsamt der Wirksamkeitsnachweis dieser Geräte. Wir werden also künftig Klassenzimmer, die mit solchen Geräten ausgestattet sind, genauso im Einzelfall betrachten, wie Räume, die keine Geräte haben.“

Klein und vergleichsweise günstig: Luftfiltergeräte werden nun vom Land Baden-Württemberg mit 50 Prozent gefördert. Doch, ob die ...
Klein und vergleichsweise günstig: Luftfiltergeräte werden nun vom Land Baden-Württemberg mit 50 Prozent gefördert. Doch, ob die Kommunen sich die Anschaffung leisten werden, bleibt fraglich. | Bild: Annette Riedl

Problem Nummer 2: Schützen die Geräte vor Quarantänen?

Da das Gesundheitsamt Bodenseekreis die Wirksamkeit der Geräte aktuell als nicht erwiesen sieht, spielen sie also auch bei der Bewertung von Quarantänen keine Rolle, denn Grundlage sind hier die Empfehlungen des Umweltbundesamtes und des Robert-Koch-Instituts. Wurde genug gelüftet? Trugen die Kinder Masken? Kam es zu engem Kontakt? Wie ansteckend war der Infizierte? „Wenn es beispielsweise eine stationäre raumlufttechnische Anlage (RLT) gibt, ist die Situation wieder eine andere“, erklärt Robert Schwarz.

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Das Problem: RLTs sind eher in modernen Bürogebäuden zu finden als in Schulen – denn das sind fest verbaute Klimaanlagen, die man mit Luftfiltern ausstatten kann; und die dann – ganz ohne Fensterlüften – für Frischluft sorgen. Die Schulen im Bodenseekreis damit flächendeckend auszustatten, würde Jahre dauern und Millionen Euro kosten. Der Städtetag hat deshalb vorgeschlagen, den Einbau raumlufttechnischen Anlagen in die Schulbauförderung des Landes aufzunehmen – und damit Schulen nach und nach auszustatten.

Robert Schwarz, Pressesprecher im Landratsamt
Robert Schwarz, Pressesprecher im Landratsamt | Bild: Santini, Jenna

Problem Nummer 3: Die Umsetzung

Hier zeigt ein Blick nach Friedrichshafen: Die Empfehlungen des Umweltbundesamts, schlecht lüftbare Räume mit mobilen Geräten auszustatten, wurden – zumindest in der Zeppelinstadt – längst umgesetzt. Bereits im Herbst 2020 kaufte die Stadt nach eigenen Angaben für elf Schulen insgesamt 22 Geräte auf eigene Kosten. Dabei griff sie auf Geräte zurück, die den hohen Anforderungen des Schulbetriebs insbesondere in Sachen Lautstärke gerecht werden und einige tausend Euro kosten.

Ob die Stadt Friedrichshafen jetzt im Rahmen des Förderprogramms weitere Luftreinigungsgeräte anschafft, ist im Moment noch ungewiss. Bisher fehlen der Kommune Informationen. Laut Pressemitteilung des Landes fördert das Baden-Württemberg Geräte vorrangig bis Klasse 6, da es für Kinder bis zwölf Jahren noch gar keinen zugelassenen Impfstoff gibt.

Monika Blank ist Sprecherin der Stadt Friedrichshafen.
Monika Blank ist Sprecherin der Stadt Friedrichshafen. | Bild: Stadt Friedrichshafen

Stadtsprecherin Monika Blank erklärt: „Das Förderprogramm selbst liegt uns noch nicht vor und wurden nach unserer Kenntnis auch noch nicht veröffentlicht. Sobald wir die Informationen dazu vorliegen haben, werden uns intern und mit den Schulen abstimmen und alle weiteren Schritte klären. Auch die Finanzierungsfrage muss noch geklärt werden, da laut Medien 50 Prozent der Anschaffungskosten von mobilen Luftreinigern und CO2-Ampeln vom Land gefördert werden. Gegebenenfalls ist hier noch ein Gremienbeschluss notwendig.“

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Zudem verweist auch Monika Blank auf die Stellungnahme des Umweltbundesamtes: Fensterlüften werde dadurch nicht ersetzt – und die bisherigen strengen Hygienemaßnahmen (Kohortenbildung, lüften, testen, inzidenzenabhängig Masken) seien erfolgreich gewesen. „Wir konnten kein größeres Ausbruchsgeschehen feststellen“, sagt Blank. Bisher habe es seit Beginn der Testpflicht zehn positive Schnelltests in Häfler Schulen gegeben. Wie viele davon per PCR-Test bestätigt wurden, ist unklar. Zuletzt stellte sich bei einer SÜDKURIER-Recherche heraus, dass der Großteil der positiven Antigen-Schnelltests an Schulen im Landkreis falsch-positiv ist. Die Stadt Friedrichshafen prüft daher, abhängig von der Teststrategie des Landes, ob sie im Herbst auf die sichereren PCR-Pooltests umsteigt.

Problem Nummer 4: Die Sorgen der Familien

Im vergangenen Herbst gab es in Friedrichshafen bereits Wünsche und Forderungen von Familien, Luftreiniger in Kitas und Schulen einzusetzen. Eine von ihnen ist Carmen Heritier, die sich für Geräte in der Kita ihrer Kinder engagiert hat. „Leider bestätigt sich mein Verdacht, dass Kinder die Verlierer dieser Pandemie sind, auf so vielen Ebenen“, sagt sie. Außer vielen Versprechungen der Politik habe es während der Pandemie nicht viel Unterstützung gegeben. „Ich glaube, dass wieder alle plötzlich erschrecken, wenn uns die Deltavariante mit voller Wucht trifft“, sagt die Mutter, die mit ihrer Familie mittlerweile allerdings ins Allgäu gezogen ist.

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Festzuhalten bleibt: Familien sind eine heterogene Gruppe. Während die einen ihr Grundschulkind immer noch aus Angst vor Ansteckung mit FFP2-Maske in die Schule schicken, sind die anderen erleichtert über jede Lockerung in Schulen. Was sie eint, ist die Sorge vor vielen Quarantänen oder erneutem kräftezehrendem Homeschooling. „Prophylaxe in Schulen ist nach wie vor wichtig, aber sie muss – im Hinblick auf jede Maßnahme – verhältnismäßig und sinnvoll sein“, sagt Landkreissprecher Robert Schwarz. Im Bodenseekreis habe es während der Pandemie keine größeren Ausbruchsgeschehen in Schulen gegeben. „Wir hatten vor allem Einzelfälle und konnten nur sehr wenige Ansteckungen innerhalb von Schulen feststellen“, sagt er.

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