Zölibat, zu wenig Frauen und zu wenig Toleranz: Die katholische Kirche gilt in vielen Bereichen als rückständig. Doch beim Thema Religionszugehörigkeit bei pädagogischen Fachkräften trifft das definitiv nicht zu. Während in Kitas der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde in Friedrichshafen ausschließlich christliche, bevorzugt evangelische, Erzieherinnen arbeiten dürfen und sogar einen Einrichtung schließen musste, stellen die Katholiken mittlerweile Muslima ein.
So wie beispielsweise Rana Alsoufi, die im Kinderhaus Riedlepark ihre Ausbildung zur Erzieherin macht. 2016 kam die gebürtige Syrierin nach Deutschland, heute lebt sie in Markdorf. „Ich bin Muslima. Dass es zwischen dem Islam und dem Christentum Unterschiede gibt, spielt hier keine Rolle. Was den einen Gott ist, ist uns Allah, das ist alles dasselbe“, sagt die 39-Jährige.

Im Kinderhaus sei es wie einer Familie, alle seien hilfsbereit und unterstützen sie mit der Sprache. „Meine Großmutter war orthodox und so haben wir in meiner Familie immer alle Feste gemeinsam gefeiert. Auch hier in Deutschland feiern wir die christlichen Feste mit“, erklärt die Muslima. Im Kinderhaus werden lediglich Unterschiede beim Essen gemacht. Ansonsten seien alle gleich, meint Alsoufi.

Neue Regelung ermöglicht Festanstellung für Muslime
„Muslimische Auszubildende sind bereits seit etwa fünf Jahren bei uns“, erklärt Ulrike Weiß, Leiterin des Katholischen Verwaltungszentrums Friedrichshafen, das zu den größten drei Kita-Trägern der Stadt gehört. Zunächst musste sie die Bewerberinnen allerdings darauf aufmerksam machen, dass sie nicht oder nur befristet übernommen werden können. Das hat sich im Juni geändert: „Die neue Regelung lässt zu, dass wir auch Muslimen gut dotierte Stellen anbieten können.“ Die Erzieherinnen werden dann als Sprachförder- und Inklusionskräfte angestellt.
In den katholischen Kitas arbeiten laut Weiß außerdem viele evangelische und orthodoxe Christen, auch konfessionslose Erzieherinnen sind willkommen. „Nur Menschen, die aktiv aus der Kirche ausgetreten sind, dürfen wir nicht einstellen“, erklärt die Juristin. Auch bei den Hauswirtschaftern, Hausmeistern und Reinigungskräften spiele die Religion keinerlei Rolle.
Die Leitungen müssen noch katholisch oder zumindest christlich sein
Anders noch bei den Leitungskräften der katholischen Kitas. Voraussetzung ist hier nach wie vor, katholisch zu sein – oder einer der Kirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (AGK) anzugehören. Die Katholische Gesamtkirchengemeinde wolle den kirchlichen Auftrag in Verkündigung und Dienst am Nächsten erfüllen. „Daher ist es wichtig, dass die Leitung eines Kindergartens christlich geprägt ist und im Bewerbungsgespräch auch entsprechende Kenntnisse und Einstellungen nachweisen kann, weil sie das Geschehen im Kindergarten hauptverantwortlich lenkt. Wenn Kirchen diesen Auftrag nicht mehr erfüllen können, ist die Kindergartenarbeit für Kirchen sinnlos“, erläutert Weiß.

Auch Erzieherin Oksana Dill ist Christin, allerdings orthodoxe Christin. „Dass ich orthodoxen Glaubens bin, spielt im Kinderhaus Riedlepark keine Rolle. Schließlich glauben wir alle an ein und denselben Gott, beten alle zu unserem Vater im Himmel. Auch wir feiern Weihnachten und Ostern, wir fasten und backen Kuchen. Sehr schön finde ich, dass hier mit den Kindern vor dem Essen gemeinsam gebetet wird. Diese Tradition haben wir nicht“, sagt sie. 2013 kam die 38-Jährige aus der Ukraine nach Deutschland, machte schließlich eine Erzieherinnenausbildung und ist seit Januar im Kinderhaus.
„Wir haben bei unserem Personal auch Menschen, die gleichgeschlechtlich leben.“Ulrike Weiß, Leiterin des Katholischen Verwaltungszentrums
Muslime, Orthodoxe, Konfessionslose – sie alle arbeiten in den katholischen Einrichtungen Hand in Hand. Doch was ist beispielsweise mit homosexuellen Erziehern und Erzieherinnen? „Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Aussehen spielen keine Rolle. Wir haben bei unserem Personal Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben, Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung durchgeführt haben und vieles mehr. Sie thematisieren das bereits in den Bewerbungsgesprächen, sonst wüsste ich nicht davon“, erläutert Ulrike Weiß.
Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Religionen, Weltanschauungen und Lebensformen – alles Eigenschaften, die einem modernen Arbeitgeber gut stehen. Den Fachkräftemangel in Kitas vermögen sie allerdings nicht zu lösen.
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