Der Medizin Campus Bodensee (MCB) ist seit Wochen im Fokus der Öffentlichkeit: Im Dezember berichteten Lokalmedien wie der SÜDKURIER erstmals über die Vorwürfe einer verstorbenen Oberärztin gegen das Klinikum. Seitdem ist das Klinikum nicht nur Thema bei lokalen Medien. Spätestens seitdem die Staatsanwaltschaft Ravensburg gegen fünf ehemalige und aktive Ärzte ermittelt, spricht wohl ganz Deutschland über den MCB: Die „Bild“-Zeitung berichtete am Wochenende – und bald offenbar auch das Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Die Betonung liegt hier auf „bald“.
Klinikum will „Schädigung der Reputation“ abwenden
Denn bevor das Nachrichtenmagazin überhaupt eine Recherche veröffentlichte, informierte die Klinikleitung die Belegschaft in einem internen Schreiben am Freitag, 8. März, darüber. In dem Schreiben wendet sich Roman Huber, Medizinischer Direktor, an die Mitarbeitenden. Laut Huber soll ein „umfangreicher Artikel“ noch am selben Tag online sowie am Tag darauf in der Print-Ausgabe erscheinen. Darin soll es möglicherweise um „bereits in anderen Medien erhobene“ sowie andere Vorwürfe gehen, schreibt er.
Huber zufolge habe das Klinikum und dessen Anwälte dem „Spiegel“ im Vorfeld dieser Berichterstattung sämtliche Fragen „nach bestem Gewissen umfassend beantwortet“. Man wolle sowohl „bestmögliche Transparenz“ gewähren als auch eine weitere Schädigung der Reputation des Hauses abwenden. In dem Schreiben, das dem SÜDKURIER vorliegt, wird nochmals die Unschuldsvermutung für von Vorwürfen betroffene Personen geäußert – fast wortgleich wie in der Pressemitteilung zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.
Susann Ganzert, Pressesprecherin des Klinikums: „Wir verwenden generell viel Zeit darauf, unsere Mitarbeitenden über Vorgänge im Klinikum auf dem Laufenden zu halten. Das gilt insbesondere in den vergangenen Monaten. Deshalb haben wir auf die bevorstehende Berichterstattung des ‚Spiegel‘ hinweisen wollen. Dies wurde in unserer internen Kommunikation auch durchaus positiv wahrgenommen, wie die zahlreichen Rückäußerungen belegen.“
Zeitpunkt der Veröffentlichung unklar
Das Kuriose bei dem Schreiben ist, dass der angekündigte Artikel an dem Tag und dem Wochenende aber gar nicht erschien. Der „Spiegel“ übernimmt am 7. März für online lediglich eine Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa), die ähnlich auch auf anderen Plattformen erschien.
Wie die „Spiegel“-Redaktion auf SÜDKURIER-Anfrage erklärt, sei eine Berichterstattung zu dem Thema geplant. Dafür habe man bereits vor einiger Zeit Kontakt zur MCB-Pressestelle aufgenommen. Wann die Recherche dazu erscheint, sei aber unklar. Doch das Klinikum wusste, dass das Nachrichtenmagazin einen Artikel plant.
Wie ist das Schreiben zu verstehen?
Auffällig ist, dass das interne Schreiben ein Tag nach der Mitteilung kam, dass die Staatsanwaltschaft Ravensburg ermittelt. Daher ging die Geschäftsleitung wohl davon aus, dass das Nachrichtenmagazin zu dem Zeitpunkt auch seinen Artikel veröffentlicht.
Für Detlef Kröger, Anwalt der verstorbenen Oberärztin, ist dieser Vorfall ein Zeichen für einen mangelnden Veränderungswillen beim Klinikum. Bevor Vorwürfe überhaupt abgedruckt seien, wolle das Klinikum zeigen, dass man eine weiße Weste habe, sagt er. Das Ziel seiner Mandantin, der verstorbenen Oberärztin, sei es gewesen, die mutmaßlichen Missstände aufzuklären. „Das ist aber nicht möglich, wenn ein Klinikum signalisiert: Wir fahren weiter unseren Kurs.“