Dicht an dicht stehen die Lastwagen auf dem Schotterplatz aufgereiht. Die Fahrzeuge haben Moos angesetzt, Scheiben sind eingeschlagen, Planen hängen herunter, Scheibenwischer sind abgebrochen. Büsche und Gestrüpp wuchern auf dem Grundstück im Gewerbegebiet an der Lindauer Straße. Alte Matratzen und Plastikmüll liegen im Gebüsch.
Wer um das öffentlich einsehbare Grundstück herumgeht, erkennt schnell, auf dem Gelände wurde schon seit Langem nichts mehr bewegt. Der SÜDKURIER hatte zuletzt im September 2021 über den Lastwagenfriedhof am Stadtrand berichtet. Das Speditionsunternehmen hatte Jahre zuvor Insolvenz angemeldet. Seitdem läuft das Verfahren. Der jüngste Eintrag in den sogenannten Insolvenzbekanntmachungen liegt knapp zwei Monate zurück.
Videos zeugen von ihren Erkundungen
Inzwischen haben sogenannte Urban Explorer – kurz Urbexer – das Gelände entdeckt. So werden Menschen genannt, die auf eigene Faust stillgelegte, verlassene oder vergessene Orte erkunden. Gleich mehrere Videos auf YouTube zeugen von ihren Entdeckungen. Die neuesten Beiträge sind nur wenige Tage beziehungsweise Wochen alt und dokumentieren den Verfall auf dem Grundstück in Friedrichshafen.
Einer dieser Entdecker hat vor knapp drei Wochen sein rund 30-minütiges Video auf YouTube online gestellt. Fast 150.000 Mal wurde es aufgerufen, 160 Kommentare finden sich unter dem Beitrag. Er habe einen Ort besucht, der unglaublicher und einzigartiger nicht hätte sein können, so eine Stimme aus dem Off. Gemeinsam mit anderen habe er diese alte Spedition gefunden, die ihren kompletten Fuhrpark mit unzähligen alten Lastwagen hinterließ.
Ein Ort, den er so auch noch nie gesehen habe, heißt es zu Beginn des Videos: „Kommt mit mir auf eine Reise zu einer verlassenen Spedition im Süden Deutschlands.“ Das Team filmt Lastwagen, die nicht verschlossen sind, Papiere liegen im Fahrerhaus verstreut, Scheiben sind zersplittert, auch ein ausgebrannter Lastwagen ist zu sehen. Dieser hatte laut Polizeibericht in der Silvesternacht wegen des „vermutlich leichtsinnigen Umgangs mit Feuerwerkskörpern“ Feuer gefangen.
„Wie in einer Filmkulisse“
Man könnte meinen, man stehe in einer Filmkulisse, heißt es in einem weiteren – wenige Tage alten – Video. In beiden Videos wird die Belastung für Umwelt und Natur thematisiert. Man könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das unbedenklich für die Umwelt sei. Man hoffe, dass hier nach Jahren des Stillstands etwas passiere.
Das Landratsamt teilt auf Anfrage mit, das Umweltschutzamt überprüfe seit 2017 regelmäßig, ob von den Fahrzeugen eine „akute Gefahr ausgehe“. Das werde man auch weiterhin tun. „Auch nachdem die Staatsanwaltschaft die strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt hat, hat das Landratsamt geprüft, ob hier ordnungsrechtliche Verstöße gegeben sind“, teilt Kreissprecher Robert Schwarz mit.
Wie Oberstaatsanwältin Christine Weiss erklärt, wurde „den Beschuldigten unerlaubter Umgang mit Abfällen und unerlaubtes Betreiben von Anlagen zur Last gelegt“. Auf dem Grundstück befanden sich damals 28 Lastwagen und Autos, neun Auflieger sowie 26 Anhänger und Wechselbrücken, welche seit 2016 nicht mehr bewegt worden sein sollen.
Das Verfahren sei im Mai 2023 eingestellt worden, denn den Beschuldigten konnte nicht nachgewiesen werden, „dass sie unbefugt Abfälle außerhalb einer zugelassenen Anlage lagerten und/oder unerlaubt eine Anlage betrieben haben“, so die Staatsanwältin. Zudem konnte ihren Angaben zufolge nicht aufgeklärt werden, „welchem Beschuldigten welches strafbare Verhalten konkret angelastet werden kann“. Das Verfahren wurde zur Verfolgung möglicher Ordnungswidrigkeiten an das Landratsamt abgegeben.
Laut Robert Schwarz habe die Kreispolizeibehörde die Anzeige ebenfalls eingestellt, „nachdem die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren nicht einmal von Fahrlässigkeit ausgegangen ist“. Ob eine Räumung in Betracht komme, sei geprüft worden. „Da aber keine Gefahr im Verzug war und die Eigentumsverhältnisse nicht eindeutig waren beziehungsweise sind, sind wir bisher nicht an diesen Punkt gekommen“, so der Sprecher des Landratsamts.
Die Behörde könne eingreifen, „wenn von dem Gelände beziehungsweise den Altfahrzeugen eine akute Gefahr ausgeht, zum Beispiel, wenn in großem Umfang Schadstoffe in den Boden gelangen oder Angrenzer gefährdet sind“. In solch einer Situation könne man Maßnahmen einleiten. „Das wäre im Zweifel aber ein Eingriff in das Grundrecht am Eigentum. Wegen der unklaren Rechtslage birgt das Risiko erheblicher Schadenersatzforderungen zusätzlich zu den Kosten für die Maßnahme selbst“, erklärt Robert Schwarz. Diese Kosten würden dann der Allgemeinheit zur Last fallen.
Dass, wie es im Video heißt, regelmäßig Polizei und Feuerwehr ausrücken müssen, weil Gegenstände auf dem Gelände Opfer von Sachbeschädigung und Brandstiftung würden, kann die Polizei so nicht bestätigen. Neben dem Brandeinsatz an Silvester gab es im September 2023 laut Simon Göppert, Pressesprecher der Polizei, beispielsweise einen Einsatz wegen des Verdachts auf versuchten Diebstahl. Eine Häufung von Einsätzen sei allerdings nicht feststellbar.