Am Dienstagabend strömten so viele Besucher ins Graf-Zeppelin-Haus (GZH), dass zwei Drittel der rund 50 Gäste nach den Corona-Regeln keinen Platz im Ludwig-Dürr-Saal hatten und im kleinen Foyer Platz nehmen mussten. Hier tagte der Ratsausschuss für Planen, Bauen und Wohnen (PBU), und ein Punkt sorgte für brennendes Interesse der Häfler. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Eigentümer will 16 Häuser überwiegend aus den 1950er Jahren mit 105 Wohnungen an der Ekkehard-, Hebel- bis Schwabstraße abreißen und dichter als heute neu bebauen.
Vor zwei Jahren hatte die BImA beantragt, die Gebäude aufzustocken. Das lehnte das Stadtplanungsamt 2019 ab, weil es das aktuelle Baurecht in dem Plangebiet „Mühlösch-West“ nicht hergibt, erklärte Amtsleiter Klaus Sauter. Aus diesem Grund bekamen die Gemeinderäte diese Bauvoranfrage gar nicht erst auf den Tisch. Ein Umstand, der am Dienstagabend im PBU für Unmut sorgte. Im Licht der heutigen Pläne ist für viele Räte diese sanftere Form der Nachverdichtung wohl eher vorstellbar als Abriss und komplette Neubebauung. Doch der Reihe nach.

Wie Architekt Andreas Kimling erläuterte, will die Bundesanstalt die Gebäude in drei Bauabschnitten abreißen und neu bauen, um den heutigen Mietern quasi in der Nachbarschaft zwischenzeitlich Ersatzwohnraum anbieten zu können. Geplant sind demnach auch künftig familiengerechte, bezahlbare Mietwohnungen; allerdings deutlich mehr und kleiner, als es die früheren „Franzosenwohnungen“ mit rund 113 Quadratmeter Wohnfläche im Durchschnitt sind.
Teurer als heute werden sie mit Sicherheit, egal ob saniert, aufgestockt oder neu gebaut wird. Aktuell liegen die Mieten bei 5 bis 7 Euro pro Quadratmeter – unschlagbar günstig für Häfler Verhältnisse. Allerdings gebe es bei der BImA eine Obergrenze von 10 Euro pro Quadratmeter, die man verlange. Vorgesehen seien energieeffiziente Gebäude mit Fotovoltaik auf begrünten Dächern, Anschluss an Fern- oder Nahwärme. Standards, die der Gemeinderat bei Wohnbauprojekten sonst begrüßt.
Menschen kann man nicht „umschichten“
Doch die Vorbehalte im PBU waren groß. Regine Ankermann (Grüne) hält die Vorgehensweise für schwierig. Menschen könne man nicht einfach so „umschichten“, zumal einige Mieter in einem Alter seien, wo ein Umzug zum Sargnagel werden könne. Angesichts unterschiedlicher Bauqualität fragte sie nach Alternativen zum Abriss gleich aller Häuser.

So sah das auch Philipp Fuhrmann vom Netzwerk. Er beantragte im PBU, die Bundesanstalt solle für dieses Areal ein „modellhaftes Sanierungskonzept“ entwickeln – mit Aufstockung, Dachausbau, neuen Wohnungsgrundrissen, gern auch neuen Wohnungen. Das Quartier Ekkehardstraße sei sozial gefestigt, ökologisch hochwertig und vorbildhaft durchgrünt. „Die Mieten sind verträglich und sollen es bleiben“, begründet er. Ein flächenhafter Abriss würde genau das Gegenteil bewirken.
Bemühungen um soziale Wohnbau „ins Leere gelaufen“
Wie „janusköpfig“ diese Diskussion ist, brachte Heinz Tautkus (SPD) vor. In diesem Wohnquartier zahlten die Bewohner mit die niedrigsten Mieten in der Stadt, „und genau solche Wohnungen brauchen wir“, sagte er. Trotz Wohnbauprogramm und Acht-Punkte-Plan seien alle Bemühungen dafür „ins Leere gelaufen“. Diese Häuser jetzt abzureißen und sie dann doppelt so teuer zu vermieten, hielt Tautkus anfangs für kritisch. Bevor man keine „soziale Formel“ gefunden habe, wolle seine Partei lieber die Hände weg lassen von solch einem Projekt. Später revidierte er diese Haltung, weil auch die nötige Sanierung auf die Mieten umgelegt werden wird.
Das dritte große Problem ist die Tiefgarage, die die Bundesanstalt mit den neuen Häusern bauen müsste, um genügend Stellplätze nachzuweisen. Damit würde allerdings auch der wunderschöne Baumbestand geopfert, kritisierte Ulrich Heliosch (Grüne). Er regte an, hier eine andere Lösung zu diskutieren.

Letztlich entschied sich der Ausschuss mit knapper Mehrheit dafür, den Vorhabenträger eine „Schleife“ drehen zu lassen, wie es Baubürgermeister Stefan Köhler vorschlug. Mit anderen Worten: Die Bundesanstalt soll die Anregungen aus dem Gemeinderat aufnehmen, bewerten und „schauen, was sie davon verwirklichen kann“, so Heinz Tautkus. Der Antrag des Netzwerks fand keine Mehrheit.
Voraussetzung für das Projekt sei „wirtschaftliches Handeln“
Ob sich das am Ende für die BImA rechnet, die keinen Zugriff auf Fördermittel habe, so Andreas Kimling, wird sich weisen. Voraussetzung für das Projekt sei „wirtschaftliches Handeln“, weil der Bund eben keine Wohnungen verkaufe, um letztlich Mieten zu subventionieren, erklärte er die „Spielregeln“ bei der BImA. Und zumindest um die Sanierung der Häuser käme man nicht herum, was ebenfalls Aus- und Umzug sowie höhere Mieten bedeute.
So oder so: Will die Bundesanstalt das Wohnquartier baulich verdichten, muss der Bebauungsplan geändert werden. Dem will die BImA einen Ideenwettbewerb vorschalten. Vor 2023, so Andreas Kimling, passieren im Wohnquartier selbst also nicht.