Es ist kühl und windig, immer wieder fallen ein paar Regentropfen, dunkle Wolken hängen über dem Bodensee. Das Wetter lockt an diesem Neujahrsmorgen noch kaum Spaziergänger nach draußen und dennoch ist die Häfler Uferpromenade belebt. Die Stadt wird sich der Überbleibsel der vergangenen Nacht annehmen. Aber auch kleine Gruppen von Männern sind unterwegs, teilweise langsamer, andere stehen in Grüppchen beisammen.

Arslan Tahir, der Beauftragte der Ahmadiyya-Gemeinde für interreligiösen Dialog und Koordinator der Aktion, erklärt das Geschehen: „Wir trinken erst noch einen Chai, dann fangen wir an.“ Ein Chai, also ein mit Milch zubereiteter Gewürztee, sei einfach wichtig am Morgen.
Die Männer sind schon früh aufgestanden. Um 6 Uhr trafen sie sich zum Gebet; für Frieden und ein gutes neues Jahr für das Land, in dem sie leben, erklärt Tahir. Außerdem habe jede Familie etwas Süßes vorbereitet, das tausche man an diesem Tag untereinander aus. Seine Frau hat den Chai literweise gekocht, er hat ihn in Thermoskannen in den Kofferraum gepackt und schenkt ihn nun an die Anwesenden aus. Hartgekochte Eier gibt es als kleine Stärkung dazu. Das richtige große Frühstück soll später folgen.
Für Arslan Tahir sind Aktionen für die Gemeinschaft und das Land, in dem man lebt, wichtig. „Wir machen aktuell häufiger öffentliche Aktionen; in diesen schwierigen Zeiten ist es wichtig, sich für Frieden und Gemeinschaft einzusetzen“, sagt er.
Imran Ahmad aus Bad Buchau ist bereits losgezogen und liest Verpackungen von Feuerwerksraketen im Uferpark zusammen und pickt kleineren Müll mit der Greifzange auf. „Es liegt mehr herum als im Vorjahr“, kommentiert er. Was ihn so früh nach draußen treibt, zudem zum Müllsammeln? „Es gehört für mich zur Neujahrsfeier dazu“, sagt er.
Für ihn und die übrige Ahmadiyya-Gemeinde gehöre vor allem das Friedensgebet zu Neujahr dazu, es gebe keine große Party, kein Wachbleiben bis mitten in die Nacht und vor allem: „Niemand ist betrunken.“ Stattdessen gehe es beim Jahreswechsel darum, das Beste für das neue Jahr zu wünschen und eben am Neujahrsmorgen etwas für das Land zu tun, in dem man lebe, auch, indem man den Müll der Nacht gemeinsam zusammensammle.

Insgesamt ist die Gruppengröße schwer einzuschätzen, denn selbst nach einem gemeinsamen Foto stoßen noch weitere Müllsammler hinzu. Auch der Imam der Gemeinde, Sharib Ahmad, ist unter denen, die mit Müllzange losziehen.
Für Umair Ahmad, der seit einigen Jahren in Tettnang lebt, ist die Aktion vor allem eines: Heimatverbundenheit. „Auch in dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin, haben wir regelmäßig unsere Straße sauber gemacht. Das kenne ich schon aus meiner Kindheit“, erzählt er.
Da seien sie nicht nur einmal im Jahr unterwegs gewesen – wie jetzt in Deutschland – sondern oft sogar wöchentlich, erinnert er sich. „Wir zeigen damit die Liebe zu unserem Land, sie ist ein wichtigerer Teil unseres Glaubens“, erklärt er. Dann zieht er weiter und sammelt die nächste ausgebrannte Feuerwerksbatterie auf. Auch ein Stück weiter in der Karlstraße sind die ehrenamtlichen Helfer unterwegs und lesen die Reste vom Feuerwerk auf.

Mohammad Atif deutet auf ein paar vereinzelte Passanten, die sich bei dem ungemütlichen Wetter nach draußen gewagt haben: „Die Menschen gehen hier entlang; sie sollen es schön haben.“ So begründet er seinen Einsatz zum Jahresbeginn. Friedrichshafen nennt er seit acht Jahren seine Stadt, seinen Heimatort, und eben deshalb sei es ihm wichtig, etwas für diesen Ort zu tun. „Ich liebe meine Stadt“, betont er. Ursprünglich komme er aus Sialkot, einem Ort im pakistanischen Punjab, relativ nah an der indischen Grenze.