Wie haben Sie 2021 erlebt?

Es war nochmals ein intensives Corona-Jahr. Aber wir konnten trotz des Pandemie-Managements Themen bearbeiten, die nach vorn weisen.

Was lief gut aus Ihrer Sicht?

Mit dem örtlichen Corona-Management waren wir sehr ordentlich und robust unterwegs.

Woran machen Sie das fest?

An den Infektionszahlen, an den vielen Test- und Impfangeboten, wie viele Leute in Kliniken lagen, auch an der Mortalitätsrate. Da waren Friedrichshafen und der Bodenseekreis im Landes- und Bundesvergleich sehr positiv unterwegs.

Und was lief weniger gut?

In Berlin, in Stuttgart… Es gab einen Wettlauf im föderalen System, es gab keine einheitliche Steuerung der Krise. Vor der Bundestagswahl wurden manche Wahrheiten möglicherweise nicht in der nötigen Klarheit angesprochen.

Friedrichshafen hat also alles richtig gemacht – die Fehler liegen beim Bund und dem Land?

So vermessen sind wir nicht. Auch bei uns gab es ein paar Holperer.

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Welche denn?

Wir haben uns stark auf Corona fixiert und sind andere Themen später angegangen. Unsere Bearbeitungszeiten für Themen im Gemeinderat haben sich also verlängert.

Aber die Weihnachtsmärkte haben Sie zuerst angekündigt, dann wurden sie schnell wieder abgesagt.

Es war unser Wunsch, allen Mitwirkenden auf dem Markt den verlässlichen Rahmen zu geben, den das Land im Herbst vorgegeben hatte. Diesen hätten wir umsetzen können. Als dann aber vom Land kurzfristig die Regeln geändert wurden, konnten wir diesen Rahmen nicht mehr halten.

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Statt Weihnachtsmarkt-Besuchern sind nun teils Impfkritiker abends in den Städten unterwegs. Was halten Sie davon?

Man darf den Gesprächsfaden nicht verlieren. Es darf zu keiner Trennung in einer Stadt kommen. Inhaltlich kann ich deren Position nicht nachvollziehen. Der Piks hat mir geholfen – und er hat nicht wehgetan.

Sind Sie also für eine Impfpflicht?

Die Frage stellt sich nicht, die Pflicht hat der Bund jetzt eingeführt, sie wird Stand heute ab März kommen. Wenn ich aber zurückdenke, wie viele U-Untersuchungen und Impfungen wir mit unseren Kindern gemacht haben – Masern und was es alles gibt – da war das alles kein Thema. Man hat gesagt: Das brauchst du, damit die Kinder einigermaßen durchkommen. Deshalb fällt es mir schwer, die Diskussion diesbezüglich nachzuvollziehen.

Wie nehmen Sie die Stimmung in der Stadt wahr?

Schwierige Frage. Die Kontakte sind weniger geworden, es gibt weniger persönliche und repräsentative Anlässe zum Gespräch. Aber ich nehme wahr, dass ein überwiegender Teil von Beschäftigten wirtschaftlich gut durch die Krise gekommen ist. Aber Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie kämpfen noch – trotz einer starken Sommersaison. Auch Selbstständige und Kulturschaffende sind gebeutelt.

Bild 1: Oberbürgermeister Brand über Geld, die Impfpflicht, Helmut Schmidt und seine eigene Zukunft
Bild: Lena Reiner

Wie können Sie hier unterstützen?

Zu Beginn der Pandemie hatten wir die Grundsteuerfälligkeit nach hinten verschoben. Wir haben zudem die Möglichkeit, Gebühren, Steuern, Beiträge zu stunden. Doch diese Angebote werden sehr zurückhaltend genutzt.

Keine Notwendigkeit für Hilfe also?

Wir haben Zuschüsse, Zuweisungen, Vereinsförderung und die Kulturförderung nicht gestrichen. Dank einer ordentlichen Haushaltspolitik konnten wir Stabilität geben.

Bleiben wir beim Thema Finanzen. Im Jahr 2020 hat die ZF ein Minus von 741 Millionen Euro eingefahren, es gab keine Dividende für die Stadt. Fehlt Geld?

Der Stiftungshaushalt, den Sie ansprechen, betrifft die Altenpflege, die Kindergärten, die Krankenhilfe, die Vereinsförderung. Hier konnten wir durch gute Rücklagenpolitik unser Ausgabenniveau nahezu halten. Für den städtischen Haushalt gilt: Wir liegen jetzt bei 28 Millionen Euro Verschuldung. Wir sehen, dass die Gewerbesteuereinnahmen deutlich unter dem langjährigen Mittel liegen. Es fehlt also Geld, aber wir haben innerhalb des Verwaltungsapparats gespart.

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Auf welche größeren Projekte haben Sie verzichtet?

Auf die Gestaltung eines Abschnitts des Uferparks zum Beispiel. Und auch ein Abschnitt auf der Friedrichstraße beziehungsweise auf dem Bahnhofsvorplatz hat es nicht in den Haushalt geschafft.

Wie passt es zusammen, dass die ZF 2020 zwar keine Dividende ausgeschüttet hat, die Gehälter des Vorstands aber um 1,7 Millionen Euro gestiegen sind?

Hier verweise ich an die ZF. Antworten auf solche Fragen können und dürfen wir als Gesellschafter nicht beantworten. Da halten wir uns strikt an die Gesetzeslage.

Bleibt die Stadt Eigentümerin der Zeppelin-Stiftung? Seit Längerem versucht ja ein Nachfahre von Graf Zeppelin, Friedrichshafen die Trägerschaft streitig zu machen. Hat er Aussicht auf Erfolg?

Nach unserer tiefsten Überzeugung: ein klares Nein. Die betreffenden Klagen waren von Anfang an aussichtslos.

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Auch in Bezug auf eine andere Institution der Stadt gibt es derzeit Diskussionen. Gesundheitsminister Manne Lucha behauptet, für die Tettnanger Klinik keine Zukunft zu sehen. Was sagen Sie dazu?

Auch in Zukunft wird es in Tettnang und Friedrichshafen Kliniken geben. Ohne Wenn und Aber. Es gibt keine Diskussion über Schließungen.

Im letzten Teil unseres Gesprächs will ich mehr über Sie persönlich erfahren. Sie haben über zehn wichtige Ämter inne. Sie sind zum Beispiel Vorsitzender der Zeppelin-Stiftung, Aufsichtsrat bei ZF und Zeppelin Systems, Aufsichtsratsvorsitzender der Klinik und der Messe. Wie überblicken Sie all Ihre Aufgaben?

Ich unterscheide Wesentliches von Unwesentlichen. Zudem ist meine Arbeit getragen vom Vertrauen in die Verantwortlichen in den Unternehmen, aber auch zu meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum in Friedrichshafen, dass der Oberbürgermeister der Chef der Unternehmen sei. Ich bin entweder Aufsichtsrat oder vertrete Eigentümerinteressen. Ich mische mich also nicht in das operative Geschäft der ein.

Bild 2: Oberbürgermeister Brand über Geld, die Impfpflicht, Helmut Schmidt und seine eigene Zukunft
Bild: Lena Reiner

Sind Sie ein mächtiger Mann?

Mir gefällt der Begriff Macht nicht. Er fällt eher in eine militärische Kategorie. Ich würde es als Pflicht und Verantwortung bezeichnen, die vor der persönlichen Freiheit kommt. Zuerst müssen die Dinge erledigt sein, um danach ein Kürprogramm zu machen. Da bin ich preußisch diszipliniert.

Sind sie also mehr Diener als Herrscher?

Ja, da habe ich – wie gesagt – ein preußisches Verständnis. Macht bedeutet für mich Verantwortung, die mir durch eine Wahl befristet übertragen wurde. Ich habe einen unveränderten Gestaltungswillen und übernehme gerne Verantwortung.

Sie haben kein Parteibuch. Welchen Werten fühlen Sie sich verpflichtet?

Ich bin dem Grundgesetz und den Gesetzen verpflichtet. Mir ist daran gelegen, im kleinsten Glied der staatlichen Ordnung – der Gemeinde – etwas zu bewirken: Daseinsvorsorge, gute Infrastruktur, ein gutes soziales Miteinander. Und in ganz jungen Jahren habe ich mal Plakate an meiner Schule aufgehängt: „Zieht mit: Wählt Schmidt“

Kanzler Helmut Schmidt, SPD?

Richtig. Mein konservativer Schulleiter hat damals von mir verlangt, die Plakate wieder abzuhängen. Inzwischen orientiere ich mich nach Werten der gesamten politischen Mitte. Ich bin für alle guten Argumente offen.

Sie waren vor Friedrichshafen schon in zwei anderen Gemeinden Bürgermeister. Was kommt nach ihrer derzeitigen Amtsperiode im Jahr 2025?

Nach 2025? Warum fragen Sie?

Sie waren immer eine zeitlang an einem Ort und haben sich dann neu orientiert.

Ich bin ein klassisches Gewächs des gehobenen Verwaltungsdienstes. Dass ich Oberbürgermeister werde, das ist schon ein maximales Ziel. Wenn ich den Wunsch gehabt hätte, in die Politik zu gehen, hätte ich mir irgendwann das richtige Parteibuch zulegen müssen.

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Welche langfristige Vision haben für Sie für sich, sagen wir in zehn Jahren?

Das weiß ich nicht, vielleicht gehe ich mit meinen beiden Hunden spazieren (lacht).

Was ist Ihre langfristige Vision für Friedrichshafen?

Die Stadt soll Zentrum und Wiege der Mobilität bleiben. Friedrichshafen soll Handels-, Handwerks-, Produktions-, Industrie- und Forschungsstandort bleiben. Dazu gehören gute Bildung, Schulen und Hochschulen. Ich stelle mir eine Stadt vor, die mit den Segnungen der Zeppelin-Stiftung und der Kraft der Bürgerinnen und Bürger ein gutes soziales Miteinander trägt. Dazu zählt auch ein gesundes Wachstum der Stadt. Und ich wünsche mir, dass die Häflerinnen und Häfler Stolz auf ihre Stadt sein können.

Und welches Ziel wollen Sie bis Ende 2022 erreichen? Worüber unterhalten wir uns im nächsten Jahr?

Ich will kommenden Dezember sagen können, dass es allen politisch Verantwortlichen gelungen ist, erfolgreich die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Und wir unterhalten uns hoffentlich über ein gelungenes Seehasenfest und ein wunderbares Kulturufer.

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