Trotz eines russischen Störmanövers ist die ehemalige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock mit überwältigender Mehrheit zur nächsten Präsidentin der UN-Generalversammlung gewählt worden. Die 44-jährige Grünen-Politikerin erhielt bei einer durch Moskau erzwungenen geheimen Abstimmung des größten Gremiums der Vereinten Nationen 167 Stimmen – 14 Mitgliedsstaaten enthielten sich. Sieben weitere Länder sprachen sich in New York dagegen für die ursprüngliche deutsche Kandidatin Helga Schmid aus.

In ihrer Dankesrede sagte Baerbock, dass sie das Gremium als „ehrliche Vermittlerin“ und einende Kraft leiten wolle: „Meine Tür wird stets für alle offen stehen.“ Mit Blick auf die zahlreichen Krisen weltweit sagte sie: „Wir haben schon früher schwierige Zeiten durchlebt. Und es liegt an uns, diese Herausforderungen anzunehmen.“ Nach ihrer Wahl war in der riesigen Halle der Generalversammlung am East River in Manhattan lauter Applaus aufgebrandet.

Erst fünfte Frau auf dem Posten

Der Spitzenposition wird in erster Linie protokollarische Bedeutung beigemessen – sie ist nicht mit der Rolle von UN-Generalsekretär António Guterres zu verwechseln. Die offizielle Amtseinführung ist am 9. September, kurz vor der Generaldebatte der UN-Vollversammlung mit Staatsgästen aus aller Welt.

Guterres sagte Baerbock seine volle Unterstützung zu und betonte ihre politische Erfahrung als deutsche Außenministerin. „Und vergessen wir nicht die historische Bedeutung, die erst fünfte Frau zu sein, die zur Präsidentin der Generalversammlung gewählt wurde“, so der 76-jährige Portugiese.

Hohes Amt mit wenig Macht

Als Präsidentin wird Baerbock die Sitzungen der Generalversammlung leiten sowie Abläufe und Tagesordnungspunkte festlegen. Mit diesen Aufgaben könnte die 44-Jährige zumindest begrenzten Einfluss auf Entscheidungsprozesse hinter den Kulissen nehmen, etwa den der Wahl des nächsten Generalsekretärs im kommenden Jahr. Dabei dürfte Baerbocks direkter Draht zu Außenministern weltweit helfen – also den Chefs der UN-Botschafter in New York.

Im Vergleich zur Vollversammlung gilt der 15-köpfige UN-Sicherheitsrat mit den fünf Vetomächten als deutlich mächtiger. Er kann völkerrechtlich bindende Resolutionen erlassen. Die Entscheidungen der Generalversammlung dagegen haben oft eher symbolischen Wert und gelten als weltweites Stimmungsbild.

Wahl mit russischem Störmanöver

Entgegen allen Gepflogenheiten hatte Moskau Diplomatenkreisen zufolge eine geheime Abstimmung des größten UN-Gremiums mit 193 Mitgliedsländern über Baerbock beantragt. Normalerweise besiegelt die Vollversammlung Personalien ohne Gegenkandidaten per Akklamation, also im Konsens und ohne formelle Wahl.

Stattdessen kam es zu einer Abstimmung mit Stimmzetteln, auf denen nur Baerbocks Name stand, bei der aber auch eine Enthaltung oder das Hinzufügen eines weiteren Namens möglich war. Wie üblich stimmten einige Delegationen am Montag auch gar nicht mit ab.

Russland hatte in den vergangenen Wochen kein Hehl daraus gemacht, dass es Baerbock für eine ungeeignete Kandidatin hält und ihr „eklatante Voreingenommenheit“ unterstellt. Baerbock war als Außenministerin gegenüber Russland im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine einen harten Kurs gefahren und damit immer wieder ins Visier Moskaus geraten.

Ursprünglich war für das Amt der Präsidentin der UN-Generalversammlung die deutsche Top-Diplomatin Schmid vorgesehen, die auch von Russland akzeptiert war. Baerbock wurde für ihre späte Kandidatur nach der verlorenen Bundestagswahl kritisiert.

Amtsantritt in Krisenzeiten

Baerbock beginnt das neue Amt in Zeiten großer Herausforderungen: „Die Vereinten Nationen – das Zentrum des multilateralen Systems – stehen unter enormem Druck. Politisch und finanziell“, sagte sie dazu. Vor allem Kürzungen der US-Regierung unter Donald Trump führen zu schmerzhaften Einschnitten bei der Weltorganisation. Baerbock kündigte an, Reformen mit vorantreiben und die Ressourcen der Vollversammlung so effizient wie möglich einsetzen zu wollen.

Sie hatte als Schwerpunkte ihrer Amtszeit das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele, den Kampf gegen die Klimakrise sowie die Gleichstellung der Geschlechter genannt. Der neue Job in New York wird als möglicher Beginn einer internationalen Karriere für Baerbock gesehen, die einen Masterabschluss im Völkerrecht hat. (dpa)