Manche wollen partout gegen Windmühlen kämpfen. So hatte im Vorfeld der Bundestagswahl die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel versprochen, „alle Windkraftwerke nieder, nieder!“ zu reißen. Bei diesen handele es sich nämlich um „Windmühlen der Schande“.

Auch der jetzige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte im Wahlkampf das Ressentiment gestreichelt. Etwas moderater hatte er in Aussicht gestellt, „dass wir eines Tages die Windkrafträder wieder abbauen können, weil sie hässlich sind“.

Dass eine ästhetische Bewertung in einer industrie- und energiepolitischen Debatte so starkes Gewicht bekommt, wirkt etwas unseriös. Schließlich stimmt es ja, was der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie, Wolfram Axthelm, dem SÜDKURIER mitteilt: „Anlagen zur Energieproduktion wurden noch nie nach ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt.“ Schließlich gehe es darum, eine widerstandsfähige Energieversorgung sicherzustellen. „Die Anlagen sollen das tun, wofür sie gebaut werden“, so Axthelm, „nämlich Energie erzeugen.“

„Man mag die Dinger nicht und findet sie deshalb hässlich“

Das sieht Industrie-Designer David Gebka von der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste, der sich mit Windkraftanlagen befasst hat, ähnlich. „Ich glaube, die ästhetischen Argumente sind meistens rückwärts gedacht“, erklärt er dem SÜDKURIER. „Also man mag die Dinger nicht und deswegen findet man sie hässlich.“ Sich gestalterisch an ihnen abzuarbeiten hätte dann tatsächlich wenig Sinn.

Sieht doch eigentlich ganz idyllisch aus? Kommt wohl auf die Perspektive an: Wer Windkraft generell ablehnt, findet auch diese Räder ...
Sieht doch eigentlich ganz idyllisch aus? Kommt wohl auf die Perspektive an: Wer Windkraft generell ablehnt, findet auch diese Räder einfach nur hässlich, sagt Industrie-Designer David Gebka. | Bild: Markus Scholz

Man trifft auf ästhetische Vorbehalte gegen Windkraftanlagen auch anderswo als nur in Deutschland. In Spanien zum Beispiel, das den Windkraft-Ausbau ähnlich wie Deutschland forciert. Bloß bleibt es dort bislang marginal – während hier selbst die etwas schräge Schmähmetapher von der „Verspargelung der Landschaft“ selbst in höchstrichterliche Urteile Einzug gefunden hat, als wäre sie ein Fachausdruck.

Der Tourismus, das hat kürzlich Francisco López-Martínez, Sozialgeograf an der Universität von Malaga in der Gegend um Peñas de San Pedro, nachgewiesen, begegnet den Windparks in der Sierra de Alcaraz eher mit Gleichgültigkeit. Manchmal aber, heißt es in Lopez‘ Studie von 2023, habe der Tourismus sie sogar als Gewinn für die Landschaft aufgefasst, dort unten im Südosten von La Mancha. Ob das damit zu tun hat, dass auf der Iberischen Halbinsel Windmühlen schon länger genutzt werden, als im Rest Europas?

Windpark in Spanien: Auf den Tourismus wirkt sich diese Energieform so gut wie nicht aus.
Windpark in Spanien: Auf den Tourismus wirkt sich diese Energieform so gut wie nicht aus. | Bild: Carlos Castro

In Deutschland spielen „ästhetische Fragen beim Widerstand gegen Windkraftanlagen auf jeden Fall eine große Rolle“, bestätigt Protestforscherin Julia Zilles, die am Göttinger Soziologischen Forschungsinstitut (Sofi) Widerstand gegen Windkraftausbau untersucht. „Verbreitet ist die Sorge, dass eine Industrielandschaft entsteht“, sagt sie auf SÜDKURIER-Anfrage. „Das wendet sich gegen die Veränderung, den befürchteten Verlust von Heimat.“ Das leuchtet ein. Das Konzept „Heimat“ ist ja immer nostalgisch. Sie bezeichnet einen Ort der Kindheit, der immer so am schönsten ist, wie er einst war. Dass er sich ändert, davon möchte man am liebsten gar nichts wissen.

Vielleicht setzt sich im ästhetischen Widerstand gegen Windkraftanlagen in Deutschland die Skepsis fort, auf die hierzulande die Ernte von Windenergie stieß, seit mit ihr im Hochmittelalter begonnen wurde – um Getreide zu mahlen, Ölsaaten zu quetschen, Wasser zu schöpfen. Denn Vorbehalte gegen Windmühlen finden sich eben nicht nur im Volksglauben, der technischen Bauwerken ohnehin mit Misstrauen begegnet.

Der Geist der Auflehnung

Die „Deutschen Sagen“ der Brüder Grimm geben Auskunft darüber, dass in der Windmühle fast immer der Teufel los gewesen ist, oder wenn nicht, dann wenigstens ein bösartiger Kobold in ihr hauste. Diese raunenden Legenden passen aber ebenso zum Interesse der Landesherrschaft wie die Zweifel, die von der gelehrten Mühlenliteratur und der Mühlenrechtsprechung an der Windmühle gehegt und gesät werden. Schließlich wohnt in ihr ja der Geist der Auflehnung. Sie ermöglichte nämlich, ohne Sondererlaubnis des Lehensherren einfach die Naturkraft dienstbar zu machen.

Zwar hatte der die Verfügungsgewalt über die Erde und das Wasser und all ihrer Wesen. „An die Luft aber hatte keiner gedacht“, schreibt der französische Historiker Robert Philippe, der die Energiegeschichte des Mittelalters rekonstruiert hat. „Als sich die Windmühle Ende des 12. Jahrhunderts zu drehen begann, hatten die Luft und die Windenergie noch keinen Status.“ Dank dieser Rechtslücke sei „die Windmühle eine Waffe“ gewesen – nämlich im Dienst der „antiherrschaftlichen Offensive“ seit Beginn des 13. Jahrhunderts. Daher sind viele der frühesten Nachrichten von der Ausbreitung der Windmühlen ausdrückliche Verbote, sie zu bauen.

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Manchmal finden sich auch Berichte in den Akten, wie die Landesfürsten sie rechtswidrig niedergebrannt haben: „Die Windmühle ist die Mühle des Bürgerlichen“, so Robert Philippe. Leute, die lieber die alte Ordnung bewahren würden, rennen gegen sie an. Ihre Kämpfe sind auch im 18. Jahrhundert noch spürbar: Das „Theatrum Machinarum Molarium Oder Schau-Platz der Mühlen-Bau-Kunst“, das ein gewisser Johann Matthias Beyer 1735 dem Kaiser Karl VI. widmet, referiert nicht nur etliche juristische Stellungnahmen dazu, dass der Windmühlenbau sehr wohl genehmigungspflichtig sei. Es macht auch konsequent Anti-Windmühlen-Propaganda: „Es sei fast niemandem zu rathen“, schreibt er, „auf die Wind-Muehle viel Kosten zu verwenden“. Auch wenn sie „in Holland gute Dienste thut“.

Darstellung einer holländischen Windmühle von Jacob van Ruisdael im Jahr 1646.
Darstellung einer holländischen Windmühle von Jacob van Ruisdael im Jahr 1646. | Bild: Wikipedia

Aber Holland, das sind halt die abtrünnigen Provinzen, die Republik der Vereinigten Niederlande, über deren Erfolge zu Wasser, zu Lande und mit der Luft ein Habsburger Kaiser nicht gerne erinnert wird. Und wo wiederum eine bis dahin ungekannte Bilderproduktion Windmühlen als Teil der Landschaft, als Symbol der Freiheit – und als Wahrzeichen der Heimat inszeniert. Und geliebt. Ein Gesetz, das wie das westdeutsche Mühlengesetz von 1957 Stilllegungs- und Abbau-Prämien für diese markanten Anlagen festschreibt? In den Niederlanden undenkbar.

Windkraft ist Geschmackssache

Ob Windkraftanlagen schön sind oder eben nicht: Das ist ein Geschmacksurteil. Das lässt sich formen. Man kann diese Zuneigung auch entwickeln: „Ich mag es, wenn ich auf der Autobahn fahre, und dann, bei Bayreuth, tauchen auf einmal diese großen Windräder aus dem Wald auf“, sagt zum Beispiel die Potsdamer Design-Professorin Alexandra Martini, die mit ihren Studierenden während der Corona-Pandemie ein großes Projekt zur zukünftigen Gestaltung von Windkraftanlagen gemacht hat.

Was sie an Windkraftanlagen mag, hängt von den Standorten ab. An der A9 in Ostfranken ist es das Zusammenspiel der Proportionen zueinander, „die sind interessant verschoben, eben infolge der Größe“, sagt Martini dem SÜDKURIER. Auch in der extrem dünn besiedelten Uckermark „integrieren die sich perfekt in die Fläche“, findet die Designerin. „Ich sehe diese Windräder als Fortschritt, als Ausdruck von Modernität.“

Aber: Die regionalen Widerstände verstehen, das kann sie auch. „Ich möchte hier auch kein Windrad direkt vor der Nase haben.“ Bestimmte Orte seien akzeptabel, andere eben nicht: „Man muss nicht auf jeden Berg ein Windrad bauen.“ Sie plädiert deshalb für ein „nutzerzentriertes Design“, das multiperspektivisch vorgeht: „Gestaltung ist immer gut, wenn sie interdisziplinär ist“, sagt Martini. „Man müsste also Landschaftsarchitekten, Bürger und Kommunen, Ingenieure und Designer zusammenbringen und dann Visionen entwickeln.“