Markus Mauthe lebt ein Leben zwischen Brasilien und Deutschland. Seine Heimat ist Friedrichshafen, mit dem Bodensee verbinde er alles Positive, was man mit Heimat in Verbindung bringe: „Deshalb haben wir, trotz unseres Paradieses im Regenwald, auch wieder den Bodensee als Teildomizil für die Kindheit unserer Tochter ausgesucht.“
Video-Format für Greenpeace aus der heimischen Wohnung
Draußen vor dem Haus leuchtet eine bunte Friedensflagge Besuchern entgegen, drinnen geht es die Treppe hoch direkt ins „Filmstudio“. Mitten in der Wohnung, in der Markus Mauthe mit seiner Frau Juliana und Tochter Annabel im Stockwerk über seinen Eltern lebt, hat er mit Scheinwerfern, Bildschirmen und Kamera den Rahmen für sein monatliches Format „Die Welt im Blick“ geschaffen, das er seit Kurzem für Greenpeace verwirklicht. Zwei Termine haben bisher stattgefunden. Ein Videoauftritt besteht aus einem halbstündigen Vortrag mit Mauthes Fotografien und anschließend dem Gespräch mit einem Gast, der virtuell zugeschaltet wird.

„Ich bin froh, dass ich arbeiten kann“, sagt Mauthe. Viele seiner Kollegen, die auf Vorträge und Reisefotografie spezialisiert seien, hätten derzeit einen fast hundertprozentigen Umsatzeinbruch, seien also faktisch arbeitslos. Gleichzeitig sei es für ihn auch wichtig, Einnahmen zu haben: „Unsere Kakaofarm trägt sich nicht durchweg selbst.“ Trotzdem wisse er, dass es ihm sehr gut gehe, gerade während der Pandemie in Deutschland.
„Corona ist ein Symptom für unseren falschen Lebensstil, genau wie der Klimawandel eines ist.“Markus Mauthe
„Wenn ich jammere, dann auf einem sehr hohen Niveau“, sagt er und lacht. Natürlich vermisse er das Reisen und die Vorträge vor Publikum. Gleichzeitig halte er die infektionsschützenden Maßnahmen für enorm wichtig und gehöre nicht zu denen, die gegen diese auf die Straße gehen. Mehr noch: Ihm fehle das Verständnis für derartige Proteste: „Wir müssen für andere Themen laut sein.“
Die Corona-Pandemie, die ausgebrochen sei, weil jemand eine Fledermaus verspeist habe, sollte eigentlich ein Warnsignal sein und zeigen, dass Umweltthemen enorm wichtig seien: „Corona ist ein Symptom für unseren falschen Lebensstil, genau wie der Klimawandel eines ist. Je mehr wir den natürlichen Kreislauf stören, desto mehr wird in dieser Art passieren.“ Dabei helfe Wegschauen hier wenig. Das Thema Umweltschutz könne man nicht einfach ignorieren, betont er: „Das wird uns in den nächsten Jahren überrollen, ob wir wollen oder nicht.“

Corona-Pandemie lenkt Fokus von Umweltzerstörung weg
Im Sommer dieses Jahres sei er durch Amazonien gereist, um dort die illegale Brandrodung für Greenpeace zu dokumentieren. „Das waren allein im August 30 000 Feuer und es rückt keine Feuerwehr mehr aus.“ Dass die Corona-Pandemie die Berichterstattung bestimme und den Fokus auf sich ziehe, werde schamlos ausgenutzt. Mauthe zeigt sich resigniert: „Wenn nur noch ein Baum stehen würde, dann würde der auch noch gefällt werden. Denn es findet sich immer jemand, der Profit daraus schlagen kann.“
Mit einer Fotografenausbildung zog er los in die Welt
Der 51-Jährige gehört zu den alten Hasen des Umweltschutzes. „Ich war schon immer ein bisschen ökoaffin“, beschreibt er sich. Durch seine Reisen sei der Aktivismus dazugekommen. Bereits mit 20 Jahren hatte er sich selbstständig gemacht. Ohne Abitur, „auf das hatte ich keinen Bock“, dafür mit einer dreijährigen Fotografenausbildung, inspiriert von den Eltern im selben Beruf, zog er von Friedrichshafen los in die Welt. Mit dem Fahrrad ging es durch Neuseeland. Sofort sei klar gewesen: so und nicht anders. In einem klassischen Fotostudio hat er nur während seiner Ausbildung ein halbes Jahr lang gearbeitet.
Seit 30 Jahren beobachtet Mauthe die Natur – und sieht ihr beim Sterben zu
Seit drei Jahrzehnten sei er nun selbstständig, reise und halte fest, was er dort sehe. Dabei habe sich seine Liebe zur Natur entwickelt und dadurch auch sein Fokus verändert: „Ich hatte das Privileg, 30 Jahre reisen zu dürfen und die Natur zu beobachten. Dabei habe ich ihr aber auch 30 Jahre lang beim Sterben zugeschaut.“
Zuvorderst ein Umweltaktivist, dann ein Fotograf
Inzwischen nenne er den Begriff Umweltaktivist zuerst, danach komme dann der Fotograf, auch wenn die Fotografie seine absolute Herzenssache sei: „wegen der Dringlichkeit“. Seit 30 Jahren sei er aktiv im Umweltschutz, seit 30 Jahren habe es auch immer wieder Fortschritte gegeben. Jedoch: „Wir sind auch 30 Jahre lang gescheitert.“ Es gebe sie nämlich, die großen Lösungen, es sei vollkommen klar, was dazu getan werden müsse, um Schlimmeres zu verhindern. Nur geschehe viel zu wenig.
Bewegung „Fridays for Future„ macht auf einem Tiefpunkt Hoffnung
Als Jair Bolsonaro in Brasilien – Mauthes zweiter Heimat – zum Staatspräsidenten gewählt worden sei, habe er einen Zusammenbruch erlitten, sagt Markus Mauthe: „Das war der Tropfen, der mein persönliches Fass zum Überlaufen gebracht hat.“ Während er sich an seinem persönlichen Tiefpunkt befunden habe, sei die Bewegung der „Fridays for Future„ entstanden. „Die haben mich eigentlich gerettet. Die haben mehr erreicht, als wir in den 30 Jahren davor geschafft haben.“ Das habe ihm einerseits Hoffnung gegeben und andererseits gezeigt: „Aufgeben ist nicht.“
Zur Selbsttherapie habe er dann angefangen, ein Buch zu schreiben; ein sehr persönliches. Darin seien seine eigenen Erfahrungen verarbeitet. Unter dem Titel „Allein kann ich die Welt nicht retten“ kommt es Anfang November mit etwas Verspätung in die Regale. Wegen eines Produktionsfehlers verzögerte sich die Auslieferung an den Buchhandel um gut zwei Wochen. Derweil hofft Mauthe, dass sich die „Fridays for Future„-Bewegung zeitnah wieder erholen kann: „Wir sind die letzte Generation, die den Klimawandel noch zumindest abmildern kann, denn aufhalten lässt er sich nicht. In fünf bis zehn Jahren ist auch das nicht mehr möglich.“