Es war ein beißend kalter Januartag. Dennoch demonstrierten Anfang des Jahres gut 4000 Beschäftigte von Rolls Royce Power-Systems (RRPS) vor dem Werk 1 in Friedrichshafen. Sie wollten Thomas Bittelmeyer zuhören. Der Betriebsratschef und weitere Redner hatten geladen, um ein Zeichen gegen Sparmaßnahmen des britischen Mutterkonzerns Rolls-Royce zu setzen. Der steckte in finanziellen Turbulenzen.

Betriebsversammlung bei RRPS im Januar: Sogar die Dächer seien undicht, so die Kritik der Beschäftigten.
Betriebsversammlung bei RRPS im Januar: Sogar die Dächer seien undicht, so die Kritik der Beschäftigten. | Bild: Benjamin Schmidt (Archiv)

Der neue Chef Tufan Erginbilgic hatte kurz zuvor von einer „brennenden Plattform“ gesprochen. In Konsequenz sollte auch die Tochter RRPS ihren Beitrag leisten, um ihren strauchelnden Eigentümer zu stabilisieren. Bittelmeyer befürchtete mangelnde Investitionen in die Häfler Werke – und eine Gefahr für die Zukunftsfähigkeit des Traditionsbetriebs am Bodensee. Er kritisierte: „Es regnet sogar in die Produktionshallen.“

Gute Zahlen, Rendite sinkt allerdings

Gut ein halbes Jahr später haben sowohl Royce Royce als auch die Tochter RRPS ihre Halbjahreszahlen vorgelegt. Die Lage scheint sich auf den ersten Blick gebessert zu haben. Demnach beträgt der bereinigte Betriebsgewinn im Mutterkonzern innerhalb der ersten sechs Monate gut 781 Euro Millionen Euro (673 Mio. Pfund), im Vorjahreszeitraum waren es lediglich 145 Millionen Euro (125 Mio. Pfund).

Auch RRPS legte gute Werte vor: Konkret sind es 143 Millionen Euro Gewinn im ersten Halbjahr. Das entspricht etwa dem Vorjahreswert. Allein: Die Marge ist geschrumpft: von 8,7 Prozent auf nunmehr sieben Prozent. Doch was bedeutet das für die Zukunft von RRPS? Ist der Betrieb trotz der recht positiven Zahlen unter Druck – weil zu viel des erwirtschafteten Geldes nach England fließt?

Das wollte der SÜDKURIER von RRPS-Sprecher Wolfgang Boller wissen. Mit konkreten Zahlen rückte er nicht heraus. „Die Zahlungen an die Gruppe sind Gegenstand des Jahresabschlusses“, so Boller. Gleichwohl betont er: „Wir sind Teil eines Konzerns und tragen substanziell zum Ergebnis des Konzerns bei.“

Ein ordentlicher Anteil des erwirtschafteten Gewinns dürfte demnach nicht am Bodensee verbleiben, wie auch das recht enge Jahresbudget für das Jahr 2023 festlegt (Der Südkurier berichtete). Gleichwohl sagt Boller: „Rolls-Royce unterstützt unseren strategischen Kurs und investiert bis 2025 einen dreistelligen Millionenbetrag.“ Diese neuen Investitionen unterstützen ihm zufolge die Innovationskraft und Akquisitionstätigkeiten für den weiteren Ausbau des Geschäfts.

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„Die Zahlungen an England sind zu hoch“

Alles gut also? Wie sieht das Betriebsratschef Thomas Bittelmeyer? Einerseits freut sich auch er: „Wir haben Auftragsbücher voll bis zum Ende des nächsten Jahres.“ Allerdings sieht er die Zukunftsfähigkeit des Standorts – anders als die offizielle Position des Unternehmens – weiterhin gefährdet. Vom Gewinn wird ihm zufolge zu wenig am Standort bleiben. „Ich darf keine genauen Zahlen nennen. Doch die Zahlungen an England sind zu hoch.“

Genau deswegen sorgt sich Bittelmeyer. „Die Konsequenz ist, dass man in bestimmte Technologien nicht investieren kann“, führt er aus. „Aber das sind Technologien, in die man investieren muss.“ Konkret bezieht er sich darauf, dass Diesel-Produkte weiterentwickelt werden müssen, etwa wegen neuer Abgasnormen.

Doch auch in weiteren Bereichen müsse RRPS investieren: „Ich denke da an Elektrolyse und Batterielösungen.“ Kunden hätten das Interesse, ein diversifiziertes Portfolio vom Hersteller geboten zu bekommen. CEO Stratmann hatte bereits im Februar auf entsprechende Kritik reagiert: Damals sagte er: „Wir als Vorstand haben ein ureigenes Interesse daran, uns zukunftssicher aufzustellen.“ Daher investiere man in klassische Technologien ebenso wie in neue Lösungen.

Bei einer Pressekonferenz im Februar äußerten sich die Verantwortlichen zu Vorwürfen, es werde zu wenig investiert. Auf dem Bild: Thelse ...
Bei einer Pressekonferenz im Februar äußerten sich die Verantwortlichen zu Vorwürfen, es werde zu wenig investiert. Auf dem Bild: Thelse Godewerth, Arbeitsdirektorin von Rolls-Royce Power Systems, und Jörg Stratmann, Vorstandsvorsitzender von RRPS. | Bild: Felix Kästle/dpa (Archiv)

Neues Werk eröffnet

Tatsächlich ist es nicht so, dass RRPS nicht investiert. Erst im Juni eröffnete CEO Stratmann ein neues Motorenwerk in Kluftern. Dort hat seitdem die Baureihe 2000 eine neue Heimat. Die Motoren treiben Yachten, Fähren und Schlepper, aber auch Bergbaufahrzeuge und Notstromaggregate an.

Bislang waren die Motoren im Werk 2 gefertigt worden. Dort werden die Hallen nun modernisiert und sollen künftig als weitere Produktionsflächen für die Baureihe 4000 dienen. Gut 30 Millionen Euro kostete die neue Stätte. Verbrennermotoren werden auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen, gab sich Jörg Stratmann überzeugt.

Doch all das reicht Thomas Bittelmeyer nicht. „Der Bau in Kluftern war eine absolut notwendige Investition.“ Die Maßnahme sei nötig geworden, um die Produktionslinien-Halle für die Baureihe 2000 zu sanieren. Er bleibt bei seiner Kritik: „Wir haben eine Mangelverwaltung.“ Bittelmeyer hatte bereits im April den Verkauf des Betriebs an Investoren gefordert – und erneuert nun diesen Appell: „Das Unternehmen muss eine in die Zukunft gerichtete Eigentümerstruktur haben. Ist das nicht der Fall, fordere ich den Verkauf.“ Denn letztlich gehe es um tausende Arbeitsplätze in der Region.