Wie geht es Ihnen und Ihrem Team in dieser schwierigen Zeit?
Wir haben uns gut auf die aktuelle Situation eingestellt. Das ganze Team, die Ärzte und die Pfleger, sind sehr engagiert und motiviert, damit wir durch diese Phase gut durchkommen.
Sie stehen gewissermaßen an der „Front“ auf der Intensivstation. Könnten Sie schildern, wie die Lage derzeit ist?
Natürlich haben wir schwerst erkrankte Patienten auf der Intensivstation. Aber es gibt auch Corona-Patienten, die wir mittlerweile als geheilt entlassen konnten. Unser erster Corona-Fall etwa kam mit schwerstem Lungenversagen, hat erfreulicherweise die Erkrankung sehr gut überstanden und ist nicht mehr beatmet. Für die erwartete Zunahme von Patienten mit schwerem Lungenversagen sind wir gut gerüstet. Wir haben unsere Intensiv-Kapazitäten vorausschauend erweitert.

Zwei Patienten sind ja bereits gestorben. Rollt die Welle bei uns jetzt erst richtig an?
Ich glaube schon. In ganz Deutschland, aber auch bei uns in Friedrichshafen, werden wir Steigerungen von positiven Corona-Patienten bekommen. Das betrifft Patienten mit geringer Symptomatik aber auch diejenigen, die schwer krank sein werden.
Was erleben Sie tagtäglich? Gibt es eine eigene Intensivstation für die Corona-Patienten?
Ja, wir behandeln Patienten, die keine Corona-Erkrankung haben, auf einer separaten Intensivstation, die sich in einem anderen Stockwerk befindet. Die Patienten, welche
viruspositiv sind, sind räumlich von den virusnegativen Patienten getrennt. Wichtig bei alldem ist der Selbstschutz der Mitarbeiter, allen voran der extrem engagierten Pflegekräfte. Es ist wichtig, dass sich unsere Mitarbeiter vor einer Ansteckung schützen, denn Pflegekräfte und Ärzte haben in der Behandlung direkten Kontakt mit den Patienten.
Wie gehen Sie mit den Patienten um?
Auf der Infektionsstation, die wir ebenfalls erweitert haben, liegen die Corona-Fälle, die stationär behandelt werden müssen, aber keine schwere Symptomatik haben. Die Patienten dagegen, die unter einem schweren Lungenversagen leiden, kommen auf die Intensivstation. Deren Zahl schwankt täglich, aber es zeichnet sich eine kontinuierliche Zunahme von Patienten ab, die wir stationär und auch intensivmedizinisch versorgen müssen. Die Krankheitsverläufe sind zum Teil sehr erfreulich. Es gibt aber auch viele Patienten, die nicht so schwer erkrankt waren und die wir bereits wieder entlassen konnten.
Viele Menschen sagen ja, dass das Virus nur für alte Menschen und Risikogruppen gefährlich ist. Was sagen Sie dazu?
Das Corona-Virus betrifft ältere Menschen, aber eben auch jüngere. In Frankreich ist ein 16-jähriges Mädchen gestorben, in den USA ein Kind im ersten Lebensjahr. Es ist so: Ältere Menschen haben eher weitere Erkrankungen, beispielsweise eine Herz- oder Lungenerkrankung. Und diese Menschen haben somit auch ein höheres Risiko, an einer Corona-Infektion schwer zu erkranken. Es ist aber sehr wichtig zu wissen, dass auch jüngere Menschen nicht davor geschützt sind, und es gibt auch in Deutschland bei jungen Menschen schwere und sehr dramatische Verläufe.
Was glauben Sie, wie sich die Lage in den nächsten Tagen und Wochen bei uns in der Region entwickeln wird?
Es wird in den nächsten Wochen sicherlich eine Zunahme der schwer Erkrankten geben, die wir intensiv-medizinisch versorgen müssen. Durch die von der Bundesregierung verhängten Maßnahmen verschiebt sich der Höhepunkt der Erkrankungswelle nach hinten, aber auch wir im Bodenseekreis werden deutlich höhere Zahl an erkrankten Bürgern bekommen.
Werden die Kapazitäten am MCB bald auch nicht mehr ausreichen, so wie in Italien oder New York?
Wir hoffen nicht, dass es eng wird. Wir haben die Zahl der Beatmungsplätze, der Mitarbeiter auch die Kapazitäten für Infektionspatienten insgesamt ausgeweitet. Wir sind vorbereitet darauf. Durch die Geschäftsführung und das Katastrophenmanagement hat sich der MCB auf die kommenden Situation in den vergangenen Wochen sehr gut vorbereitet.
Gleichzeitig suchen Sie schon jetzt nach Freiwilligen. Wie ist die Personallage?
Es kann natürlich nie genug Personal geben, das ist ja klar. Wir haben schon viele Angebote von Freiwilligen, die wir aktivieren können, wenn der Bedarf steigt. Wer sonst hier gerne aktiv mithelfen möchte, der darf sich gerne direkt an die Personalabteilung (personalabteilung@klinikum-fn.de) wenden.
Wie belastend ist das alles für Sie, die Ärzte und das Pflegepersonal?
Es ist für alle pflegerischen und ärztlichen Mitarbeiter eine sehr belastende Situation. Gerade auf der Intensivstation werden ausschließlich Corona-Patienten behandelt, zeitgleich ist das Thema omnipäsent in den Medien, so dass für die Mitarbeiter innerhalb und außerhalb des Klinikums kein Abstand zu der Thematik mehr möglich ist. Für die Mitarbeiter ist der direkte Kontakt mit den positiven Patienten sehr belastend. Deswegen haben wir intern den psychosomatischen Dienst umgestellt, damit die Mitarbeiter auch hier professionelle unterstützt werden können.
Hat sich bereits Klinikpersonal selbst angesteckt?
Wir haben bisher noch keine Ansteckungen des Intensiv-Personals. Ich bin ganz stolz darauf, dass unsere Maßnahmen und die Schutzausrüstungen bisher ihre Wirkungen zeigen. Aus Italien wissen wir, dass sich dort acht bis zehn Prozent des medizinischen Personals angesteckt haben, so dass der Selbstschutz bei uns natürlich eine ganz wichtige Rolle spielt.
Viel Kritik gibt es dieser Tage daran, dass bundesweit nicht genügend Schutzausrüstung da ist. Wie ist die Lage am Klinikum?
Natürlich hat kein Krankenhaus in Deutschland Schutzausrüstung für das nächste halbe Jahr auf Lager. Wir haben genügend Ausrüstung für etwa zwei bis vier Wochen. Es wird darauf ankommen, wie viele Fälle von Covid-19 wir nun wirklich bekommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir aufgrund der zunehmenden Eigenproduktion von Schutzausrüstungen keine Lieferengpässe haben werden.
Manche Menschen fordern die „Herdenimmunisierung“, also das Aufheben der Restriktionen, damit sich viele Menschen anstecken. Wie sehen Sie das als Mediziner?
Die Maßnahmen der Bundesregierung sollten von der Bevölkerung eingehalten werden. Nur so erreichen wir, dass der Anstieg der schwer erkrankten Menschen nicht explosionsartig ist, sondern so stattfindet, dass die vorhandenen Intensivkapazitäten ausreichen. Am Beispiel New York sehen Sie, welche Folgen eine Herdenimmunisierung hat. Dann reichen die Kapazitäten nämlich schnell nicht mehr aus.