Abgelehnt. 20 Stadträte stimmten am Montag gegen einen Solarpark, der bis zu 13,5 Millionen Kilowattstunden grünen Strom pro Jahr geliefert hätte. Damit ließen sich etwa 3700 Haushalte versorgen. Doch für die Mehrheit der Räte ist es zwar das richtige Projekt, aber am falschen Standort.

Guter oder schlechter Standort?

Die Firma Energiekontor wollte auf zehn Hektar landwirtschaftlich genutzter Flächen beidseits der Windhager Straße zwischen dem Fallenbrunnen und Schnetzenhausen Photovoltaik-Module aufstellen. Für den Investor ein guter Standort mit Aussicht auf Fördergeldern vom Staat: keine Schutzgebiete, ausreichend Abstand zu Wohnhäusern und Gedächtniskapelle, und das Landschaftsbild sei durch Verbindungsstraße und nahegelegener B31 ohnehin vorbelastet.

So in etwa hätte es aussehen können: Ein Solarpark in direkter Nachbarschaft in Heiligenberg-Rickertsreute.
So in etwa hätte es aussehen können: Ein Solarpark in direkter Nachbarschaft in Heiligenberg-Rickertsreute. | Bild: Hilser, Stefan

Doch genau dieses Argument zog bei vielen Stadträten nicht. Schon im Bauausschuss äußerte Dagmar Hoehne „Bauchschmerzen“, weil Ackerland verloren ginge und das weitläufige Areal für die Naherholung genutzt wird. Die Freien Wähler würden eher Projekte der Agri-PV befürworten, also Module über Obstplantagen. „An Hagelnetze hat sich ohnehin schon jeder gewöhnt.“

Abwägung mit Fragezeichen

Wie schwierig die Abwägung ist, erklärte Simon Wolpold (Netzwerk), selbst Landwirt und „massiver Befürworter der Photovoltaik“. Bei dem prognostizierten Energiehunger in der Stadt gebe es gar nicht genügend Dächer in der Stadt, um ausreichend Solarstrom selbst zu produzieren.

Simon Wolpold ist Landwirt und findet auch den Ausbau von PV-Anlagen wichtig. Aber nicht, wenn dafür landwirtschaftlich nutzbare Fläche ...
Simon Wolpold ist Landwirt und findet auch den Ausbau von PV-Anlagen wichtig. Aber nicht, wenn dafür landwirtschaftlich nutzbare Fläche verloren geht. | Bild: Lena Reiner

Somit komme man nicht umhin, PV-Module mit einer Leistung von etwa 100 Megawatt-Peak in der Fläche zu installieren. Jedes Jahr müsste also ein neuer Solarpark mit einer Größe von fünf bis zehn Hektar gebaut werden. Mit dem Solarpark beim Fallenbrunnenesch wäre das Soll für ein Jahr also erfüllt. Trotzdem lehne seine Fraktion dieses Projekt ab, „weil es sich dort nicht ins Landschaftsbild einfügt“. Besser geeignet seien Flächen in Hinterland und am Flughafen, wo ein großer Solarpark bereits geplant wird.

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Selbst die Grünen hatten „Probleme mit diesem Standort“, wie Fraktionschefin Claudia Huesemann zugab. Doch sie kamen zu einem anderen Schluss. „Wir müssen dringend ins Handeln kommen“, erklärte sie bereits im Bauausschuss. Diese Empfehlung gab auch Stefanie Fritz, Chefin des Stadtplanungsamts, ab. Wenn die Stadt – wie vom Gemeinderat beschlossen – bis 2040 klimaneutral sein will, müsste ein Drittel des benötigten Stroms auf Dach- oder Parkplatzflächen erzeugt werden, ein weiteres Drittel auf Freiflächen oder in der Agri-PV. Aktuell würden in Friedrichshafen aber nur drei Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommen.

Meilenweit vom Klimaziel entfernt

Dass Friedrichshafen sein Klimaziel kaum noch schaffen kann, wenn die Marschroute nicht in Richtung Vermeidung von Treibhausgasen geändert wird, sprach der städtische Energiemanager Dominik Gröber in der Sitzung offen aus. Allein was in den städtischen Gebäuden an Energie, Wasser und damit CO₂ verbraucht wird, sei meilenweit vom selbst gesteckten Ziel entfernt. 2023 lag der Ausstoß in den 85 größten Liegenschaften der Stadt bei rund 6960 Tonnen. 2040 sollen es nicht mehr als 165 Tonnen sein, um nicht mehr CO₂ zu erzeugen als zu verbrauchen.

Eingang zum Sportbad Friedrichshafen: Der Neubau gilt energetisch als „dringend sanierungsbedürftig“.
Eingang zum Sportbad Friedrichshafen: Der Neubau gilt energetisch als „dringend sanierungsbedürftig“. | Bild: Cuko, Katy

Wie schwierig das wird, zeigt ein konkretes Beispiel. Das Häfler Sportbad gehört zu den größten Energieschleudern im städtischen Gebäudeportfolio, obwohl es quasi mit Baujahr 2019 als nagelneu gilt. Hier attestiert der Bericht einen „dringenden energetischen Sanierungsbedarf“, weil der CO₂-Ausstoß derzeit bei rund 450 Tonnen liegt.

100 Millionen Euro nur für Gebäudesektor

Um den Klimapfad doch noch einhalten zu können, muss die Stadt gigantische Kosten in die Hand nehmen. 50 Millionen Euro sind veranschlagt, um 16 Prozent der städtischen Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz bis 2030 energetisch zu sanieren. Die gleiche Summe dürfte nötig sein, um die Hälfte der fossilen Heizungen auszutauschen. Woher Friedrichshafen in den nächsten fünf Jahren diese 100 Millionen Euro nehmen soll, bleibt im Vorgriff eines Sparhaushalts fraglich.

Dazu kommt die Vorgabe, die PV-Anlagen im Stadtgebiet auszubauen. Was es kosten würde, auf möglichst alle Dächer städtischer Liegenschaften Solarmodule zu installieren, ist im aktuellen Energiebericht nicht berechnet.