Ein bisschen stolz ist er schon: Torsten Gollewski, bei ZF Friedrichshafen verantwortlich für die Entwicklung autonomer Fahrsysteme, hat zur Vorführung seiner fahrerlosen Kleinbusse auf eine Teststrecke der Häfler Werke geladen. Auch der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ist gekommen. Sein Ressort fördert mit bislang gut 14 Millionen Euro ein Projekt, das bald autonome Gefährte auf die Straßen Friedrichshafens und Mannheims bringen soll.
Bevor es zur Probefahrt geht, erläutert Gollewski die Vision seines Unternehmens für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Günstig, klimaschonend und schnell soll er sein. „Mit dem ÖPNV brauchst du nicht doppelt so viel Zeit wie mit dem Auto, sondern nur halb so viel“, wünscht er sich. Gelingen soll das mit den autonomen Kleinbussen, genannt Shuttles. Diese fahren – zumindest in der Vision – auf eigenen Fahrbahnen an Staus vorbei: zuverlässig und ständig einsatzbereit.

Auch Verkehrsminister Winfried Hermann ist von der Idee überzeugt. Das Projekt RABus, das sein Haus mit bislang 14 Millionen Euro gefördert hat, ist für ihn ein „Leuchtturmprojekt für ganz Baden-Württemberg“. Dabei sollen in Mannheim und in Friedrichshafen ÖPNV-Linien mit elektrifizierten und automatisierten Fahrzeugen etabliert werden, bislang aber noch nicht auf separaten Fahrbahnen. Der Minister sagt aber mit Blick auf die weitere Zukunft: „Ich hoffe, dass die Shuttles die Straße beherrschen werden.“
Wie aber ist das denn so, im Shuttle zu fahren? Die Antwort in Kürze: unspektakulär. ZF-Entwicklungsingenieur Wolfgang Kinzelmann bittet die Gäste an Bord und tippt auf einem Bildschirm die gewünschte Haltestelle ein. Dann geht es mit dem summenden Geräusch des Elektroantriebs los. Orientierung geben dem Gefährt etwa Magnete auf der Fahrbahn, GPS, Radar und Lidar, eine mit Radar verwandte Messtechnik. Dann macht es unerwartet Halt.
Für den Stopp hat nicht etwa ein Softwarefehler oder ein Mensch auf der Fahrbahn gesorgt. Vielmehr ist ein Rabe nahe am Shuttle vorbeigeflogen – und das reagiert äußerst defensiv. Kein Wunder: Autonome Systeme sind darauf angelegt, Unfälle so gut wie möglich zu vermeiden. Auch die Deutsche Ethik-Kommission hat in einem Bericht bereits 2017 gefordert: „Die Technik muss nach ihrem jeweiligen Stand so ausgelegt sein, dass kritische Situationen gar nicht erst entstehen.“ Also lieber anhalten, als schlimmstenfalls einen Computer vor kritische Fragen zu stellen: Wohin ausweichen, wen gefährden?

Wer haftet bei Unfällen?
Doch wer wäre denn haftbar, sollte es mal zum Unfall kommen – und sei es nur ein Blechschaden? Konzernsprecherin Jennifer Kallweit betont: „Es gibt keine offenen Haftungsfragen seitens unserer autonomen Shuttles.“ In Deutschland gebe es klare Rahmenbedingungen, die in der Halterhaftung verankert seien. Auch das Bundesverkehrsministerium bestätigt auf Anfrage: Für autonome Fahrzeuge gilt die Halterhaftung. Das bedeutet: Baut das Gefährt während des Betriebs einen Unfall, haftet derjenige, der das Fahrzeug zugelassen hat: der Halter. Rechtlich herrscht also Klarheit.
Inzwischen ist der Rabe weitergeflogen und das Shuttle gibt wieder Gas. Mit bis zu 40 Stundenkilometern fährt es nun über das Testfeld und steuert eine simulierte Haltestelle an. Für den künftigen Betrieb sind sogar noch höhere Geschwindigkeiten angepeilt. Ziel ist es, im Verkehr „mitschwimmen“ zu können, anstatt ein Hindernis wegen zu geringen Tempos zu sein. Wenn nicht gerade Abstandsregeln zum Corona-Schutz herrschen, sollen bis zu 22 Personen im Shuttle Platz finden – und so zügig von A nach B kommen.
In der Debatte über autonomes Fahren ist meist von fünf Stufen die Rede. Noch gibt es allerdings keine allgemeingültige Definition.

Minister möchte ÖPNV-Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppeln
Mittlerweile ist das Grüppchen aus Journalisten, ZF-Mitarbeitern und Regierungsvertretern zum Campus der Zeppelin-Universität gefahren – noch mit konventionellen PKW. Hier enthüllen Torsten Gollewski von ZF und Verkehrsminister Hermann ein Modell des Shuttles, das künftig in Friedrichshafen unterwegs sein soll: Gelb und Schwarz ist es, wie die Farben der baden-württembergischen Landesflagge. Und dann erwähnt der Minister noch seine Vision: „Wir möchten die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln.“ Doppelt so viele Busfahrer für das Vorhaben zu finden, würde schwierig, so Hermann. „Deswegen ist das hier das Zukunftsprojekt.“
Noch allerdings denken die Verantwortlichen in kleineren Maßstäben. Anfang 2024 sollen in Friedrichshafen und Mannheim je zwei Shuttles an den Start gehen. In der Zeppelinstadt, so der Plan, verkehren sie zunächst lediglich zwischen dem ZF-Forum und den ZF-Werken. Später einmal soll die Strecke bis zum Klinikum erschlossen werden. Fahrgäste sollen dann etwa den Fahrausweis des Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbundes nutzen können. Noch Konkreteres, wie etwa der geplante Takt der Fahrten, wird noch geklärt.