„Unbekannte schlagen auf am Boden liegenden Mann ein“ und „Schlägerei zwischen fünf Männern am Bahnhof Friedrichshafen“: Es sind Meldungen wie diese, die beunruhigende Ereignisse am Häfler Stadtbahnhof beschreiben. Viele Menschen meiden den Bereich – sie fühlen sich dort nicht wohl. Immerhin haben jüngst Häfler Stadtverwaltung, Polizei, Zoll und Deutsche Bahn einen sogenannten Sicherheitspakt geschmiedet, um Orte wie den Stadtbahnhof sicherer zu machen. Der neue Kommunale Ordnungsdienst (KOD) geht dort seit Juli zusätzlich Streife. Ein Baustein, den sich zumindest Stadtverwaltung und Polizei dringend wünschen, fehlt allerdings: eine Videoüberwachung.

In Ravensburg kennt man dieselben Probleme, ist aber einen entscheidenden Schritt weiter: Ab sofort werden die Bereiche vor dem Ravensburger Bahnhofsgebäude und dem Zentralen Busbahnhof mit Videokameras überwacht. Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp ist erleichtert. „Seit Jahren kämpfe ich darum, dass wir in diesem Bereich eine Videoüberwachung bekommen.“
Dabei sah es lange nicht danach aus. Nicht einmal die Ermordung einer 62 Jahre alten Frau am Ravensburger Bahnhof im Februar 2021 reichte den Landesbehörden, um den Ort als Kriminalitätsschwerpunkt einzustufen – Grundvoraussetzung für den Einsatz von Videoüberwachung.
Schlägereien gaben den Ausschlag
Einfach so Kameras aufstellen und alles filmen, was auf einem öffentlichen Platz vor sich geht, ist verboten. Für Privatleute sowieso und auch für Behörden gelten hohe rechtliche Hürden aus Gründen des Datenschutzes und Persönlichkeitsrechts. Für eine Videoüberwachung müssen tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung zukünftiger Straftaten vorliegen. Oder anders formuliert: Es muss dort in der Vergangenheit schon eine Menge Straftaten gegeben haben und man muss dort mit vielen weiteren rechnen.
In Ravensburg waren es mehrere Schlägereien in jüngster Zeit, die nun den Ausschlag für den Einsatz von Kameras gegeben haben. Es galt, einen langen Fragenkatalog des Landesdatenschutzbeauftragten zu beantworten, so OB Rapp, bis die Behörde schließlich grünes Licht gab.

Drei Stahlmasten bestückt mit jeweils vier Kameras stehen nun gut sichtbar vor dem Ravensburger Bahnhofsgebäude und dokumentieren das Geschehen auf dem Vorplatz und an dem Zentralen Busbahnhof. Damit hat die Polizei fortan mehr Möglichkeiten, Licht ins Dunkel zu bringen, wenn dort eine Straftat begangen wird.
Das war bislang schwierig: Beim Raubmord von 2021 gab es keine Überwachungsbilder vom Bahnhof, erst eine Parkhaus-Kamera brachte die Ermittler auf die Spur der 15-jährigen Täterin. Jüngst habe man eine Blutlache beim Bahnhof festgestellt, so Polizeipräsident Uwe Stürmer. Was geschehen ist, bleibt unklar. „Es gibt keine Hinweise, keine Bilder“, so Stürmer.
Die Videoüberwachung ist genau genommen eher eine Videodokumentation: „Es gibt keine Liveübertragung zur Polizei oder ins Rathaus“, stellt Daniel Rapp klar, „da sitzt niemand vor dem Monitor.“ Das gespeicherte Material wird automatisch nach 72 Stunden gelöscht. Gibt es einen Vorfall, kann die Polizei auf die Videos zugreifen.
Die Polizei verspricht sich eine Erleichterung bei Ermittlungen. Außerdem erhofft man sich eine abschreckende Wirkung. „Das Entdeckungsrisiko ist hoch“, so Stürmer. Dass sich kriminelles Geschehen eventuell örtlich verlagert, ist den Behörden klar. Das sei aber kein Grund, von der Videoüberwachung abzusehen.
Klare Haltung des Polizeipräsidenten
Greifen die Behörden mit den Kameras zu tief in Privatsphäre Unbeteiligter ein? Nein, sagt der Polizeipräsident und spricht von einem minimalinvasiven Eingriff: „Man verliert seine datenschutzrechtliche Unschuld nicht am Bahnhof.“ Zusammen mit OB Rapp ist sich Stürmer einig, dass es generell öfter und einfacher möglich sein sollte, Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten einzusetzen. Rapp sieht eine gute Chance dafür, dass sich die bisherige Praxis nach den Landtagswahlen ändern wird. Zumindest die Spitzen von CDU und Grüne hätten entsprechende Aussagen getroffen.

Polizei will das auch in Friedrichshafen
Auch aus Sicht der Polizei ist der Einsatz von Videotechnik längst überfällig. Polizeipräsident Uwe Stürmer sieht darin „einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Bürger“ und würde sich Videotechnik auch an weiteren Brennpunkten wie dem Häfler Bahnhof „dringend wünschen“. Damit rennt er bei Friedrichshafens Rathaus-Chef offene Türen ein.
Doch anders als in Ravensburg reicht momentan in Friedrichshafen die Zahl der Straftaten offenbar den Landesbehörden nicht aus, um eine Videoüberwachung zu genehmigen. „Der Bahnhof und der Bahnhofsvorplatz in Friedrichshafen weisen derzeit keine Kriminalitätsbelastung auf, die sich so deutlich vom restlichen Stadtgebiet abhebt, dass die engen gesetzlichen Vorgaben für eine Videoüberwachung gegeben wären“, heißt es auf Anfrage aus dem Häfler Rathaus.
Deutsche Bahn: Kein Handlungsbedarf
Für das Innere der Bahnhofsgebäude und die Bahnsteige ist die Bundespolizei zuständig. Hier könnte nur die Deutsche Bahn AG im Rahmen des Hausrechts Kameras zur Überwachung einsetzen. Sie tut es aber weder in Friedrichshafen noch in Ravensburg und anderen kleineren Bahnhöfen in der Region. In Singen hingegen gibt es Videoüberwachung. „Momentan gibt es seitens der Bundespolizei keinen Hinweis auf einen Kriminalitätsschwerpunkt am Bahnhof Friedrichshafen-Stadt und damit keine Veranlassung für die DB, eine Ausrüstung mit Videotechnik in Erwägung zu ziehen“, so ein Sprecher der Bahn auf Anfrage.