Wollte man die Lage am Berufsschulzentrum treffend illustrieren, ginge das wohl am besten mit einem riesigen Fragezeichen. Vor über einer Woche wurden Pläne des Landratsamtes Bodenseekreis bekannt, nach denen die Halle am Berufsschulzentrum Friedrichshafen ab Ende des Jahres als Unterkunft für Geflüchtete dienen soll. Der Haken an der Sache: Von den 200 Klassen der Bildungseinrichtung haben 40 Anspruch auf Sportunterricht, bei 60 weiteren findet Sport statt. Und gut 50 Schüler haben sich bereits für das Sportabitur angemeldet.

Lars Gäbler ist Sprecher des Landratsamts Bodenseekreis.
Lars Gäbler ist Sprecher des Landratsamts Bodenseekreis. | Bild: Landratsamt Bodenseekreis

Eine Alternative für Sport gibt es nicht

Noch wissen die drei Direktoren der Schulen nicht, wie sie ihren Bildungsauftrag umsetzen sollen. Und auch im Landratsamt Bodenseekreis herrscht Ratlosigkeit. Sprecher Lars Gäbler schreibt auf Anfrage: „Eine Alternative für den Sportunterricht können wir aktuell nicht stellen. Wir haben natürlich Verständnis für die Nöte der Schule, mindestens den abitur- und prüfungsrelevanten Sport anbieten zu können.“ Es brauche kreative Lösungen mit anderen Schulen, so Gäbler weiter. „Aktuell verwenden wir alle Anstrengungen darauf, kurzfristig Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete zu finden und zu ertüchtigen.“

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Weiter erläutert der Sprecher: „Die momentane Schätzung von rund 200 Geflüchteten, die monatlich in den Bodenseekreis kommen, bedeutet, dass unsere bisherigen Kapazitäten an Grenzen stoßen und teilweise ausgeschöpft sind.“ Es brauche daher eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, um den Menschen eine längerfristige Bleibe bieten zu können.

Sabine Harsch ist Direktorin der Hugo-Eckener-Schule.
Sabine Harsch ist Direktorin der Hugo-Eckener-Schule. | Bild: Benjamin Schmidt

Doch kann der Sport denn so einfach abgesagt werden? Eine Nachfrage beim Kultusministerium Baden-Württemberg ergibt: Auch hier herrscht Ratlosigkeit. Bildungsauftrag einerseits, humanitäre Notwendigkeit andererseits. Ein Sprecher schreibt: „Auch wenn es keinen Rechtsanspruch auf uneingeschränkten Sportunterricht gibt, so sollte der Sportunterricht so lange wie vertretbar aufrechterhalten bleiben.“ Gleichwohl versichert er: „Das haben die Verantwortlichen im Blick und geben hier auch ihr Bestes im Sinne der Kinder und Jugendlichen.“

Schüler wollen sich an Öffentlichkeit wenden

Das scheinen die Jugendlichen selbst anders zu sehen. Schuldirektorin Sabine Harsch sagt am Telefon: „Schüler haben angekündigt, sich selbst zu Wort zu melden.“ Dabei handle es sich um junge Menschen, bei denen bald das Abitur ansteht. Sie wollen sich schriftlich an die Öffentlichkeit wenden und ihre Sicht der Dinge darlegen.

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Immer wieder wird in der Diskussion die Messe Friedrichshafen als Alternative zur Sporthalle genannt. Doch hier scheint es kaum Aussicht auf Erfolg zu geben. Lars Gäbler vom Landratsamt schreibt: „Mit der Messe befinden wir uns in einem kontinuierlichen Austausch.“ Allerdings komme eine Unterbringung Geflüchteter in der Messe nicht in Betracht. Es fehle etwa an einer Infrastruktur mit Dusch- und Sanitär-Einrichtungen, es gebe keine Räume für Kinderbetreuung und auch eine direkte Stadtanbindung sei nicht vorhanden. Auch wegen des Messegeschäfts sei eine dauerhafte Freigabe von Hallen nicht denkbar.

Messe als Alternative? Der Kreis winkt ab

Ähnlich äußert sich Frank Gauß, Sprecher der Messe Friedrichshafen. Zum einen bringt er dieselben Argumente vor wir Lars Gäbler vor. Zum anderen betont Gauß: „Nach dem Engagement zur Pandemiebekämpfung hat die Messe Friedrichshafen auch ihre Bereitschaft zur Unterstützung mit der ersten Flüchtlingswelle des Ukraine-Kriegs ausgedrückt.“ Allerdings habe sich die Unterbringung von in Not geratenen Menschen auf einer zentralen Großfläche wenig bewährt. „Dies führt zu dem Ergebnis, dass eine Menge der eingerichteten Großhallen minimal oder gar nicht belegt wurden.“ Ob letzter Punkt allerdings derzeit zutreffend ist, ist fraglich.

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Denn Landratsamt-Sprecher Gäbler schreibt: „Das Land hat kürzlich alle Stadt- und Landkreise aufgefordert, bei den aktuellen und noch zu erwartenden Ankünften geflüchteter Menschen, möglichst schnell Kapazitäten zu mobilisieren.“ Die bestehenden Notunterkünfte in Tettnang-Kau und Langenargen erreichen immer wieder ihre Belegungsgrenzen. Daher werden die Parkturnhalle in Kressbronn und die alte Überlinger Gymnasialsporthalle als Notunterkunft mit jeweils bis zu 72 Plätzen ertüchtigt und zum Teil schon genutzt. Zudem ist das Bau- und Liegenschaftsamt des Landratsamtes auf der Suche nach weiteren Unterbringungsmöglichkeiten. So soll etwa die Silberdistel in Sipplingen, ein ehemaliges Pflegeheim, zeitnah bis zu 141 Menschen Platz bieten. Zudem soll das alte Rathaus in Salem ab Januar 2023 eine Bleibe für bis zu 80 Menschen sein.

Angelika Seitzinger ist Direktorin der Droste-Hülshoff-Schule.
Angelika Seitzinger ist Direktorin der Droste-Hülshoff-Schule. | Bild: Benjamin Schmidt

Was bleibt in Friedrichshafen, ist daher das große Fragezeichen. Das schreibt auch Schuldirektorin Angelika Seitzinger: „Alle warten auf eine alternative Lösung.“ Was auch klar sein dürfte: Die Geflüchteten selbst würden auch lieber Wohnungen finden, als in einer Halle zu schlafen. Angebote für Wohnraum sammelt der Bodenseekreis auf seiner Webseite.