Geht es nach Plänen des Landratsamts Bodenseekreis, sollen Ende des Jahres etwa 280 Geflüchtete in der Sporthalle des Berufsschulzentrums in Friedrichshafen untergebracht werden. Diese Nachricht hat bei Sabine Harsch, Stefan Oesterle und Angelika Seitzinger gemischte Gefühle ausgelöst. Die drei sind die Rektoren der Hugo-Eckener-Schule, der Claude-Dornier-Schule sowie der Droste-Hülshoff-Schule. Und sie fragen sich: Wie geht es nun weiter?
Keine Halle – kein Unterricht?
Sabine Harsch: „Wir haben einen offiziellen Bildungsauftrag und müssen den Sport an den beruflichen Gymnasien anbieten.“ Aktuell wisse sie nicht, wie sie mit der Situation umgehen soll. Ohne Halle scheint das Sportangebot gestrichen zu sein. Die Rektoren stecken in einem Dilemma, wie sie sagen. Insgesamt besuchen gut 3500 Schüler das Berufsschulzentrum, das aus ihren drei Schulen besteht. Stefan Oesterle legt dar: „Bei 40 unserer etwa 200 Klassen sind wir verpflichtet, Sportunterricht anzubieten. Bei 60 weiteren findet Sport wöchentlich statt.“ Damit fiele für 100 Klassen Bewegung in der Schule weg.

Sport ist bitter nötig
Wie wichtig Sport für junge Menschen ist, weiß Angelika Seitzinger. „Wegen Corona fiel der Unterricht zwei Jahre lang aus – und das hat Folgen für die Gesundheit der Schüler.“ Kollegin Harsch illustriert: „Gestern haben sich zum Beispiel zwei neue Klassen vorgestellt. Nur ein Schüler von 50 macht privat Sport.“ Später ergänzt Sportlehrer Jens Hartmann: „Seit 18 Jahren unterrichte ich an dieser Schule. Noch nie hatte ich es mit so vielen unfitten Kindern zu tun.“
Gleichwohl kennen die Rektoren die Nöte von Menschen, die wegen Krieg oder Verfolgung ihre Heimat verlassen mussten. Gut 120 Geflüchtete besuchen am Berufsschulzentrum sechs Klassen, in denen sie auf das Berufsleben vorbereitet werden. „Wir haben absolutes Verständnis dafür, dass die Menschen Hilfe brauchen“, betont daher Stefan Oesterle. Angelika Seitzinger ergänzt: „Aber wir brauchen eine Alternative, um unserem Bildungsauftrag nachkommen zu können.“
Landratsamt in der Zwickmühle
Wie diese Alternative aussehen könnte, ist bislang nicht bekannt. Klar ist: Auch die Verantwortlichen im Landratsamt stecken in einer Zwickmühle. Als Träger des Berufsschulzentrums hat der Landkreis entschieden, die Halle zu nutzen – nun erwarten die Pädagogen von ihm Lösungen. Gleichzeitig kommen immer mehr Menschen in den Bodenseekreis – und die müssen untergebracht werden. Die bisherigen Kapazitäten reichen perspektivisch nicht aus. Mit etwa 200 zusätzlichen Personen, die eine Bleibe brauchen, rechnet das Landratsamt pro Monat. Da sind diejenigen, die abreisen oder woanders unterkommen, schon mit eingerechnet.
Deshalb werden auch andernorts die Kapazitäten hochgefahren: Neben Friedrichshafen werden aktuell die Parkturnhalle in Kressbronn sowie die alte Überlinger Gymnasialsporthalle als Notunterkunft vorbereitet. Sie fassen jeweils etwa 72 Plätze und sollen ab Anfang Oktober zur Verfügung stehen. Die Gemeinde Salem hat laut Robert Schwarz, Sprecher des Landratsamtes, ihr altes Rathaus zur Verfügung gestellt. „Doch hier müssen noch substanzielle Veränderungen vorgenommen werden, bis jemand einziehen kann.“

Hinzu kommt, dass eine andere Unterbringung Ende des Jahres wegfallen könnte: die Seldnerhalle im Tettnanger Ortsteil Kau. Dessen Ortschaftsrat hat sich in einem offenen Brief an Landrat Lothar Wölfle gewandt. Darin zu lesen: „Wir bitten Sie, dafür zu sorgen, dass die Seldnerhalle schnellstmöglich wieder ihrem ursprünglichen Nutzungszweck zugeführt werden kann.“ Das Gebäude sei der kulturelle Mittelpunkt des Ortes und somit eines der wichtigsten Gebäude für die circa 1700 Bürger, heißt es in dem Appell.
„Bislang ist es gut gelaufen“
Im Unterschied zum Berufsschulzentrum in Friedrichshafen ist der Landkreis bei der Seldnerhalle nur Mieter. Ende des Jahres läuft der bisherige Nutzungsvertrag aus. Sprecher Robert Schwarz betont: „Wir wollen ein verlässlicher Partner sein.“ Das hieße allerdings, dass die Halle mit Platz für gut 85 Menschen wegfiele – was zu weiterer Knappheit bei den Kapazitäten führen würde.
Joachim Wohnhas, Vorsitzender des Ortschaftsrats in Kau, schlägt gegenüber dem SÜKDURIER vor: „Warum bauen wir nicht Interimslösungen in günstiger Bauweise?“ Raum dafür sieht Wohnhas etwa auf Sportplätzen. Damit, dass grundsätzlich Geflüchtete in der Nähe wohnen, hat er kein Problem. „Bislang ist es gut gelaufen. Es ist ruhig.“