In Florian Sedlmeiers Bekleidungsgeschäft verschwanden regelmäßig Artikel in Größe M, vorzugsweise freitags. „Eine Stammkundin kam jeden Freitag, wenn sie auf den Markt ging“, schildert er bei einem Infoabend des Stadtforums zu Ladendiebstahl und Prävention. „Ihr Mann hatte Größe M.“ Erwischt wurde die Frau nie beim Diebstahl. Doch als sich schließlich immer Personal in ihrer Nähe aufhielt, hörten die Vorfälle auf.
Auch andere Besucher haben Erfahrungen mit dem Thema. Erst vor 14 Tagen hat Kristina Landau einen Ladendieb erwischt: „Es war nur eine Kleinigkeit, aber direkt unter meinen Augen. Das war richtig dreist“, sagt sie. Sie leitet den Rabe Fashion Store in der Friedrichstraße. In der Firma, in der sie vorher war, hatte eine Kollegin regelmäßig Geld unterschlagen. Dem Steuerberater waren kleine Unregelmäßigkeiten aufgefallen: „Wir haben das kontrolliert und bei 13.000 Euro aufgehört.“

„Die Eltern interessiert es oft gar nicht“
Marc Theurich erzählt, dass in seinem Geschäft in der Goldschmiedstraße vor allem Schüler beim Klauen erwischt werden. „Das sind häufig Mutproben unter Kindern und Jugendlichen“, sagt er. Meist werden Kleinigkeiten im Spielwarenbereich entwendet. Ihn erschüttert vor allem das Verhalten der Eltern: „Wenn wir die informieren, interessiert es sie oft gar nicht.“
Rahmi Özcelik von der Detektei-R hat am Tag der Veranstaltung mehrere Ladendiebstähle aufgedeckt, das ist für ihn Normalität. „Ich bin seit vier Jahren in Ulm als Ladendetektiv tätig und habe in der Zeit 2400 Leute angezeigt“, sagt er. Das Stadtforum hat ihn eingeladen, um Ladeninhabern konkrete Tipps zu geben. Seine Empfehlungen reichen von Kassenspiegeln über abgeriegelte Verkaufsregale und spaltenfreie Umkleiden bis zur lückenlosen Kameraüberwachung. Selbst wenn ein Diebstahl erst im Nachhinein entdeckt werde, könne die Aufnahme helfen, den Täter zu identifizieren. Im Verdachtsfall dürfen die Bänder ihm zufolge bis zum Prozess aufbewahrt werden.

Vor allem warnt Özcelik vor den Tricks der Profis. Die arbeiteten oft in Teams: Einer lenke ab oder verdecke die Sicht, während ein anderer stiehlt. „Sie beobachten das Personal, wissen, wann Pausen oder Wechsel stattfinden und beobachten das Verhalten“, sagt er. Einer gehe etwa mit einer geklauten Kleinigkeit, die als Versehen oder Bagatelle durchgehe, durch die Sicherheitsschranke. Werde dieser nicht vom Personal angesprochen, folgten die anderen Bandenmitglieder mit vollgepackten Tüten.
Polizei rät, jeden Diebstahl anzuzeigen
Polizeihauptkommissar Hans Hunger warnt davor, sich mit aggressiven Kunden anzulegen: „Selbstschutz geht immer vor Warenschutz“, sagt er. Hunger empfiehlt, in kritischen Situationen gleich die Polizei unter 110 anzurufen. Entwische der Täter, helfe es, den Ermittlern ein paar Merkmale zu nennen: „Wir hatten schon den Fall, dass jemand uns angerufen hat und wenig später eine Person mit den gleichen Merkmalen bei einem Diebstahl erwischt wurde.“ Hunger rät, jeden Diebstahl anzuzeigen, auch wenn es sich um Kleinigkeiten handelt. Zwar würden die meisten Verfahren eingestellt. „Aber wenn genug Anzeigen gegen eine Person eingehen, läuft das Fass über, dann wird nicht mehr eingestellt.“
Meist sind es Kunden, die die Bestände ohne Bezahlung dezimieren. „Aber es kann auch in der Verbuchung etwas schiefgehen, Lieferanten oder Fremdfirmen können etwas verschwinden lassen“, warnt Martin Walke, Branchenbetreuer für Einzelhandel bei der IHK Bodensee-Oberschwaben. In einem seiner Läden habe eine Kassiererin bei der Herausgabe des Wechselgelds immer ein wenig für sich abgezweigt. „Sie war oft krank wegen Sehnenscheidenentzündung – sie hatte den ganzen Tag das Wechselgeld in der Hand.“ Die 80.000 Euro, um die sie die Kunden im Laufe der Jahre betrog, legte sie kurz vor dem Notartermin in bar auf den Tisch. „Da war mit Sicherheit noch mehr“, vermutet Walke.

Freundlichkeit kann es Dieben ungemütlich machen
Auf der anderen Seite sei aufmerksames Personal die beste Prävention. „Das geht mit einem freundlichen Gruß los: Dann wissen die Kunden, dass sie wahrgenommen werden“, sagt Walke. Die regelmäßige Nachfrage „Kann ich helfen?“ mache die Situation für Ladendiebe ungemütlich. Wenn sich jemand verdächtig verhalte, sich etwa häufig umsehe, sollten Mitarbeitende mit Sortier- oder Aufräumarbeiten in der Nähe bleiben.