Den Brexit hat sich der Großmotorenbauer Rolls-Royce Power Systems (RRPS) Friedrichshafen nicht gewünscht. „Das haben wir auch immer deutlich gemacht“, sagt Wolfgang Boller, Sprecher des Unternehmens am Standort Friedrichshafen. Dennoch begrüßt er, dass förmlich in letzter Minute doch noch eine Vereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU erreicht wurde. Allerdings hätte RRPS schon lange vor dem ausgehandelten Partnerschaftsvertrag alles dafür getan, dass es für die Kunden zu keinen Einschränkungen kommt. Als Tochtergesellschaft des britischen Mutterkonzerns Rolls-Royce ist RRPS vor allem mit der Marke MTU für Antriebs- und Energiesysteme auf dem Markt vertreten.
Warenverkehr ohne Zölle von großer Bedeutung
Insgesamt ist der RRPS-Sprecher mit den neuen Regelungen zufrieden. „Vor allem die Vereinbarungen zum freien Warenverkehr ohne Zölle sind für uns von großem Vorteil – auch wenn das Handelsvolumen mit dem Vereinigten Königreich nicht sehr groß ist.“ Dieses mache etwa fünf Prozent des Umsatzes des Geschäftsbereichs „Power Systems“ aus. Welche weiteren Regelungen sich auf das Unternehmen im Detail auswirken, werde derzeit noch genau geprüft, so Boller.
Und wie wirken sich die Regelungen auf den britischen Mutterkonzern Rolls-Royce aus, wenn Waren aus dem Vereinigten Königreich nach Friedrichshafen geliefert werden? Da der Geschäftsbereich Power Systems im Vereinigten Königreich keine Antriebs- und Energiesysteme herstelle, ist der Mutterkonzern in dieser Hinsicht nicht von der Regelung betroffen, erläutert Pressesprecher Wolfgang Boller.
„Grundsätzlich können wir mit der Situation umgehen, da wir uns aufgrund unseres global ausgerichteten Geschäfts mit den Beziehungen zu Ländern außerhalb der Europäischen Union bestens auskennen.“Wolfgang Boller, Pressesprecher von Rolls Royce in Friedrichshafen
Airbus erfreut über Einigung zwischen der EU und dem Inselstaat
Erst mal abwarten heißt es auch am Standort Friedrichshafen für Airbus Defence and Space. Das Unternehmen stellt High-Tech-Produkte für Verteidigung und Raumfahrt her. „Wie die genauen Auswirkungen aussehen werden, müssen wir noch weiter analysieren und letztendlich müssen wir sehen, wie der Grenzverkehr in der Praxis gelebt wird“, sagt Pressesprecher Mathias Pikelj. Der Standort in Immenstaad ist Teil des international agierenden Unternehmens und hat im Raumfahrtbereich ausgeprägte Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien an den Standorten Stevenage, rund 40 Kilometer nördlich von London, und Portsmouth. Die Hafenstadt liegt an der Südküste Englands.

ZF hat sich auf den Brexit vorbereitet
Während des langen Austrittprozesses des Vereinigten Königreichs aus der EU hat sich ZF Friedrichshafen laut einem Sprecher zwar darauf vorbereiten können, aber: „Aufgrund des Fehlens konkreter Beschlüsse konnten wir nur teilweise konkrete Maßnahmen ableiten.“ Nun heiße es, die hinzukommenden Grenz- und Zollformalitäten in die Praxis umzusetzen. Wie das funktioniert, werde sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen, schätzt ein ZF-Sprecher. Jedenfalls sei das Kooperationsabkommen „besser als ein No-Deal-Brexit“, schreibt die Pressestelle auf Anfrage des SÜDKURIER.

Flughafen ist von den Beschlüssen wenig betroffen
Das umfassende Handels- und Kooperationsabkommen für das künftige Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich enthält neben den wirtschaftlichen Vereinbarungen auch Regelungen im Luftverkehr. Laut dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gelten weiterhin grundlegende Verkehrsrechte. Wie wirkt sich das Abkommen also auf den Flughafen Friedrichshafen aus? „Unser Airport ist wie alle anderen Airports in Deutschland relativ wenig von diesen Vereinbarungen betroffen“, schreibt Flughafen-Pressesprecher Wolfgang John auf Anfrage.

Auch wenn die Corona-Pandemie das Flug- und Reiseaufkommen gerade sowieso ausbremst, geht John von einem reibungslosen Übergang aus. „Flüge von und nach Großbritannien werden von den bestehenden Airlines – bei uns EasyJet und British Airways – weiter durchführbar sein.“