Herr Plösser, Sie sind Architekt. Wie sieht Ihr Traum-Entwurf der CDU aus?

Wir arbeiten schon seit vielen Jahren an diesem Entwurf unserer Partei. Das Fundament – um im Bild des Bauwerks zu bleiben – und der Rohbau sind solide. Es mangelt aber noch an der kreativen Innengestaltung, an einer zeitgemäßen Ausstattung an Themen.

Was heißt das konkret?

Wir brauchen wieder eigene Ideen und dürfen uns nicht an die Ideen anderer Parteien anbiedern.

Was ist also Ihre Vision konservativer Politik?

Es braucht ein gewisses Wertebild, das wir gemeinsam vertreten können, etwa im Hinblick auf die Familie. Ich sehe mich als modernen, konservativen und liberalen Menschen, orientiere mich aber auch an christlicher Moral. Es braucht die richtige Schnittmenge zwischen Erhalten, Bewahren und einen Gehen nach vorwärts.

Haben Sie ein Beispiel?

Thema Energiewende: Wir sollten nicht dem Grünen-Minister Robert Habeck hinterherrennen. Wie man nachhaltig plant und baut, dafür können wir eigene Ideen entwickeln. Themen wie nachhaltiges Bauen mit Holz und fortschrittliche Energiekonzepte, die uns unabhängig von Ländern wie Russland oder China machen.

Aber für so etwas steht doch Habeck auch?

Stimmt schon, da sind wir nicht so weit voneinander entfernt.

Und wo ist also die Abgrenzung?

Wir sollten die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nicht außer Acht lassen. Wenn ein Herr Habeck über Nachhaltigkeit spricht, übersieht er aus meiner Sicht die Frage, wer das alles bezahlen soll. Was uns gravierend voneinander unterscheidet, ist neben der Energiewende auch die Sicht auf Arbeitsplätze und die Wirtschaft.

Welche Rolle spielt Friedrich Merz als Bundesvorsitzender Ihrer Partei?

Er spielt bei Bundes- und Landtagswahlen eine wichtige Rolle. Bei kommunalen Wahlen sieht das anders aus, hier zählen die Personen vor Ort. Gleichzeitig war die Wahl von Armin Laschet zum Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten absolut gegen den Willen der Basis. Das hat zu Unzufriedenheit auch hier in Friedrichshafen geführt.

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Die Parteibasis hatte jetzt die Wahl zwischen Friedrich Merz, Peter Altmaier und Norbert Röttgen. Für wen haben Sie sich entschieden – und warum?

Ich bin und bleibe absoluter Söder-Fan, das hat vielleicht auch mit meiner Affinität zu Bayern zu tun. Nun aber habe ich mich für Herrn Merz entschieden. Es ist wichtig, dass wir mit ihm jemanden haben, dem man Wirtschaftspolitik glaubwürdig abnimmt, der Erfahrung hat. Ich hätte aber auch Norbert Röttgen gut gefunden. Er arbeitet sehr sachlich, ruhig und bescheiden.

Welche Impulse wünschen Sie sich?

Wir brauchen einen Gegenpol in der Diskussion über Nachhaltigkeit, Klimawandel, Corona und Schaffung von Arbeitsplätzen. Klimaschutz zum Beispiel muss man sich auch leisten können. Der Blick auf die Wirtschaft und auch den Mittelstand sollte daher wieder Kernthema der CDU sein. Herr Merz sollte das vorantreiben.

Wo ist dann die Abgrenzung zur FDP?

Wir können es einfach besser als die Liberalen. Die CDU ist breit verwurzelt und hat großes Potenzial.

Friedrich Merz wurde im Februar 2000 zum Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das ist eine Weile her. Ist er nicht aus der Zeit gefallen?

Ja, das ist schon so. Aber dennoch ist er in der jetzigen Zeit für die CDU wichtig. Wir sitzen in der Opposition, wir brauchen jemand mit Ruhe, Fachlichkeit und Lebenserfahrung, um dieses Schiff CDU auf Kurs zu bringen. Er wird am Puls der Zeit sein – davon bin ich fest überzeugt. Mit seinem Team, bestehend aus Christina Stumpp und Mario Czaja, hat er eine Grundlage für eine gute Mannschaft geschaffen.

Merz hat 2020 über Homosexuelle gesagt, die sexuelle Orientierung einer Person gehöre nicht in die Öffentlichkeit, „solange es nicht Kinder betrifft“. Er wiederholt damit ein bekanntes Ressentiment. Zudem stimmte er 1997 gegen den Strafbestand Vergewaltigung in der Ehe.

Diese Themen sind im 21. Jahrhundert doch selbstverständlich: Homosexualität ist etwas ganz Normales, Gewalt in der Ehe geht gar nicht, das ist für mich völlig diskussionslos. Aktuell stehen wir vor weiteren Aufgaben, ich sehe da den Klimawandel, die Coronakrise und vor allem die Energieversorgung und deren Bezahlbarkeit. Zudem stehen wir vor einem gigantischen Einschnitt, was die Arbeitswelt und zukünftige Arbeitsverhältnisse angeht: Technisierung, Demografiewandel, das Erstarken Chinas seien als Beispiele genannt. Zudem gilt es hier vor Ort, den lokalen Beschäftigten und Selbstständigen eine Stimme zu verleihen.

Woran sollte sich Friedrich Merz also messen lassen?

Friedrich Merz kann nicht zaubern. Wir müssen das Ohr in Richtung der Wähler und der Bevölkerung richten. Wir müssen dorthin, wo es vielleicht auch mal weh tut: Auf Wochenmärkte, an Stammtische, zu den Menschen. Wir müssen also vor die Tür, anstatt nur in Talkshows zu sitzen. Das erwarte ich auch von Herrn Merz. Zudem sollte er den Bezug zum „C“ im Begriff „CDU“ nicht als moralischen Kompass vergessen.

Hat er das Potenzial, zum nächsten Bundeskanzler zu werden?

Das wird sich zeigen.

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